Sechstes Kapitel

[33] Eugen, der nach dem Mittagessen

Im schattenkühlen Wald gesessen,


Sechstes Kapitel

Sieht hier mit herzlichem Vergnügen

Aus einem Baume Bienen fliegen. –
[33]

Aha, das müssen wir versuchen,

Da drinnen gibt es Honigkuchen! –

Sechstes Kapitel

Schnell steigt der Eugen auf den Baum,

Von oben in den hohlen Raum.


Sechstes Kapitel

Nur Vorsicht, immer leise! – Schrapp! –

Da rutscht er auf den Grund hinab.


Sechstes Kapitel

Da sitzt er nun im Baume fest,

Die Beine stehn im Immennest,


Sechstes Kapitel

[34] Und leider haben auch nach oben

Die Hosenschläuche sich verschoben,

So daß auf seine bloßen Waden

Die Bienen ihren Zorn entladen. –

Sechstes Kapitel

Ein alter, rupp'ger Tanzebär,

Der durchgebrannt, kommt auch daher.


Sechstes Kapitel

[35] »Da muß ich wohl von oben kommen!«

Denkt er – und ist hinaufgeklommen.


Sechstes Kapitel

Ach! – wie erschrak der Jüngling da,

Als er das Tier von hinten sah.


Sechstes Kapitel

Uhuu! – mit schrecklichem Geheul

Faßt er des Bären Hinterteil.

Dem Bären fährt es durch die Glieder,

Der Schreck treibt ihn nach oben wieder.


Sechstes Kapitel

[36] Er reißt den Knaben aus den Ritzen,

Doch beide Stiefel bleiben sitzen.


Sechstes Kapitel

Grad' ist Hans Dralle hergekommen

Und auch auf diesen Baum geklommen.
[37]

Sechstes Kapitel

Habuh! – was war das für ein Graus –

Grad' krabbelt da der Bär heraus.


Sechstes Kapitel

Und alle drei kopfüber purzeln

Hernieder auf des Baumes Wurzeln.
[38]

Sechstes Kapitel

Und grad kommt Förster Stakelmann

Und legt die lange Flinte an.


Sechstes Kapitel

Fürwahr! er hätte ihn getroffen,

Wär' nur der Bär nicht fortgeloffen.
[39]

Sechstes Kapitel

Jetzt, eins zwei drei, geht man dabei

Und sägt den Honigbaum entzwei.


Sechstes Kapitel

Und denkt nicht dran, daß man durchbohre

Des Jünglings beide Stiefelrohre.


Sechstes Kapitel

Hans Dralle aber trägt Verlangen,

Das Bienenvolk sich einzufangen.

»Nu sühst du woll! Nu heb ick deck!«

Schnurr! geht der Schwarm von unten weg.
[40]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 33-41.
Lizenz:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Klein Zaches

Klein Zaches

Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.

88 Seiten, 4.20 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon