|
Werte Zuhörerinnen!
Indem Sie zu einem Verein zusammengetreten sind, der höheren Zwecken dient, als denen, welche man bisher speziell, aber mit gänzlicher Verkennung vollendeter Weiblichkeit, beliebte weibliche zu nennen, haben Sie schon bewiesen, daß Sie selbst Ihre Aufgabe, die Aufgaben der Frau in dieser bewegten Zeit erkannt haben. Ich freue mich, Sie als Gesinnungsverwandte begrüßen zu können! Schon seit Jahren habe ich danach gestrebt, meine deutschen Schwestern von der Notwendigkeit dieser höheren Aufgabe zu überzeugen, ich habe mein schriftstellerisches Wirken damit begonnen, daß ich in den »Vaterlandsblättern« über die »Stellung der Frauen im Staate« schrieb, daß ich sie dazu aufforderte, geistig teilzunehmen an den politischen Bestrebungen der Gegenwart und die treuen Gefährtinnen der Männer zu sein, wo es sich um die Rechte des Volks, um seine Freiheit handelte. Denn das Volk besteht eben wie die Menschheit selbst nicht nur aus Männern, sondern aus Männern und Frauen. Darum müssen die Frauen, wenn schon auf andere Weise und auf anderem Gebiet, doch auch wie die Männer der staatlichen Entwickelung, der Volksfreiheit dienen. Ich habe dieses alles schon vor Jahren ausgesprochen – die Vorurteilsvollen, die Philister und diejenigen, welche sich ein Geschäft[98] daraus machen, alles in den Staub herabzuziehen und zu verlachen; sie waren alle wider mich, sie haben mich verlacht, wie sie mich wahrscheinlich auch heute wieder verlachen werden – aber ich wußte das voraus und habe mich nicht darum gekümmert. Warum mich die einen schmähten, das führte mir die andern zu, und ich denke, diese letztern waren die Besseren! Sie werden dieser Ansicht alle beistimmen, wenn ich Ihnen sage, daß unser Robert Blum einer der ersteren unter denen war, welche mich in diesen Bestrebungen für die Rechte der Frauen ermutigte. – Die Teilnahme der Frauen am Staate ist nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht – hatte ich gesagt und diese Worte, welche mir Hunderte von Feinden schufen, machten Robert Blum zu meinem Freund. Ich sage das nicht zu meinem Ruhm, sondern zu Ihrem Trost, werte Zuhörerinnen, denn weil Sie dieselben Ansichten vertreten wie ich, werden Sie auch mein Los in diesen Beziehungen teilen. Wer aber gewiß ist, im Geiste Robert Blums zu handeln, kann sich schon darüber trösten, von beschränkten oder böswilligen Leuten falsch beurteilt zu werden. Soll ich noch andere Männer aus der Gegenwart nennen, die über diese Rechte und Pflichten der Frauen mit uns gleich denken und es durch ihre Freundschaft mir bewiesen haben? So nenne ich noch den begeisterten Johannes Ronge, den Stifter des Deutschkatholizismus, und unsern edeln Minister Oberländer. Das sind Ihnen längst bekannte und hochgefeierte Namen, welche die Rechte des ganzen Volkes anerkennen und für sie einstehen, die Rechte der Frauen wie der Männer. Diese wenigen Namen, denen ich leicht noch viele andere beifügen könnte, die Ihnen aber doch vielleicht minder bekannt wären, werden Ihnen genügen, um gewiß zu sein, daß wir edle, verehrungswürdige Bundesgenossen haben – vielleicht auch werden diese Namen genügen, einige unserer Gegner zu entwaffnen und zu beschämen! –
So viel als Einleitung. Es ist meine Absicht, durch geschichtliche Rückblicke zu zeigen, daß unsere Bestrebungen, dem Vaterland und der Freiheit zu dienen, keineswegs vereinzelt dastehen oder etwas Neues sind. Ich werde Sie sowohl auf einzelne Zustände als auf einzelne Frauen vergangener Zeiten aufmerksam machen, um dadurch daran zu erinnern, wie wir bereits würdige Vorgängerinnen gehabt haben und wie bei aller Eigentümlichkeit einer jeden besonderen Zeit doch vieles, was wir jetzt erleben oder anstreben möchten, schon einmal, wenn auch in andern Formen und Verhältnissen, dagewesen ist. –
Wenn man jetzt von Republiken spricht, so wird oft mit der alten, der vorchristlichen Zeit gedacht und ihrer Republiken, der aus der dunklen Tiefe der Vergangenheit hell hervorleuchtenden Gestirne der Republiken von Griechenland und Rom. Es ist wahr, daß die Republiken dieser Staaten uns für die Gegenwart nicht in allem als Muster dienen können, denn bei all ihrer Vollkommenheit in der Ausbildung staatlicher Formen fehlte ihnen der christliche Grund-Gedanke der allgemeinen Gleichheit und Menschen-Liebe, sie hatten den erhabenen Tempel der Freiheit auf die unsittlichen Grundlagen der Sklaverei gebaut – und darum sind sie auch wieder untergegangen. Eine bedeutsame Lehre für uns, daß auch Deutschland mit einem Freistaat nicht gedient wäre, wenn dieser nicht allen gleiche Rechte gewahrte, wenn er die Ärmsten und Niedrigsten unter uns mittelbar oder unmittelbar von seinen Wohltaten ausschlösse und die einen dem andern untergeben, zu Sklaven machte. – Worin uns aber jene alten Republiken von Griechenland und Rom zum Muster dienen können, das ist die Stellung, welche die Frauen einnahmen.