Herebrant von Meißen

[461] Im Abendland


Mir bringt Verdruß

Wald, Flur und Fluß,

Mir ist vergällt

Die ganze Welt,

Darin ich groß gewachsen.

Denn, wo ich zieh',

Seh' ich nur sie: –

Ich trug ihr Bild

Durch jed' Gefild

Von Meißenland und Sachsen.


Nicht Roß und Jagd

Mir mehr behagt:

Kampf und Turnier

Verleiden mir:

Mich ekelt meiner Ehren:

Was Heldenschwert

Und Manneswert!

Da läuft ins Land

Ein glatter Fant,

Dem wird sie sich gewähren.


O Fluch der Stund',

Frau Hildegund,[461]

Und Fluch dem Ort

Und Fluch dem Wort,

Da dein ich erst ward inne!

Wie hohl sie ist,

Zu dieser Frist

Längst weiß ich's doch –

Und immer noch

Denk' ich der Teufelinne!


Auf, Herebrant,

Ins Morgenland!

Dich umzusehn,

Wo Palmen wehn

In unbekannten Welten:

Dort Tag für Tag

Mit grimmem Schlag

Der Heide soll

Den Minnegroll

Mir fürchterlich entgelten


Und Streich für Streich,

Im Takt zugleich

Mit Helmesbruch,

Bet' ich den Spruch

Aus frommem Pilgermunde:

»O Unvernunft

Der Weiberzunft:

Hei seid verdammt

Mir allesamt

Zum tiefsten Höllengrunde!«


[462] Im Morgenland


Du schönste Tochter Ismaël, wie süß bist du zu schauen,

Des Morgenlandes Prachtjuwel, die strahlendste der Frauen!

Gesegnet der Araberpfeil, der mich vom Rosse fällte,

Weil er gefangen, mir zum Heil, dir, Fatme, mich gesellte.


Dein dunkles Haar ist wie die Nacht, Granaten deine Lippen,

O selig, ihre rote Pracht in heißem Kuß zu nippen.

Ha, weiß ist deiner Stirne Glanz, dein Wuchs ist gleich den Palmen,

Dein Hauch ist Duft, dein Schritt ist Tanz, dein Wort Musik der Psalmen.


Dein Aug' ist dunkelmeeresblau und schwarz sind deine Brauen,

Du bist die allerschönste Frau in allen Erdengauen!

Wie schal, wie reizlos ist das Weib daheim im Land der Franken,

Ihr Blick ist matt und arm ihr Leib und ihre Glieder kranken.


Du süßes Sarazenenkind, du Schwester der Gazelle,

Die Zeder ist dein Hausgesind, der Sturm dein Spielgeselle:

Laß mich in deinem weichen Arm vom Mund den Hauch dir trinken,

Und Ritterpflicht und Pilgerharm versinken laß, versinken!


Wohl läßt sich in Jerusalem ein Himmelreich erwerben,

Fürs Heiligtum zu Bethlehem ruft uns der Papst zu sterben, –

Die Brüder all' mit Schwert und Spieß viel Herrliches vollbringen,

Den Lilienkranz im Paradies sich einst ums Haupt zu schlingen: –


Du sollst ins Haar die Rosen rot mir von Damaskus flechten,

Ich will das Leben, nicht den Tod, will küssen und nicht fechten!

Was Bethlehem, was Golgatha, was heil'gen Grabes Streiter: –

Wer in dein blaues Auge sah, braucht keinen Himmel weiter! –

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 461-463.
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