In Wien

[200] Von der Theiß zum fernen Rheine

Wölbt ein Freudenmünster sich,

Drin die ganze Christgemeine

Jauchzt: »Herr Gott, wir loben Dich!«

Ungarns Volk küßt den Befreiern

Kleid und Hand auf ihrer Fahrt,

Unberedte Lippen feiern

Dieß Te-Deum frömmster Art.


In den Thronsaal vor den Kaiser

Tritt der Prinz zum Kriegsbericht;

Ist die Majestät wohl heiser,

Daß sie kein Willkommen spricht?

Eugens Worte ziehn geschlossen

Wie Kolonnen in die Schlacht,

Festgegliedert, stahlgegossen,

Siegsbewußt in ihrer Macht.


Doch wie Schaum an dürrer Klippe

Schier der Rede Fluth versank,

Denn die größte Kaiserlippe

Fand kein kleinstes Wort von Dank.[201]

Nun die höchste der Perrücken

Steif dir nickt den Abschiedsgruß,

Siegesheld, magst du dich bücken,

Denn die Zwiesprach ist am Schluß.


Unten an der Treppenpforte

Der Trabanten Hauptmann stand,

Der beredtern Fluß der Worte

In des Kaisers Namen fand:

»Euren Degen, stolzer Sieger!

Euer Haus dien' Euch zur Haft;

Denn Gehorsam schmückt den Krieger

Höher noch, als Glück und Kraft.«


Eugen reicht den Degen artig:

»Nehmt ihn, der nicht rosten darf!

Ward im Dienst des Kaisers schartig;

Nehmt und schleift ihn wieder scharf!« –

Groß mag dieser Degen scheinen,

Als er Heer und Schlacht gelenkt,

Größer war's, als vor so Kleinen

Er in Treue sich gesenkt.


Als das Volk mit Scham und Staunen

Sah den Feldherrn schwertberaubt,

Rief der Zorn wie mit Posaunen

All zum Schutz so theurem Haupt;

Doch auch dieses Heer der Liebe

Schlägt die degenlose Hand,

Auch sein Blick führt Heldenhiebe,

Auch sein Wort streckt in den Sand.
[202]

Zu den ew'gen Sternengleisen

Blickt der Held aus seiner Haft;

Künft'ge Siegessterne kreisen

Um das Haupt ihm geisterhaft.

Oesterreich, dieß Gotteserbe,

Füllt die Seele ihm mit Glanz;

Daß kein Feind den Thron verderbe,

Der ihn beugt, sei einst sein Kranz!


Ob den wucht'gen Heldendegen

Leopoldus prüfend wog?

Ob den Andern, die ihn wägen,

Das Gewicht die Arme bog?

Ob dem Fürsten auf sein Kissen

Sanftern Traum gestreut die Nacht?

Schlief ein kaiserlich Gewissen,

Ist's doch herrlich, wenn's erwacht!


Morgens früh an Eugens Pforte

Schon der Gardehauptmann stand,

Der den Strom der Gnadenworte

In des Kaisers Namen fand:

»Nehmt dieß Schwert glorreich wie keines,

Durch Gehorsam schartenrein;

Doch daß Haupt und Arm nur Eines,

Seid Hofkriegsrath Ihr allein!«


Großen Herzen steigt der Tröster

Leuchtend aus dem eignen Gram;

Seiner großen Siege größter

War's, als er dieß Schwert jetzt nahm,[203]

Das er weiht' in Morgenröthen,

Dran er Glück und Ehre band. –

Misse nie, mein Land, in Nöthen

Solchen Degen, solche Hand!

Quelle:
Anastasius Grün: Gesammelte Werke, Band 1–4, Band 2, Berlin 1907, S. 200-204.
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