[99] Die gleiche Liebe für die Freiheit und das Vaterland, welche die griechischen Männer beseelte, begeisterte auch die Frauen. Es war der Stolz der griechischen Mütter, wenn ihre Söhne für das Vaterland in den Kampf zogen, und wenn sie sterbend daraus zurückgebracht wurden, so war es der Trost der Mutter, daß sie für das Vaterland gefallen waren. Die Mutter hatte sie dazu erzogen, dem Vaterland zu leben und zu sterben – sie trauerte nicht, wenn der Tod sie ihr in ihrem Berufe raubte. Wenn der griechischen Mutter die Nachricht gebracht ward: »Dein Sohn ist in der Schlacht geblieben!« so war ihre erste Frage: »Hat er die Wunden vorn?« Bejahete man dies, so war sie beruhigt, denn dann wußte sie, daß ihr Sohn ehrenvoll und nicht auf schimpflicher Flucht gefallen war. Ein mahnendes Beispiel für uns! Wie manche deutsche Mutter denkt jetzt nicht mit Zittern an die Möglichkeit eines Kriegs, der ihr den Sohn rauben könnte! wie manche möchte nicht den Sohn zurückhalten und von den Soldaten loskaufen – wenn das jetzt noch möglich wäre – nur damit er nicht den Gefahren der Schlacht ausgesetzt sei – meine christliche Schwestern, lasset euch nicht von der Seelen-Stärke heidnischer Frauen beschämen! Freilich wußten diese griechischen Frauen, daß ihre Männer und Söhne für ihr Vaterland, ihr Volk, ihre Freiheit kämpften – und darum konnten sie ihre Begeisterung teilen, sie würden sich aber das Haar gerauft, Trauer angelegt und sich selbst geflucht haben, wenn ihre Söhne für die Tyrannei und gegen die Volksfreiheit gekämpft hätten. Nun, so seid wie die Griechinnen für Vaterland und Freiheit begeistert, dann werdet ihr, wenn es sein muß, auch eure Gatten und Söhne mit Freuden ihr Leben für diese heiligsten Güter einsetzen sehen. Die griechischen Frauen nahmen denselben geistigen Anteil am Staatsleben, wie die Männer; ja es gab sogar Priesterinnen unter ihnen, deren Aussprüche als heilige Weissagungen betrachtet wurden und in deren Tempeln man sich bei den wichtigsten Angelegenheiten Rat holte. Eine griechische Dichterin, Sappho, von deren Werken uns noch Bruchstücke aufbewahrt sind, ward vor allem Volk mit dem Lorbeer gekrönt, und bei einer andern geistreichen Frau pflegte einer der weisesten Gesetzgeber eines griechischen Staats, Perikles, sich Rat zu erholen. – Noch schärfer und in beinahe härteren Zügen ausgeprägt wird diese Teilnahme am Staatsleben bei den römischen Frauen. In allen Lagen des Lebens lag ihnen zuerst daran, sich als Römerinnen zu zeigen, d.h. würdig ihres Vaterlandes; es war ihre republikanische Tugend, zuerst ihrer Pflicht gegen das Vaterland zu genügen und diesen allgemeinen Beruf ihrem besonderen als Gattin, Mutter, Tochter u.s.w. unterzuordnen. Müssen wir deutschen Frauen nicht alle beschämt stehen von solcher republikanischer Tugend? [...]
Freilich waren auch die römischen Frauen vom Staatsleben nicht ausgeschlossen, an allen öffentlichen Feierlichkeiten nahmen sie teil, und den heimkehrenden Siegern zogen sie entgegen, ihnen Huldigungen darzubringen. Es war die größte Ehre für den Helden, und nur die edelste und züchtigste Jungfrau ward dazu ausersehen, wenn die Römerin dem heimkehrenden Römer den Siegeskranz reichte. Noch duch viele Beispiele – aber schon die angeführten werden genügen – könnte ich beweisen, wie die griechischen und römischen Frauen sich als Bürgerinnen eines freien Staats zu bewähren wußten. Ich habe angedeutet, wie diesen heidnischen Republiken zu ihrer Vollendung eben die christliche Anschauung fehlte, die erst einer späteren Zeit vorbehalten war. Es kann nun wohl die Frage entstehen, ob unsere Bestrebungen, dem Vaterland und der Freiheit, der Sache der Menschheit überhaupt zu[100] dienen, da wir uns bisher nur auf heidnischer Frauen Vorbilder beriefen, auch christliche Bestrebungen sind? – Blicken wir zurück auf die Zeit, da Jesus Christus, unser Herr und Meister, selbst auf Erden lebte und lehrte. Als armer Zimmermannssohn geboren und das einfache Handwerk seines Vaters übend, war Jesus recht eigentlich ein Kind des Volkes. So war es auch nur das eigentliche Volk, das arme und niedrige und um dessentwillen von den Reichen und Vornehmen verachtete, an das er sich wendete und das ihm zulief. Den Großen, den Pharisäern und Schriftgelehrten unter den Juden, war seine Lehre ein Ärgernis, und den gelehrten und bildungsstolzen Griechen eine Torheit – gerade so geht es noch heute allen Volksmännern, welche den Vorurteilen ihrer Zeitgenossen entgegentreten.
(Fortsetzung folgt.)[101]
Ausgewählte Ausgaben von
Aufsätze aus der »Frauen-Zeitung«
|
Buchempfehlung
Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.
178 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro