[65] Nach der Singweise: So wünsch ich ihr ein gute Nacht, usw.
1.
O Grosser Gott, ich klage dir mit Reu
Die Ungedult, so mich besessen,
Die wider dich sich setzet ohne Scheu
Dir Gnaden denket abzupressen,
Die für und für
Den deinen hier
Nach meinem Willen will abmessen.
2.
Bald bild' ich mir Verdienst und Frömmkeit ein
Und fordre Glück von deinen Händen
Als eine Schuld vor mein Unschuldig-seyn.
Wilst du nit stracks Erhörung senden,
So wird gar bald
Die Andacht kalt,
Ich denk von dir mich abzuwenden.
3.
Mit Neid seh' ich deß Nächsten Wolstand an,
Bin nicht zufrieden mit dem Meinen;
Mein Aug sein Glück nit wol vertragen kan,
Sein lachen darff mich machen weinen.
Ich kan gar nicht
Der Sonne Liecht
Auf Bös' und Gute sehen scheinen.
4.
Ach pflanze du Zufriedenheit in mich,
Stell' ab und still das Widerbellen!
Mit Murren, Herr, werd ich erzürnen dich
Und mit Gefahr zurücke prellen.
Was du versehn,
Das muß geschehn,
Solt alle Welt sich widerstellen.
5.
Ach! ich bin böß, wo ich am frömmsten bin:
Ich kämpfe wider dich mit Sünden.
Was, Lohn? bey dir ich Straffe nur verdien:
Solt dann ein Mensch ihm Gott verbinden?
Ein Gnaden-gab'
Ist alle Haab:
Kein Stäublein wir verdienen könden.
[66]
6.
Ein Sünder pocht je nichts dem Richter ab:
Ich will in Demut hoffen Gnaden.
Ich wünsche nichts: Ich weiß, daß ich offt hab
Begehret meinen bittren Schaden.
Du weist, was mir
Nütz, nötig hier;
Du kanst und wirst mich wol berahten.
7.
Dein Will, ô GOTT, soll auch mein Wille seyn,
Ich soll und will dir nichts fürschreiben.
Schenk, wem du wilst, die Gaben: sie sind dein;
Mir wird mein Teihl doch übrig bleiben.
Dann was seyn sol,
Das schickt sich wol:
Kein Mensch kan solches hintertreiben.
Buchempfehlung
Der Held Gustav wird einer Reihe ungewöhnlicher Erziehungsmethoden ausgesetzt. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbringt er unter der Erde in der Obhut eines herrnhutischen Erziehers. Danach verläuft er sich im Wald, wird aufgegriffen und musisch erzogen bis er schließlich im Kadettenhaus eine militärische Ausbildung erhält und an einem Fürstenhof landet.
358 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro