Person

[83] Person (persona, urspr. Maske): vernünftige Wesenheit, selbstbewußtes Individuum, selbstbewußtes, Zwecke verfolgendes, frei handeln-könnendes, verantwortliches Ich. Persönlichkeit ist (übertragen) entweder so viel wie Person oder (eigentlich) die Eigenschaft, Person zu sein, selbstbewußte, vernünftige, freie, zwecksetzende Ichheit, Wesenheit. Unpersönlich ist, was dieser Eigenschaft ermangelt, was nicht selbstbewußtes, nur primitives, triebhaftes Subject oder gar nur Object, Sache ist. die Persönlichkeit ist etwas, was das Individuum[83] erst in der Societät, in Wechselwirkung mit anderen, erwirbt. Besondere hervorragende, individuelle Personen sind »Persönlichkeiten« eminenter. Überpersönlich ist, was zwar auch Persönlichkeit im Sinne vernünftiger, bewußter Ichheit hat, was aber über den Gegensatz von Subject und Object, Ich und Nicht-Ich erhaben gedacht werden muß: das Absolute, Gott (s. d.). Während der Pantheismus (s. d.) in der Regel Gott als unpersönlich auffaßt, schreibt der Theismus (s. d.) Gott Persönlichkeit zu.

Person wird zuerst von BOËTHIUS definiert: »Persona est naturae rationalis individua substantia« (De duab. naturis et una persona Christi C. 3). Die Formel für Gott: »una substantia, tres personae (hypostaseis)« wird von TERTULLIAN u. a. aufgestellt. Nach ISIDORUS ist »persona« »quasi per se unum est« (bei Alb. Magn., Sum. th. I, 44, 1). Noch RICHARD VON ST. VICTOR sagt von der »divina persona«, »quod sit naturae divinae incommunicabilis existentia«. »Persona est existens per se solum iuxta singularem quendam rationalis existentiae modum« (De trin. IV, 22. 24). ALBERTUS MAGNUS definiert: »Persona est ens ratum et perfectum« (Sum. th. I, 42, 2). THOMAS erklärt: »Omne individuum rationalis naturae dicitur persona« (Sum. th. I, 29, 3 ad 2). DUNS SCOTUS betont, die Person sei auf keine Weise »communicabilis« (Sent. I, 23, 1. Quodlib. XIX, 22. Report. Paris. I, 23,1). Nach FR. MAYRONIS ist die Person »individuum subsistens« (vgl. Prantl, G. d. L. III, 291), nach anderen Scholastikern »suppositum intelligens« (vgl. MICRAELIUS, Lex. philos. p. 817). Nach SUAREZ bedeutet »persona« den »modus incommunicabiliter subsistendi« (Met. disp. 34, sct. 1). MICRAELIUS definiert auch: »Persona est substantia intelligens, individua, incommunicabilis, non sustentata ab alio, nec in alio« (l. c. p. 815).

HOBBES erklärt: »Persona est is qui suo vel alieno nomine res agit« (Leviath. I, 16). Nach LOCKE ist eine Person ein vernünftiges, besonnenes, selbstbewußtes Wesen (Ess. II, ch. 27, § 9). CHR. WOLF bemerkt: »Persona dicitur ens, quod memoriam sui conservat, hoc est, meminit, se esse idem illud, quod ante in hoc vel isto fuit statu« (Psychol. rational. § 741). Person ist »ein Ding, das sich bewußt ist, es sei eben dasjenige, was vorher in diesem oder jenem Zustande gewesen« (Vern. Ged. I, § 924).

