Schmarotzertum

[643] Schmarotzertum, Parasitismus, eine in der Tierwelt weitverbreitete Erscheinung, bei der gewisse Tiere (Schmarotzer, Parasiten) zeitweilig oder immer auf oder in dem Körper anderer Tiere und meist auf deren Kosten leben. Das von dem Schmarotzer heimgesuchte Tier ist der Wirt, und wo bei Schmarotzern Generationswechsel vorkommt, schmarotzt die geschlechtlich sich fortpflanzende Generation beim eigentlichen Wirt, die ungeschlechtlich sich vermehrenden beim Zwischenwirt. Es kommt vor, daß bloß das weibliche Geschlecht schmarotzt (Wurzelkrebse), oder bloß die Larven (Schlupfwespen, Raupenfliegen), oder bloß die alten Individuen (Sandfloh). Das S. ist verschiedenartig. Ein Tier kann mit einem andern gemeinsame Wohnräume haben (Synözismus), oder es kann das eine in dem Körper Unterschlupf und Schutz suchen (Inquilinismus). Beim Kommigratorismus benutzen schwächere Tiere die Kräfte stärkerer, um sich von ihnen transportieren zu lassen. Der Kommensalismus, eigentlich der Parasitismus im Sinne des Altertums, bei dem ein Tier mit seinem Wirt die noch unverarbeitete Nahrung teilt, also mittelbar auf seine Kosten sich ernährt, geht schon in das wahre S., bei dem sich ein Tier von der verarbeiteten Nahrung, d.h. lebenden Bestandteilen des Wirtskörpers, ernährt, über. Die wahren Schmarotzer sind Außenschmarotzer (Ektoparasiten, Epizoen) oder Binnen-, auch Innenschmarotzer (Entoparasiten, Entozoen). Das S. hat für die Schmarotzer und für die Wirte verschiedene Folgen, für die erstern positive und negative. Die positiven sind Auftreten von Haft- und Klammerorganen, sowie Entwicklung von Saugapparaten und durch Generationswechsel gesteigerte Vermehrungsfähigkeit. Negative Folgen sind Rückbildungen, die die Bewegungs-, Sinnes- und Verdauungsorgane sowie die Färbung betreffen. Die Folgen des S. für den Wirt sind sehr verschieden; manche leiden gar nicht unter ihm, andere mehr oder weniger, manche und bes. Zwischenwirte gehen zugrunde, wodurch der Parasit um so sicherer in den definitiven Wirt gelangen kann (Bandwürmer im Jugendzustande). – Vgl. van Beneden (1876), Leuckart (2 Bde., 1862-76; 2. Aufl., Bd. 1, 1879-1901), Zürn (2 Tle., 2. Aufl. 1882-88), Küchenmeister und Zürn (2. Aufl. 1870-81), Looß (1892), Braun (3. Aufl. 1903), Mosler und Peiper (2. Aufl. 1904). – Über S. im Pflanzenreich s. Parasit.

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 643.
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