[557] Karpokrates, Stifter der Karpokratianer, ein Alexandriner aus Hadrians Zeit (117138 n. Chr.), wird gemeiniglich als Gnostiker betrachtet, war aber nur ein Platoniker und kann kaum zu den christlichen Sektirern gezählt werden. Er entdeckte im Christenthum nur den richtig verstandenen Hellenismus und stellte Christum neben Pythagoras, Platon u.s.f., als diejenigen Geister, welche zur Wiedervereinigung mit Gott gelangten. Diese Wiedervereinigung kann vermöge der Gleichheit der Bestimmung und Anlagen von allen Menschen erreicht werden, ist die reifste Frucht der Entäußerung von allem Sinnlichen und der freien sittlichen Tugend und nicht allzuschwer zu erlangen, denn unter der Entäußerung von allem Sinnlichen verstand K. vorzugsweise die Erhebung über alle Schranken von Gesetz. Sitte und positiver Religion und seine freie sittliche Tugend bedurfte keiner Werke, sondern nur des Glaubens und der Liebe, die zur Einheit streben. Von einer Offenbarung Gottes in der Sinnenwelt, diesem Werke abgefallener Geister, wollte K. so wenig wissen als von irgend einer absolut wahren Religion, desto mehr aber von der Wissenschaft. Solche Lehren leuchteten schon damals Vielen ein, deßhalb wuchs die Zahl der Karpokratianer in Aegypten ansehnlich; in ihren Versammlungen stellten sie das Bild Christi neben das des Plato, Aristoteles u.s.f., wurden aber dadurch nicht abgehalten, die schändlichste Unzucht zu treiben und dadurch den Ruf der Christen zu gefährden. K. Sohn, Epiphanes, wirkte auf der Insel Cephalonia und schritt von des Vaters Ansichten weiter, so daß er Gemeinschaft der Weiber und Güter, als der wahren Verehrung Gottes allein entsprechend, forderte und nach seinem Tode einen eigenen Tempel und Cult erhielt. In Rom verbreitete unter Papst Anicet (157168 n. Chr.) eine gewisse Marcellina die Ansichten der Karpokratianer; der Name der letztern ging erst im 4. oder gar 6. Jahrhundert unter.