[75] Schicksalstragödie nennt man jene Ausartung der Tragödie, zu welcher sich Anhänger der neuern romantischen Schule verirrten und deren Grundfehler darin liegt, daß das Schicksal keineswegs wie in den Trauerspielen der Alten als ewige Nothwendigkeit erscheint, die der himmelstürmenden Freiheit entgegensteht, sondern als hämischer Dämon, den jede Kleinigkeit zu entsetzlichen Rachethaten reizt, der seinen Willen gerne durch Träume, Weissagungen, Gespenster u. dgl. kund gibt u. den Menschen zwingt, sich mit Schuld zu beladen, so daß man gar nicht absieht, wozu bei solchen Puppen des Schicksals eine Charakterzeichnung dienen soll, Schillers Braut von Messina u. noch entschiedener Z. Werners 24. Februar begannen den Reigen der S.n, A. Müller, Houwald u. Grillparzer cultivirten dieselben aufs eifrigste u. zugleich mit glänzendem Erfolg, durch A. Oehlenschlager u.a. artete sie in förmlichen Gespensterspuck aus. Mehr als alle ästhetischen Widerlegungen bewirkten gegen die S. Castellis Schicksalsstrumpf und Platens verhängnißvolle Gabel.