KANT definiert: »Person ist dasjenige Subject, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind« (WW. VII, 20). Vernünftige Wesen heißen Personen, »weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst d. i. als etwas, was nicht blos als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet, mithin sofern alle Willkür einschränkt« (WW. IV, 276). Persönlichkeit ist »die Freiheit und Unabhängigkeit von dem Mechanismus der ganzen Natur« (Krit. d. prakt. Vern. S. 105). Im transcendentalen (s. d.) Sinne ist Persönlichkeit »Einheit des Subjects« (Krit. d. r. Vern. S. 310). SCHILLER erklärt: »Der Mensch aber ist zugleich eine Person, ein Wesen also, welches selbst Ursache, und zwar absolut letzte Ursache seiner Zustände sein, welches sich nach Gründen, die es aus sich selbst nimmt, verändern kann« (Üb. Anm. u. Würde, WW. XI, 223). Den Eigenwert der Persönlichkeit betont GOETHE, nach welchem die Persönlichkeit »höchstes Glück der Erdenkinder« ist. – KRUG bemerkt: »Jedes vernünftige Wesen vermag die Zwecke seiner Tätigkeit sich selbst zu setzen und mit Freiheit zu verwirklichen und heißt daher eine Person« (Handb. d. Philos. II,121). – Nach STEFFENS ist die Persönlichkeit etwas Ursprüngliches, Ewiges (Üb. d. wiss. Behandl. d. Psychol. S. 203). HEGEL bestimmt: »Die Allgemeinheit dieses für[84] sich freien Willens ist die formelle, die selbstbewußte, sonst inhaltslose einfache Beziehung auf sich in seiner Einzelheit – das Subject ist insofern Person« (Rechtsphilos. S. 73). Nach MICHELET ist Persönlichkeit »die Gleichheit des Ich mit sich selbst« (Anthrop. S. 517) die »sich selbst als ein Dasein anschauende Freiheit« (Vorles. üb. d. Persönl. Gott. S. 138), die »dem Geiste angemessene Einzelheit, welche nur die Verwirklichung des Allgemeinen ist und also, ohne als sinnliches Dieses zu dauern, dennoch im allgemeinen unendlichen Geiste fortlebt« (l. c. S. 140 f.). Nach HILLEBRAND ist Persönlichkeit »die zum Selbstbewußtsein gelangte Einheit der individuellen Bestimmtheit und der allgemeinen Selbstmächtigkeit, oder das Bewußtsein der subjectiven Allgemeinheit in der Bestimmung des Individuellen« (Philos. d. Geist. I, 184). Nach CHR. KRAUSE ist Persönlichkeit »selbstinnige Wesenheit« (Vorles. üb. d. Syst. S. 383), »Sich-selbst-für-sich-selbst-Sein« (Ab. d. Rechtsphilos. S. 31). HERBART definiert: »Persönlichkeit ist Selbstbewußtsein, worin das Ich sich in allen seinen mannigfachen Zuständen als ein und dasselbe betrachtet« (WW. III, 60). Nach TEICHMÜLLER beruht die Persönlichkeit auf der »Coordination zwischen Bewußtsein und Erkenntnis und demgemäß Selbsterkenntnis« (Neue Grundleg. S. 232 ff.). Teichmüller lehrt den »Personalismus«. Das Ich ist Substanz, als Einheit der Persönlichkeit unmittelbar bewußt (l. c. S. 156 f.). es ist das Prototyp des Substanzbegriffs (l. c. S. 171 ff.). J. H. FICHTE erklärt: »Die Seele ist individuelle Substanz, die menschliche erhebt sich zugleich zur Persönlichkeit. Die höchste Form der Persönlichkeit ist die des Selbstbewußtseins« (Anthropol. S. 573). Persönlichkeit ist »die nur dem Geiste zukommende Eigenschaft: alles ihm Angeeignete und Eingelebte mit Bewußtsein zu durchdringen, es als das Seinige zusammenzufassen, damit aber auch als von ihm freies Selbst dazustehen« (Psychol. I, S. XV). Persönlichkeit ist »die höchste, vollkommenste Existentialform alles Wirklichen« (l. c. S. XV, s. unten). LOTZE betont: »Das Wesen der Persönlichkeit beruht nicht auf einer geschehenen oder geschehenden Entgegensetzung des Ich gegen ein Nicht-Ich, sondern besteht in einem unmittelbaren Für-sich-sein« (Mikrok. I, 575 ff.). HAGEMANN bestimmt: »Person ist... eine subsistierende Substanz, welche vernünftig, d.h. selbstbewußt und selbstmächtig ist« (Met.2, S. 27). SCHOLKMANN bestimmt: »Die in ihrer Weltstellung zu voller Entfaltung ihrer Naturanlagen gelangte Individualität, die zur Selbstheit concentrierte Ichheit heißt Persönlichkeit« (Grundlin. ein. Philos. d. Christent. S. 189). Und WUNDT: »Wie das Ich der innere Wille in seiner Trennung von allem andern Bewußtseinsinhalte, so ist die Persönlichkeit das Ich, welches sich mit der Mannigfaltigkeit jenes Inhalts wieder erfüllt und damit auf die Stufe des Selbstbewußtseins erhoben hat« (Eth.2, S. 448). Die Persönlichkeit ist die »Einheit von Fühlen, Denken und Wollen, in der wieder der Wille als der Träger übrigen Elemente erscheint« (ib.). REHMKE erklärt: »Jede Seele ist ein eigenartiges concretes Bewußtseinsindividuum, d.h. eine Persönlichkeit« (Allgem. Psychol. S. 573). Nach K. LASSWITZ ist Persönlichkeit eine »Einheit welche ein Gesetz mit dem Bewußtsein aufnimmt, es in sich zu vollziehen«, nicht in der Zeit und im Raume (Wirkl. S. 152, 160). EUCKEN bestimmt: »Persönlichkeit als Anlage bedeutet... das Gesetzsein des Ganzen in der Natur, Persönlichkeit als Entwicklung die tatsächliche Belebung jenes Ganzen, was nicht möglich ist ohne eine eigene Tat, ein eigenes Ergreifen, ein Sich-identificieren mit jenem Princip« (Wahrheitsgeh. d. Relig. S. 125). RENOUVIER erklärt: »La conscience prend le nom de personne, quand elle est portée à ce degré supérieur,[85] à la fois de distinction et d'étendue, où elle obtient la connaisance du propre et de l'universel, et le pouvoir de former des concepts, et d'appliquer ces lois fondamentales de l'esprit qui sont les catégories.« »La personnalité est... la synthèse réalisée des lois, la relation des relations« (Nouv. Monadol. p. 111). HÖFFDING betont: »Persönlichkeit besteht vor allen Dingen in innerer Einheit und innerem Zusammenhange aller Vorstellungen, Gefühle und Bestrebungen« (Philos. Probl. S. 2). Nach KREIBIG ist Persönlichkeit »die Gestaltqualität (s. d), welche die psychischen und physischen Beschaffenheiten eines Subjects zu einem bereicherten Ganzen eint« (Werttheor. S. 194). Nach RIBOT ist das Ich, die Person nur ein Complex coordinierter Elemente des Bewußtseins (Mal. de la Personnal. p. 3, 169. Mal. de la Volont. p. 87, 120, 169). Ähnlich DESSOIR (Doppel-Ich S. 79 f.). Vgl. PIERRE JANET, L'autom. psychol. p. 305 ff.

