Faust [2]

[672] Faust, Dr., dem Helden einer bekannten Volkssage, welche ihn als Vertreter der ganzen Schwarzkünstlerzunft auffaßt und sich an eine Persönlichkeit anlehnt, die in der 2. Hälfte des 15. Jahrh. wahrscheinlich zu Knudlingen od. Knittlingen in Schwaben geb. wurde. Er soll in Ingolstadt Theologie studiert und unbefriedigt aufgegeben, dann Medicin, Astronomie und Magie getrieben, das reiche Erbe eines Oheims verpraßt und sich endlich dem Teufel mit Leib und Seele unter der Bedingung verschrieben haben, daß ihm 24 Jahre lang alle Wünsche erfüllt würden. In Wittenberg soll er zuerst als Zauberer aufgetreten und nach 24 J. in der Nähe von Wittenberg vom Teufel geholt worden sein. Ihm diente ein Geist, Mephistopheles, mit dem er bald über die tiefsinnigsten Fragen der Theologie und Philosophie disputirte, bald lustige Streiche und Kunststücke ausführte, z.B. dem Bischof von Salzburg seinen Keller austrank, bei Regensburg auf der Donau Kegel schob, den Erfurter Studenten die Helden vor Troja citirte. Die Buhlschaft mit der wiedererwachten classischen Helena birgt einen tiefen Sinn in sich, wie das Gebahren des silbenstecherischen Famulus Wagner. F. repräsentirt die Empörung des Menschengeistes gegen die göttliche u. kirchliche Autorität, den ruhelosen Drang seiner Zeit nach großartigen Erfindungen, Entdeckungen, nach Enthüllung der Geheimnisse des Naturlebens u. nach irdischen Genüssen. Durch Göthe am tiefsten erfaßt, wurde F. der Held einer Weltdichtung, der Repräsentant der Neuzeit. Vortrefflich hat die F.sage Achim von Arnim aufgefaßt, Lessing, Klinger, Klingemann, Maler Müller, Lenau, Grabbe, Lord Byron haben sie dramatisch oder in Form von Romanen behandelt, Simrock gab das ehemals sehr beliebte Puppenspiel F. 1846 heraus. Vgl. Peter, die »Literatur der F.sage« 2. Abth. Leipz. 1851.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 672.
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