Gegenliebe

[320] Wenn ich wüßte daß du mich

Lieb und werth ein bischen hieltest

Und von dem, was ich für dich,

Nur ein Hunderttheilchen fühltest;


Wenn dein Danken meinem Gruß

Halbes Wegs entgegen käme,

Wenn dein Mund den Wechselkuss

Gerne gäb' und wiedernähme;


Himmel, Himmel! außer sich

Würde ganz mein Herz zerlodern!

Leib und Leben könnt' ich dich

Nicht vergebens laßen fodern! –


Gegengunst erhöhet Gunst,

Liebe nähret Gegenliebe,

Und entflammt zu Feuersbrunst,

Was ein Aschenfünkchen bliebe.

Quelle:
Heinrich Christian Boie. Beitrag zur Geschichte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert von Karl Weinhold, Halle 1868, S. 320-321.
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