Gott (s. d. und Theismus) ist nach JACOBI, ferner nach den Hegelianern (s. d.) der »rechten Seite« Persönlichkeit (s. Theismus). Nach CHR. KRAUSE ist Gott »die unendliche, unbedingte Person« (Abr. d. Rechtsphilos. S. 31. Vorles. üb. das Syst. S. 383). J. H. FICHTE erklärt: »Der höchste, wahrhaft das Weltproblem lösende Gedanke ist die Idee des in seiner idealen wie realen Unendlichkeit sich wissenden, durchschauenden Ursubjects oder der absoluten Persönlichkeit« (Specul. Theol. S. 180. Die theist. Weltans. 1873. Psychol. II, 29 ff.). Auch nach ULRICI hat Gott Persönlichkeit, so auch nach LOTZE. Gott ist reine, vollkommene Persönlichkeit (Kl. Schrift. II, 127. Mikrok. I, 181. III, 570). die endlichen Geister sind nur eine »schwache Nachahmung« derselben (Mikrok. III, 580). Als persönlich bestimmen Gott TRENDELENBURG, CHALYBAEUS, RAVAISSON, SECRÉTAN, MONRAD, BOSTRÖM, E. G. GEIJER, SCHOLKMANN (Grundlin. ein. Philos. d. Christent. 282). Als unpersönlich fassen Gott auf SPINOZA, SCHELLING, HEGEL, FEUERBACH, E. v. HARTMANN u. a. (s. Pantheismus, Gott), D. FR. STRAUSS (Alter u. Neuer Glaube), welcher bemerkt: »Persönlichkeit ist sich zusammenfassende Selbstheit gegen anderes, welches sie damit von sich abtrennt. Absolutheit dagegen ist das Umfassende, Unbeschränkte, das nichts als eben nur jene im Begriff der Persönlichkeit liegende Ausschließlichkeit von sich ausschließt« (Die christl. Glaubenslehre I, 504). – Den Wert der Persönlichkeit für das sittliche (s. d.) Handeln betonen die Stoiker, das Christentum und viele Ethiker. – Vgl. Paralogismus. Vgl. HÖFFDING, Philos. Probl. S. 12: centrale Bedeutung des Persönlichkeitsbegriffs für die Psychologie.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 83-86.
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