Sitte

[199] Sitte bezeichnet im Allgemeinen die gesammte das eigenthümliche geistige Wesen eines Menschen, einer Familie, eines Volkes ausdrückende Haltung und jede einzelne Äußerung dieser geistigen Eigenthümlichkeit. Die Sittlichkeit ist hiernach das dem Menschen eigenthümliche Charaktergepräge, welches er gemäß der Gesammtheit, der er angehört, an sich trägt, und der Mensch wird sittlich genannt, welcher sich besonders in seinen Handlungen durch die allgemein geltende Ansicht über Das, was sich ziemt, bestimmen läßt. Indeß bedient man sich der Ausdrücke Sittlichkeit und sittlich vorzugsweise nur in Bezug auf das allgemein dem Menschen, als Geist, Ziemliche, also insofern er der höchsten Allgemeinheit, der Menschheit, angehört, während man Sitte mehr in Beziehung auf die eigenthümliche Gestaltung des Geistes und der Menschheit in dem einzelnen Volke braucht. Der wahrhaft freie, d.h. vernünftige Mensch ist sittlich, weil die Gesetze der Sittlichkeit ebenso wenig willkürlich sind, wie die Selbstbestimmung des vernünftigen Menschen, sondern die in der Zeit nur erscheinende, aber in Wahrheit ewige Selbstbestimmung des mit sich selbst und in sich selbst einigen Geistes ausdrücken.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 199.
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