Im Frühling

[171] O laß sie träumen den Kaiserwahn,

Alt-Deutschlands Ritter und Recken;

Wie werden sich vor dem roten Hahn

Die rotern Adler verstecken!


O laß sie träumen noch eine Nacht!

Dann wetzen wir aus die Scharte,

Dann werden Fidibusse gemacht

Aus der europäischen Karte.


Die Völker kommen und läuten Sturm –

Erwache, mein Blum, erwache!

Vom Kölner Dome zum Stefansturm

Wird brausen die Rache, die Rache.


Vom Stefansturm zum stillen Prag

Und weiter, weiter nach Polen –

Das ist der Könige Jüngster Tag;

Der Teufel, er wird sie holen.
[171]

Die alten Kohorten am Tiberstrom

Stehn auf beim Klang der Trompeten;

Die Glocken schweigen, du ewiges Rom

Vergiß dein Singen und Beten!


Die Glocken schweigen, die Pfaffen schrein

In ihren zertrümmerten Hallen;

Den Heiligen wird der goldne Schein

Vom zitternden Haupte fallen.


Die Henker falten, vor Schrecken bleich,

Die blutigen Hände zusammen;

Und aus dem stürzenden Österreich

Hoch lodern werden die Flammen.


Das alles, das alles soll geschehn

In kommenden Frühlingstagen –

Herrgott, laß die Welt nicht untergehn,

Eh die Nachtigallen schlagen!
[172]

Quelle:
Herweghs Werke. Berlin und Weimar 1967, S. 171-173,184.
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