[525] Schicksal bedeutet zunächst die Summe der Ereignisse, die jemand erlebt; so hat mancher ein gutes, mancher ein böses Schicksal. Sodann ist es die personifizierte höhere Macht, der sowohl das Bestehen in der Natur, als auch vor allem der Erfolg der menschlichen Handlungen zugeschrieben wird. Der Glaube an ein Fatum (heimarmenê) beruht auf der instinktiven Überzeugung des Menschen von der Notwendigkeit alles Geschehens. Er ist im Altertum die Überzeugung Homers, der Stoiker, Epikurs, im Mittelalter und der Neuzeit die Weltanschauung des Islams. – Höher steht der christliche Glaube an die göttliche Vorsehung, die Überzeugung, daß nichts in unserem Leben zufällig geschieht, sondern unser Dasein unter dem Schutze Gottes steht. – Für das Schicksal hatten die Griechen viele Ausdrücke: z.B. Moira (moira homerisch), Ate ('Atê), Adrastéa ('Adrasteia), die Unvermeidliche, Heimarméne (Heimarmenê), Peproméne (Peprômenê), die Austeilende, Zielsetzende, Anánke ('Anankê), Notwendigkeit, und Atropos ('Atropos), die Unabwendbare usw. – Die Schicksalstragödie, welche das tragische Leid des Helden von einer unentrinnbaren Vorherbestimmung der einzelnen Taten und Erlebnisse ableitet, war im Altertum berechtigt; heutzutage kollidiert sie sowohl mit dem Glauben an eine sittliche Weltordnung, eine göttliche Weltregierung als auch mit der allgemeinen Überzeugung, welche der praktischen Freiheit des Menschen einen an sich viel größeren Spielraum zuschreibt als frühere Zeiten. So ist sie eine Verirrung, welche Schiller in seiner »Braut von Messina« leise angefangen, Müllner, Werner, Houwald und Grillparzer laut fortgesetzt haben und Platen in der »Verhängnisvollen Gabel« verspottet hat. Vgl. Fatalismus, Praedestination, Teleologie.