Rente

[675] Rente heißt im weitesten Sinne jedes reine Einkommen, dasselbe mag nun durch Arbeit erzielt werden oder vom Besitz des Grund und Bodens oder des Geldes herrühren. In diesem Sinne spricht man daher in der Nationalökonomie von einer Arbeits-, einer Boden- und einer Capitalrente. Im engern Sinne versteht man aber unter Rente nur das Einkommen, welches Jemand ohne eigne Thätigkeit von seinem Eigenthume an Grund und Boden oder an Capitalien bezieht, und nennt Denjenigen Rentier und Rentenirer, welcher von dieser Art Einkommen lebt. Im engsten Sinne nennt man aber nur dasjenige jährliche Einkommen Rente, was Jemand für das Hingeben eines Capitals sich auf eine gewisse Reihe von Jahren, oder was das Gewöhnlichste ist, bis zu seinem Tode erkauft. (S. Leibrente.) Von diesem Rentenkaufe ist der in frühern Zeiten in Deutschland, zur Umgehung des kanonischen Rechts, welches das Zinsennehmen nicht gestattete, sehr gebräuchliche Renten- oder Gültenkauf verschieden. Der letztere ist weiter nichts als ein verschleiertes Darlehn, indem ein Grundstücksbesitzer von einem Capitalisten Geld aufnahm und diesem dafür eine auf seinen Grundbesitz radicirte jährliche Rente zahlte. Er wurde als der Verkäufer und der Darleiher als der Käufer betrachtet und die Form des Gültenkaufs von den Gesetzen dahin bestimmt, daß die Verschreibung auf Wiederkauf geschehen mußte, der Verkäufer also gegen Zurückzahlung des empfangenen Capitals seinen Grund und Boden jederzeit von der darauf gelegten [675] Rente wieder freimachen konnte, und die Rente nicht über fünf Procent vom Capital betragen durfte. In neuern Zeiten hat man die Grundsätze von der Ablösung (s.d.) der Reallasten auch auf alle auf Grundstücken ruhende Renten angewendet. – Rentenreduction ist etwas Anderes als bloße Zinsenreduction oder Herabsetzung des Zinsfußes und kann eigentlich blos bei von einem Staate der Art verkauften Darlehnsrenten vorkommen, daß durch Rückzahlung des wirklich eingezahlten Kaufpreises diese nicht vom Staate eingelöst und dafür etwa ein neues Anlehn zu niedrigern Zinsen gemacht werden kann. So kaufte man z.B. in Frankreich 1817 mit 55 Francs eine jährliche Rente von fünf Francs vom Staate und gewann natürlich ansehnlich am Capital, als der franz. Staatscredit sich später hob, der Zinsfuß daher fiel und der Curs solcher Renten bis über 100 Francs stieg. Jene Art, eine Anleihe zu machen, war daher doppelt nachtheilig, indem sie nicht blos zu einem hohen Zinsfuße geschah, sondern auch den Staat der Aufbürdung eines weit höhern Capitals aussetzte, als er wirklich empfing. Dessenungeachtet kann er in der Regel auch einen solchen Rentenkauf nicht einseitig aufheben und wenigstens keinen andern Preis oder Capitalswerth wie den bestimmen, welchen der Curs angibt, zu dem ihm jeder Inhaber die gekaufte Rente zurückgeben müsse, wenn er sich die Verminderung der Rente nicht gefallen lassen will. Würden jedoch immerwährende Renten von einem solchen großen Betrage vorhanden sein, daß das Staatswohl die Befreiung von dieser Schuldenlast gebieterisch foderte, so kann dem Staate allerdings die Befugniß nicht abgesprochen werden, die Ablösung oder Verminderung der Rente zwangsweise vorzunehmen. Setzt der Staat ganz ohne Berücksichtigung der ursprünglich beim Verkaufe der Renten eingegangenen Bedingungen und des damals erhaltenen Capitals wegen der Unmöglichkeit die Rente herab, dieselbe ferner zu bezahlen, so ist das nichts Anderes als ein Staatsbankrott. Eine solche Rentenreduction fand im I. VI der franz. Republik oder 1798 statt, wo sich die öffentliche Schuld auf 2800 Mill. Fr. belief und mit einem Male auf ein Drittel, consolidirtes Drittel und später fünfprocentige Rente genannt, mit fünf Procent Zinsen vermindert wurde. Zwar wurden die andern zwei Drittel in Bons bezahlt, allein diese verloren in kurzer Zeit allen Werth. Hätte der Staat unter einer schlechten Verwaltung weit höhere Summen verschrieben als empfangen, so kann das die Herabsetzung auf das wirklich empfangene Capital nothwendig machen, wie es 1716 in Frankreich geschah, wobei eine Classe der Staatsschuld von 596 auf 359 Mill. reducirt wurde. Im J. 1825 ward den Inhabern fünfprocentiger franz. Renten freigestellt, dieselben zu einem festen Preise mit Erhöhung des Capitals in drei-, vier- und vier ein halbprocentige umschreiben oder convertiren zu lassen, was aber blos mit dem kleinern Theile ausgeführt ward. Neuerdings wird die zuerst 1836 vom damaligen Finanzminister Humann angeregte Reduction der noch bestehenden höhern und besonders der fünfprocentigen franz. Renten wieder lebhaft beantragt, die sich 1838 noch auf 147,118,615 Francs oder ein Capital von 2,942,372,300 belief, wovon jedoch 668 Mill. oder 34,403,000 Francs Rente im Besitze der Ehrenlegion und öffentlicher Anstalten und Institute, der Herabsetzung und überhaupt der Umgestaltung durch die Art ihrer Erwerbung entzogen sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 675-676.
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