[425] Stier, Stiergefechte. Der Stier ist das Sinnbild des Muthes und der männlichen Kraft. Homer vergleicht mit ihm seinen Helden Agamemnon; von den alten Aegyptiern ward er als das Symbol des göttlichen Osiris (s. Apis) verehrt; er glänzt noch jetzt unter den Sternbildern des Thierkreises und ist der stolze König und Anführer unserer Heerden. Die dänischen und jütländischen Stiere sind von schwarz und weißer oder roth und weißer Farbe. Dann sind vorzüglich noch zu merken: die polnischen mit hohen Beinen, mit auseinanderstehenden Hörnern und von bläulicher oder fahler Farbe, die ungarischen, friesländischen, fränkischen, schottischen, die starkuntersetzten und schwarzbraunen böhmischen, die schweizerischen, welche im Allgemeinen die schönsten sind, und die spanischen, besonders die andalusischen, von ausgezeichneter Stärke und Wildheit, die sich daher vorzugsweise zu jenen blutigen Stiergefechten eignen, deren Anblick das Herz des Spaniers mit Freude und stolzer Kampfgier erfüllt. Doch unterscheidet man das Gefecht, wo der Stier getödtet wird (Toréo), von dem, wo[425] man sich begnügt, die Stiere bloß zu necken, die dann Knöpfe auf der Spitze ihrer Hörner tragen (Corrida de novillos). Die Fechter (Toreros) sind theils Picadores, die zu Pferd mit einer Lanze bewaffnet fechten, theils Chulos, die zu Fuß den Stier hetzen, indem sie ihm gelbgefärbte Tücher vorhalten. Zu den letzteren gehören die Bandevillars, welche sich bemühen, ihre Bandevillas, drittehalb F lange, mit ausgezacktem Papier umwickelte Stäbe, die in eine scharfe Spitze mit Wiederhaken endigen dem Stiere anzuhängen, und die Matadores oder die Hauptfechter. Ein großes, meist kunstvoll von Holz erbautes Amphitheater empfängt die Zuschauer. Im Schatten sitzen die Vornehmeren; der weibliche Blumenflor strahlt reichgeschmückt, in manchen Gegenden in Nationaltracht, in den Logen. Diener gehen ab und zu mit Erfrischungen. Die Hitze ist afrikanisch, das Amphitheater gedrängt voll. Jetzt schlägt es 2 Uhr von dem nahen Kirchthurm und nun tritt die Stille der Erwartung ein. Ein Kampfrichter steht an der Thüre, die zu dem Stierbehälter führt. Die entgegengesetzte Pforte öffnet sich und unter ungeheuerem Vivatrufen und Applaus tritt die Quadrille der Stierkämpfer ein. Die Matadoren treten der Quadrille vor; ihnen folgen die 4 Bandevillaros, dann kommen 6 Chulos mit Tüchern und rothen Fahnen; dann die Picadores zu Pferde, ganz in gelbes Leder und Eisen gehüllt, mit langen, dicken Lanzen, die oben eine 3 Zoll lange, eiserne Spitze haben, mit blauen, goldverzierten Jacken und breiten, braungelben, band- und blumengeschmückten Hüten. Die ganze Quadrille ist in gold- und silberstrahlender, andalusischer Nationaltracht und gewährt einen poetisch-chevaleresken Anblick. Jeder Augenblick spannt die Aufmerksamkeit und Theilnahme der Zuschauer. Selbst die Damen betrachten mit irrer Lust das grausame Schauspiel. Die Spannung, in der sie sind, verschönt ihre Gesichter, die dunkeln Augen leuchten, und wenn sie auch laut über die Unglücksfälle klagen, so bleiben sie doch nie davon weg. Die Männer toben sich aus, und Alles geht gegen Abend matt und erschöpft[426] nach Hause. Jeder einzelne Kampf dauert in der Regel 20 Minuten, und gewöhnlich werden an einem Nachmittage 8 Stiere getödtet.
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Adelung-1793: Stier, der · Stier
Brockhaus-1911: Stiergefechte · Stier
Herder-1854: Stiergefechte · Stier
Meyers-1905: Stiergefechte · Stier [2] · Stier, Hubert · Stier [1] · Kretischer Stier · Ponĭatowskischer Stier · Stier von Uri
Pierer-1857: Stier [1] · Stier [2] · Stier [3] · Stier von Uri · Kretischer Stier · Polnischer Stier · Poniatowskischer Stier