Drittes Kapitel

Drittes Kapitel

[95] Alsbald nach dieser Spritzaffäre

Kommt unser Kuno in die Lehre

Zum braven Malermeister Quast;

Ein Mann, der seine Kunst erfaßt,

Ein Mann, der trefflich tapeziert

Und Ofennischen marmoriert,

Und dem für künstlerische Zwecke

Erreichbar selbst die höchste Decke.
[95]

Drittes Kapitel

Der Kunstbetrieb hat seine Plagen.

Viel Töpfe muß der Kuno tragen.

Doch gerne trägt er einen Kasten

Mit Vesperbrot für sich und Quasten.


Drittes Kapitel

Es fiel ihm auf, daß jeder Hund

Bei diesem Kasten stillestund.

»Ei!« – denkt er – »das ist ja famos!«[96]

Und macht den Deckel etwas los.


Drittes Kapitel

Ein Teckel, der den Deckel lupft,


Drittes Kapitel

Wird eingeklemmt und angetupft,

So daß er buntgefleckelt ward,

Fast wie ein junger Leopard.
[97]

Drittes Kapitel

Ein Windspiel, das des Weges läuft

Und naschen will, wird quer gestreift;

Es ist dem Zebra ziemlich ähnlich,

Nur schlanker als wie dies gewöhnlich.


Drittes Kapitel

Ein kleiner Bulldogg, der als dritter

Der Meinung ist, daß Wurst nicht bitter,

Wird reizend grün und gelb kariert,

Wie's einem Inglischmän gebührt.
[98]

Drittes Kapitel

Ungern bemerkt dies Meister Quast.

Ihm ist die Narretei verhaßt;

Er liebte keine Zeitverschwendung

Und falsche Farbestoffverwendung.

Er schwieg. Doch als die Stunde kam,

Wo man die Vespermahlzeit nahm,


Drittes Kapitel

Da sprach er mild und guten Mutes:

»Ein guter Mensch kriegt auch was Gutes!«
[99]

Drittes Kapitel

Er schnitt vom Brot sich einen Fladen.

Der Kuno wird nicht eingeladen.


Drittes Kapitel

Er greift zur Wurst. Er löst die Haut.

Der Kuno steht dabei und schaut.
[100]

Drittes Kapitel

Die Wurst verschwindet allgemach.

Der Kuno blickt ihr schmachtend nach. –


Drittes Kapitel

Die Wurst verschwand bis auf die Schläue.

Der Kuno weint der Tränen zweie.[101]

Drittes Kapitel

Doch Meister Quast reibt frohbedächtig

Den Leib und spricht: »Das schmeckte prächtig!

Heut abend laß ich nichts mehr kochen!« –

Er hält getreu, was er versprochen;

Geht ein durch seine Kammerpforte

Und spricht gemütlich noch die Worte:


Drittes Kapitel

»Sei mir willkommen, süßer Schlaf!

Ich bin zufrieden, weil ich brav!«[102]

Der Kuno denkt noch nicht zu ruhn.

Er hat was Wichtiges zu tun.


Zunächst vor jeder andern Tat

Legt er sein Ränzel sich parat.

Sodann erbaut er auf der Diele

Aus Töpfen, Gläsern und Gestühle

Ein Werk im Stil der Pyramiden

Zum Denkmal, daß er abgeschieden.

Apart jedoch von der Verwirrnis

Stellt er den Topf, gefüllt mit Firnis.

Zuletzt ergreift er, wie zur Wehre,


Drittes Kapitel

Die mächtige Tapetenschere.
[103]

Drittes Kapitel

Quasts Deckbett ist nach altem Brauch

Ein stramm gestopfter Federschlauch.

Mit einem langen, leisen Schnitte

Schlitzt es der Kuno in der Mitte.


Drittes Kapitel

Rasch leert er jetzt den Firnistopf

Auf Quastens ahnungslosen Kopf.
[104]

Drittes Kapitel

Quast fährt empor voll Schreck und Staunen,

Greift, schlägt und tobt und wird voll Daunen.


Drittes Kapitel

Er springt hinaus in großer Hast,

Von Ansehn wie ein Vogel fast,
[105]

Drittes Kapitel

Und stößt mit schrecklichem Rumbum

Die neuste Pyramide um.


Froh schlägt das Herz im Reisekittel,

Vorausgesetzt, man hat die Mittel.


Nach diesem ahnungsvollen Vermerke

Fahren wir fort im löblichen Werke.
[106]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 4, Hamburg 1959, S. 95-107.
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