Antwort

[188] Ja, Freund! in Deinem Sans Souci,

Wo, bey der Musen Harmonie,

Die finstere Philosophie,

An Lied und Scherz und Kuß gewöhnet,

Mit Huldgöttinnen sich versöhnet,

Wo neben Dir Dein Amor sitzt,

Und spielend einen Plato schnitzt1,

Da lassen Dich erhabne Freuden

Kein fürstlich Sans Souci beneiden;

Da ruft den ungetäuschten Blick

Von der Paläste stolzen Mauern

Die Weisheit freundschaftlich zurück,

Und lehrt Dich, Könige bedauern.

Sie scherzen nicht mit uns im Hain,

Sie ladet nicht der Rasen ein;[189]

Kaum sehen sie das Veilchen blühen,

Die Sonne hinter Bergen glühen,

Den Hügel, den Aurora malt,

Und wie der Mond auf Teiche stralt.

Kein Vogel singt für sie Gesänge;

Die kleine Philomele schweigt,

Wenn sich in rauschendem Gepränge

Der Herr von ihren Wäldern zeigt.

Mit unterbrochnen Tönen steigt

Die Lerche, wo der Frohsinn weicht,

Und bang, mit leisem Murmeln schleicht

Der ungegrüßte Bach vorüber.

Der Echo sagt erschrocken nach,

Was ein Monarch im Purpur sprach,

Und hört des Hirten Stimme lieber.


Uns, bester Gleim, uns liebt das Thal;

Dort, wo wir seine Rosen pflücken,

Und den gefüllten Becher schmücken,

Verachten wir Lucullus Mahl.

Es trank aus goldenem Pokale

Nur selten die Zufriedenheit;

Nur selten wohnt im Marmorsaale

Das Glück der wahren Zärtlichkeit.

Ihr Fürsten! sah man, unter Küssen,

Von euern Wangen Thränen fließen?[190]

Für uns als Götter aufgestellt,

Vom Diadem das Haupt umwunden,

Was hilft euch eine ganze Welt,

In der ihr keinen Freund gefunden?


Nur dann, wenn am verlaßnen Herd

Die Unschuld ihre Hände ringet,

Bis zum Palast die Stimme dringet,

Euch Väter nennt und Schutz begehrt:

Dann seyd ihr uns des Neides werth.

Doch nein! von unzählbaren Schätzen

Den Raub der Bosheit zu ersetzen,

Ist das ein himmlisches Ergötzen,

Ist das der Tugend höchster Ruhm?

Was wir, o Freund! der Armuth geben

Von unserm kleinen Eigenthum,

Muß über Fürsten uns erheben!


Wenn einst die goldnen Wände beben,

Der Styx in banger Nähe schreckt,

Und dicke Nacht den Thron bedeckt:

Dann sieht, in wilden Phantasien,

Auf seinem Lager noch der Held

Ein grauses, leichenvolles Feld;

Sieht überwundne Feinde knien,[191]

Und Angstgeschrey, das Gnade! ruft,

Ertönet laut um seine Gruft.


Und wir? Bekränzt kommt er hernieder

Von Grazien, der letzte Tag;

Umarmet singen wir ihm Lieder,

Ein zärtlich Mädchen singt sie nach.

Fußnoten

1 Auf einer Gemme in Lipperts Daktiliothek ist es der Kopf des Sokrates; allein Plato war gewiß der Lieblingsphilosoph der Liebesgötter.


Quelle:
Johann Georg Jacobi: Sämmtliche Werke. Band 1, Zürich 1819, S. 188-192.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gustav Adolfs Page

Gustav Adolfs Page

Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.

42 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon