Ontologie

[53] Ontologie (ontologia): Wissenschaft vom Sein, vom Seienden (on) als solchem, von den allgemeinsten, fundamentalen, constitutiven Seinsbestimmungen (=allgemeine Metaphysik, s. d.. prôtê philosophia des ARISTOTELES). Bei CLAUBERG tritt »Ontologie« zuerst (auch als »Ontosophie«) auf. »Sicuti autem theosophia vel theologia dicitur quae circa Deum occupata est scientia: ita haec, quae non circa hoc vel illud ens speciali nomine insignitum vel proprietate quadam ab aliis distinctum, sed circa ens in genere versatur, non incommode ontosophia vel ontologia dici posse videatur« (Opp. p. 281). Bei CHR. WOLF ist die Ontologie der erste Teil der Metaphysik. »Ontologia seu philosophia prima est scientia entis in genere, seu quatenus ens est« (Ontolog. § 1). »Ea demonstrare debet, quae entibus omnibus sive absolute, sive sub data quadam constitutione conveniunt« (l. c. § 8). Es gibt eine »ontologia naturalis« und »artificialis« (l. c. § 21). »Ontologia est pars illa philosophiae, quae de ente in genere et generalibus entium affectionibus agit« (Philos. rational. § 73). Nach BAUMGARTEN ist die Ontologie »scientia praedicatorum entis generaliorum« (Met. § 41). BILFINGER erklärt: »Ontologia generales habitudines considerat ut entia sunt,« »explicat ens qua ens, sive essentiam, et quae ad illam pertinent, generaliter« (Dilucidat. § 4, 6). Nach J. EBERT werden in der Ontologie »die Eigenschaften, welche allen Dingen gemein sind«, erklärt (Vernunftlehre S. 9).

KANT setzt an die Stelle der früheren Ontologie die Transcendentalphilosophie (s. d.). »Die Ontologie ist diejenige Wissenschaft (als Teil der Metaphysik), welche ein System aller Verstandesbegriffe und Grundsätze, aber nur sofern sie auf Gegenstände gehen, welche den Sinnen gegeben und also durch Erfahrung belegt werden können, ausmacht, Sie berührt nicht das Übersinnliche, welches doch der Endzweck der Metaphysik ist, gehört also zu dieser nur als Propädeutik, als die Halle oder der Vorhof der eigentlichen Metaphysik, und wird Transcendentalphilosophie genannt, weil sie die Bedingungen und ersten [53] Elemente aller unserer Erkenntnis a priori enthält« (Üb. d. Fortschr. d. Met. S. 98). – Bei J. J. WAGNER (Org. d. menschl. Erk.) ist die Ontologie das System der Kategorien. HEGEL erneuert die Ontologie, die bei ihm Logik und Metaphysik zugleich ist, als »die Lehre von den abstracten Bestimmungen des Wesens« (Encykl. § 33). Von Bedeutung ist die Ontologie bei ROSMINI, besonders bei GIOBERTI, MAMIANI (Sull' ontologia e del metodo) u. a. Bei HERBART ist sie wieder ein Teil der Metaphysik (Allgem. Met. § 199 ff.). Als Seinslehre tritt sie auf bei BRANISS (Syst. d. Met. S. 215 ff.), TRENDELENBURG, ULRICI, CHALYBAEUS (Wissenschaftslehre S. 95 ff.) u. a., als Teil der Erkenntnistheorie bei vielen Philosophen. Nach RIEHL, ist sie »die Wiesenschaft der Dinge aus Begriffen« (Philos. Kriticism. I 1, 266), nach SCHUPPE »Erkenntnis der Grundzüge des Wirklichen« (Log. S. 4). Vgl. Philosophie, Metaphysik, Ontologismus.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 53-54.
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