[385] Christ, der. Nach der Himmelfahrt Jesu wagten es die Jünger und Anhänger desselben nicht, sich öffentlich zu zeigen, aber durch das wichtige Ereigniß am ersten Pfingstfeste wurden sie ermuthiget, begeistert für die Wahrheit traten sie heraus unter das Volk, und predigten, daß ihr gekreuzigter Herr und Meister, der von Gott durch die Propheten verheißene Messias (s. d. A.), oder nach griechischem Ausdrucke Christus sei. Manche zwar, ergriffen durch die lebhafte Verkündigung des nahe herbeigekommenen Heils, wurden gläubig und traten dem neuen Bunde bei, Andere aber spotteten der Anhänger des gekreuzigten Christus, und nannten sie spottweise Christianer oder Christen. Anfangs wurden die Christen von den Heiden, namentlich von den Römern, bloß für eine jüdische Sccte gehalten, und es trafen sie daher auch alle gegen die Juden gerichteten Verfolgungen. Später aber nahmen die Bekenner der Lehre Jesu diese Benennung als Ehrennamen an, und erduldeten um seinetwillen die unglaublichsten Martern. Der Name Ch rist bezeichnet demnach einen aufrichtigen, standhaften Bekenner der Lehre Jesu Christi. Da es nun der innerste und eigentliche Geist der von Christus geoffenbarten Lehre ist, daß nicht der bloße Name, nicht die bloße Taufe, nicht das Abendmahl allein, nicht Dogmen und Glaubenssätze den Christen zum Christen machen, sondern die Befolgung des ersten und höchsten Vernunftgesetzes: Gott über Alles[385] und den Nächsten zu lieben als sich selbst, und da das Reich der von Gott durch Christus geoffenbarten Lehre einzig und allein das Reich der Tugend, der moralisch und religiös reinen Gesinnungen ist, so verdient den Namen eines Christen auch nur der, der diesem Gesetze der Liebe überall vollkommen genüget, und sich eifrig bestrebt, seine moralisch und religiös reinen Gesinnungen durch Wort und That kräftig, wirksam und fruchtbringend in das Leben heraustreten zu lassen.
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