An die platonische Liebe

[51] Dir, o Liebe, schallet meine Laute,

Die dem Plato, den sie sich erlas,

Rosenhütten am Ilißus baute,

Mit ihm in den Hütten saß,


Unter Valchiusens Lorbeerschatten,

Taumel über dich, Petrarca, goß,

Bald am Bache, bald auf bunter Matten,

An den Schwanenbusen schloß.


Die der Seele neue Flügel leihet,

Sie in heilge Phantasien wiegt,

Zum Genuß der Götterfreuden weihet,

Und mit ihr gen Himmel fliegt.


Ihr die goldne Himmelsthür entschließet,

Sie dem Engelchor entgegenführt,

Das sie Schwester, und Gespielin grüßet,

Und mit Palmenkronen ziert.


Sorgen, die sich in die Seele stahlen,

Mit der Wurzel aus der Seele reißt,

Tausend übervolle Taumelschaalen

Durch ihr Innerstes ergeußt.


Jeden Keim des Lasters niederdrücket,

Jeden Keim der Tugenden enthüllt,

Sanftmuth, Unschuld in die Herzen blicket,

Und der Gottheit Ebenbild.
[51]

Wie der Jüngling, voll Begeisterungen,

In dem Feuer deines Taumels glüht,

Der, an seines Mädchens Arm geschlungen,

Dich auf Purpurwolken sieht!


Wonnebilder gleiten, auf den Schwingen

Der Entzückung, durch den Hayn dahin,

Engel, die zu goldnen Harfen singen,

Kränzen seine Schäferin.


Alles freuet sich des Götterkindes,

Süßer lispelt jedes Buchenblat,

Milder weht der Hauch des Abendwindes,

Der ihr Haar gefächelt hat.


Götter tanzen mit ihr durch die Fluren,

Seelge Geister folgen jedem Schritt,

Neue Blumen wehen in den Spuren,

Die das holde Mädchen tritt.


Heller wird die Luft um ihre Wangen,

Von den Engelharfen, welche nie

Süßer in den Lauben Gottes klangen,

Strömt ein Strom von Melodie.


Liebe, Mutter holder Schwärmereyen,

Die das Herz zu Gott zu heben weiß,

Lächle mir den Wintermond zum Mayen,

Streue Blumen auf das Eis.


Welch ein Himmel um mich! Laura wallet

Durch die weißbereifeten Alleen.

Heil mir! Aus den todten Wipfeln schallet

Überirrdisches Getön.
[52]

Vögelchen erwachen aus dem Schlafe,

Kräuter keimen auf, der West erwacht,

Durch die bunten Kräuter hüpfen Schafe,

Alles freut sich, alles lacht.


Sie verläßt, mir einen Gruß zu nicken,

Itzt die Lindengänge, wo sie schlich.

Welche Himmelsfreude, welch Entzücken,

Götter, überströmet mich.
[53]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 51-54.
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