[441] Hypnose (hypnos, Schlaf) heißt der künstliche Schlafzustand, in welchem eine Person ein besonders geeignetes Object für Suggestionen (s. d.) bildet, indem die Eigentätigkeit (Spontaneität) des Denkens und Wollens, die active Apperception (s. d.) durch eine Einengung des Bewußtseins gehemmt und damit der Vorstellungs- und Gefühlsverlauf triebartig unter dem Drucke der »Befehle« ausgelöst wird. Alles, was eine geistige Ermüdung zu bewirken vermag, kann als Auslöser der Hypnose dienen. Zu unterscheiden sind Hetero- und Autohypnose. Die Befehle und Suggestionen des Hypnotisators können noch nach der Hypnose wirken (»posthypnotische« Wirkungen). Die Lehre von der Hypnose, auch der Inbegriff der hypnotischen Erscheinungen heißt Hypnotismus (der Terminus schon bei BRAID, 1841)
Die Hypnose war schon den alten Ägyptern u. a. bekannt. Als »tierischer (animalischer) Magnetismus« (Mesmerismus) tritt der Hypnotismus bei MESMER auf, verteidigt von PUYSEGUR, REIL, HUFELAND, SCHUBERT, ENNEMOSER, KLEIN, ESCHENMAYER, SCHOPENHAUER u. a. Begründer des wissenschaftlichen Hypnotismus ist BRAID. Die Schule von Paris (CHARCOT, RICHET, FÉRÉ u. a.) betrachtet die Hypnose als einen pathologischen, durch physische Reizung hervorgerufenen Zustand, während die Schule von Nancy (LIÉBAULT, BEAUNIS, LIÈGEOIS, BERNHEIM, Die Suggest. 1888) die Hypnose auf Suggestion zurückführt. Über Hypnotismus handeln WEINHOLD (Hypn. Vers. 1880), G. H. SCHNEIDER (Die psychol. Ursache d. hypnot. Ersch. 1880), PREYER (Die Entdeck. d. Hypnotism. 1881), A. LEHMANN (Die Hypnose 1890), DESSOIR (Doppel-Ich S. 23), O. VOGT (Zeitschr. f. Hypnot. III – VI), LIPPS (l.c. VI), FOREL (Der Hypnot.2, 1891), A. MOLL, HELLPACH (Grenzwiss. S. 337 ff.) u. a. Nach HEIDENHAIN beruht die Hypnose auf einer Hemmung der Functionen der Großhirnganglien (Der sog. tier. Magnet. 1880, S. 29 ff.). WUNDT führt die Hypnose (und Suggestion) auf eine Hemmung der Apperception bei gesteigerter Erregbarkeit der Sinnescentren zurück (Grdz. d. physiol. Psychol. II3, 452 ff.; Philos. Stud. VIII). Die hauptsächlichste Entstehungsursache der Hypnose ist die Suggestion, d.h. »die Mitteilung einer gefühlsstarken Vorstellung, welche in der Regel von einer fremden Persönlichkeit in Form eines Befehles mitgeteilt wird (Fremdsuggestion), zuweilen aber auch von dem Hypnotisierten selbst hervorgebracht werden kann (Autosuggestion). Der Befehl oder Vorsatz zu schlafen, bestimmte Bewegungen auszuführen, nicht vorhandene Gegenstände wahrzunehmen oder vorhandene nicht wahrzunehmen u. dgl. sind die häufigsten derartigen Suggestionen. Gleichförmige Sinnesreize, namentlich Tastreize, wirken unterstützend. Außerdem ist der Eintritt der Hypnose an eine bestimmte, in ihrer Natur noch unbekannte Disposition des Nervensystems gebunden, die durch wiederholtes Hypnotisieren bedeutend gesteigert wird« (Gr. d. Psychol.5, S. 331). »Das nächste Symptom der Hypnose besteht in einer mehr oder minder vollständigen Hemmung von äußeren Willenshandlungen, welche zugleich mit einer einseitigen Richtung der Aufmerksamkeit, meist auf die vom Hypnotisator gegebenen Befehle verbunden[441] ist (Befehlsautomatie). Der Hypnotisierte schläft nicht nur auf Befehl, sondern behält auch in diesem Zustande jede noch so gezwungene Stellung bei, die man ihm gibt (hypnotische Katalepsie). Steigert sich der Zustand, so führt der Hypnotische ihm aufgetragene Bewegungen anscheinend automatisch aus und gibt zu erkennen, daß er Vorstellungen, die ihm suggeriert werden, hallucinatorisch für wirkliche Gegenstände hält (Somnambulismus).« Schlaf und Hypnose sind verwandte Zustände. »Gemeinsam sind beiden gewisse Hemmungserscheinungen im Gebiet der Willens- und Aufmerksamkeitsvorgänge, sowie eine Disposition zu gesteigerter Erregbarkeit der Sinnescentren, die eine hallucinatorische Assimilation der Sinneseindrücke bewirkt.« In der Hypnose ist aber die Richtung der Apperception eine einseitige (l.c. S. 331 f.). Innerhalb des Apperceptionscentrums selbst kommen compensatorische Erregbarkeitssteigerungen gegenüber vorhandenen partiellen Hemmungen vor (l.c. S. 333). Vgl. Suggestion.