Haruns Traum

[372] Harun al Raschid, der Khalif,

Verzückt zur Höll' im bangen Traume,

Fand als sein Blick sie schnell durchlief,

In ihrem matervollsten Raume

An eines Königes die Hand

Von einem Derwisch fest geschloßen,

Und nur verwechselt ihr Gewand,

Sie gleicher Höllenpein Genoßen.

»Sagt an, woher dies Urtheil,« rief

Der höchst betroffene Khalif,

»Da ihr so ganz verschieden scheinet,

Daß gleiche Straf' euch hier vereinet?«

Ich hatte, sagte der Santon,

Vom Königsehrgeiz wohl ein wenig.

»Und ich, entgegnete der König,

Vom Derwisch die Religion.«

Quelle:
Heinrich Christian Boie. Beitrag zur Geschichte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert von Karl Weinhold, Halle 1868, S. 372.
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