Wittenborg

[268] Das war Johannes Wittenborg,

Der Admiral vom Bunde,

Er nahm Bornholm, das feste Schloß,

Und fuhr hinab zum Sunde.


Und wo er traf ein Dänenschiff,

Das stolz die Segel blähte,[268]

Verbrannt' er's oder führt' es mit

Als Beute für die Städte.


Und als er kam vor Helsingör,

Das Volk ergriff ein Zagen,

Dem König deuchte plötzlich schwül

Die Luft zu Kopenhagen.


Er sandte Brief und Boten aus,

Den Admiral zu grüßen:

»Laß ab vom Kampf und komm ans Land,

Wir wollen Frieden schließen.


Und bis vollführt das Sühnungswerk

Dem Bund und uns zum Frommen,

Im alten Schloß von Helsingör

Sei mir als Gast willkommen!« –


Im alten Schloß zu Helsingör,

Da schallen Pauken und Zinken,

Die Diener rennen aus und ein,

Die güldnen Becher blinken.


Bei Tafel sitzt Hans Wittenborg

Gewappnet wie zum Streite,

Die Königstochter aus Dänemark,

Die sitzt an seiner Seite.


Die Königstochter aus Dänemark,

Die weiß so süß zu blicken,

Ein Goldnetz ist ihr wellig Haar,

Um Herzen zu bestricken.


Sie lacht und schwatzt und läßt sich hold

Sein zaudernd Wort gefallen,

Sie schenkt ihm ein und trinkt ihm zu,

Sein Blut beginnt zu wallen.


Schön Sigbrit hebt die Tafel auf,

Da rufen lauter die Geigen. –

»Legt ab den Panzer, Admiral,

Nun geht's zum Fackelreigen.«[269]


Und als er tanzt mit ihr im Saal,

Da schwindeln ihm die Sinne,

Ihm ist's, als ob aus ihrer Hand

Ein Strom von Flammen rinne.


Sie merkt es wohl und schaut ihn an

Und flötet leis im Tanze:

»Gib uns Bornholm, und dir gehört

Die Ros' aus meinem Kranze.«


»Die Ros' aus Eurem Kranz ist schön,

Rubin erbleicht daneben;

Mit Freuden gäb' ich drum mein Blut,

Bornholm kann ich nicht geben.«


»Gib uns Bornholm, das feste Schloß,

Und nimm dafür zur Stunde,

Nimm hin dafür, du stolzer Mann,

Den Kuß von meinem Munde.« –


Sie flüstert's leis, ihr Aug' ist heiß,

So wonnereich ihr Flehen,

Sie zieht ihn sacht zum Schloßaltan,

Da ist's um ihn geschehen.


Er hat verraten Schloß Bornholm,

Um seine Lust zu büßen –

Vom Himmel schoß ein Stern herab

Ins Meer zu seinen Füßen.


Weh dir, Johannes Wittenborg!

Weh dir um diese Stunde!

Du hast geminnt des Dänen Kind,

Was bleibst du nicht am Sunde?


Was segelst du zur Heimat keck,

Der du die Treu' gebrochen?

Zu Lübeck in der alten Stadt

Wird scharfes Recht gesprochen.


Zu Lübeck in der alten Stadt

Am Mittwoch nach dem Fasten,[270]

Da schallt vom Turme dumpf Geläut,

Da flaggen schwarz die Masten.


Zum Markte wallt ein Trauerzug

Aus Sankt Mariens Türen,

Das ist Johannes Wittenborg,

Den sie zum Tode führen.


Bekümmert steht das Volk umher,

Es weinen laut die Frauen;

Dem jungen Admiral nur spielt

Ein Lächeln um die Brauen.


Er schreitet hohen Haupts zum Block,

Als ging's zum Fackelreigen:

»Und muß ich sterben um Bornholm,

So warst du doch mein eigen!«


Ein Röslein nimmt er aus der Brust,

Das wuchs an Seelands Strande,

Er drückt's noch einmal an den Mund,

Dann kniet er hin im Sande.


Die Glocke dröhnt, das Richtbeil fällt,

Sein Haupt rollt hin am Grunde;

Er hat bezahlt mit seinem Blut

Den Kuß von Sigbrits Munde.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 268-271.
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