Feuerfestigkeit

[762] Feuerfestigkeit, die Größe des Widerstandes, den ein Material der Einwirkung hoher Temperaturen entgegenzusetzen vermag; ein Material ist desto feuerfester, je höher die Temperatur, bei welcher dasselbe verändert oder gar zerstört wird.

Als besonders widerstandsfähig gegen hohe Hitzegrade hat sich eine Reihe von Tonen erwiesen, die man wegen dieser Eigenschaft feuerfeste Tone nennt; zu denselben gehören in erster Linie die Kaoline und reinsten plastischen Tone sowie gewisse Schiefertone. Derartige Materialien werden zur Herstellung von Steinen benutzt, die zum Aufbau und zur Auskleidung von Feuerungsanlagen dienen, und zur Fabrikation von Gefäßen, die zum Schmelzen von Metallen, Glasflüssen sowie für andre industrielle Zwecke Verwendung finden.

Die Feuerfestigkeit eines Tons hängt sowohl von seiner chemischen Zusammensetzung als auch von der Beschaffenheit seiner Bestandteile ab; je mehr ein Ton in seiner Zusammensetzung der idealen Tonsubstanz – Al2O32SiO22H2O – sich nähert, desto feuerfester wird er sein. Gewöhnlich enthalten die feuerfesten Tone noch mehr oder weniger große Mengen von Quarz, Eisenoxyd, Schwefelkies, unzersetztem Feldspat und Glimmer; je leichter es möglich ist, diese Verunreinigungen durch Schlämmen oder dergl. aus dem Ton zu entfernen, eine desto höhere Stellung wird das geschlämmte Material in der Reihe der feuerfesten Tone einnehmen. – Der Grad der Feuerfestigkeit eines Tons kann durch chemische und durch pyrometrische Untersuchung festgestellt werden. Durch die erstere wird der Gehalt an Aluminiumoxyd, Kieselsäure und Flußmitteln festgestellt, und man kann aus den gefundenen Zahlen auf die Feuerfestigkeit schließen; um hierfür feste Vergleichszahlen zu schaffen, stellte Bischof [1] eine Formel auf, mit der für die verschiedenen Tone Einheitszahlen (von Bischof Feuerfestigkeitsquotient, F Q, genannt) berechnet werden können. Die von ihm aufgestellte Formel lautet: F Q = A : B, worin A ein Quotient ist, den man dadurch erhält, daß man mit der Sauerstoffmenge der gesamten Flußmittel in die Sauerstoffmenge der in dem betreffenden Ton vorhandenen Tonerde dividiert, und B ein Quotient, der dadurch erhalten wird, daß man mit der Sauerstoffmenge der Tonerde in die der Kieselsäure dividiert. Die betreffenden Sauerstoffmengen können auch direkt in die Formel eingesetzt werden; dieselbe lautet dann: F Q = a|c/b|a = a2/b c, worin a die Sauerstoffmenge der Tonerde, b die der Kieselsäure und c die der Summe der Flußmittel bezeichnet. Je nachdem dieser aus der Analyse berechnete Feuerfestigkeitsquotient unter eine gewisse Zahl herabgeht, lassen sich die Tone in zwei große Hauptklassen scheiden: in schwer schmelzbare (hochfeuerfeste) und leichter schmelzbare. Erfahrungsmäßig beträgt dieser Quotient nach Bischof für die Tone, die im Handel als hochfeuerfest gelten, über 3–4; Tone, deren Quotient unter diese Zahl sinkt, sind nicht mehr zu den hochfeuerfesten zu rechnen.

Eine andre Art der Bestimmung des Grades der Feuerfestigkeit, die ebenfalls von Bischof angegeben worden ist, beruht auf folgendem: Dem zu unterziehenden Ton wird ein Normalgemenge, bestehend aus gleichen Gewichtsteilen reiner Tonerde und reiner Kieselsäure, beigemischt und im Devilleschen Versuchsofen einer hohen Hitze ausgesetzt; je mehr dem zu untersuchenden Tone von dem genannten Normalgemenge zugesetzt werden muß, um bei der Temperatur, welche der bekannte höchstfeuerfeste Ton von Altwasser oder Saarau erfordert, ebenfalls zu schmelzen, desto weniger feuerfest ist derselbe. Erfordert z.B. der zu untersuchende Ton den dreifachen Zusatz des Normalgemenges, um in derselben Prüfungstemperatur ebenso schwer schmelzbar zu sein, so ist seine Feuerfestigkeit F = 100 (3 · 10) = 70, d.h. er ist im Vergleich zum heften Normalton ein 70% feuerfester Ton.

Eine dritte, gleichfalls von Bischof vorgeschlagene und angewendete Methode besteht darin, daß der zu untersuchende Ton mit einem andern, in bezug auf Feuerfestigkeit bekannten Ton gleichzeitig geprüft wird. Als derartige Normaltöne hat Bischof Heben Materialien gewählt, und zwar: 1. Ton von Altwasser, auch bekannt unter dem Namen Ton von Saarau I, 2. Kaolin[762] von Zettlitz, 3. Briesener Ton, 4. bester belgischer Ton, 5. Ton von Grünstadt in der Pfalz, 6. Ton von Oberkaufungen bei Kassel und 7. Ton von Tschirne. Diesem zuerst genannten Ton von Altwasser hat Bischof den Feuerfestigkeitsgrad 100 gegeben.

Die Annahme, daß es nicht möglich sei, aus den verschiedenen Fundorten diese Normaltöne in stets gleicher chemischer und physikalischer Beschaffenheit zu erhalten, hat Seger [2] veranlaßt, statt der natürlich vorkommenden Tone künstliche Tonmischungen zur Vergleichung der Schmelzbarkeit der Tone zu benutzen. Diese Mischungen stellte Seger dadurch her, daß er Zettlitzer Kaolin, schwedischen Feldspat, norwegischen Quarz und karrarischen Marmor in je nach dem Hitzegrade, den die betreffende Mischung aushalten sollte, seit bestimmten Verhältnissen zusammenmischte und die so erhaltenen Massen zu Tetraedern formte, denen Seger den Namen Probekegel gab. Sie sind jetzt allgemein unter dem Namen Schmelzkegel bekannt und werden in der keramischen und auch in allen den Industrien, die mit hohen Temperaturen arbeiten, vielfach angewendet. Zur Bestimmung der Feuerfestigkeit unter Benutzung der Schmelzkegel wird der zu untersuchende Ton zu Tetraedern von 1 cm Grundlaute und 2 cm Höhe verformt. Tone, die mit organischer Substanz versetzt sind, müssen vorher bei schwacher Rotglut ausgeglüht werden, damit die organische Substanz verbrennt. Diese Tetraeder werden im Devilleschen Ofen einer hohen Temperatur ausgesetzt, die durch eingesetzte Schmelzkegel kontrolliert wird. Je nach der Schmelzkegelnummer, die gleichzeitig mit dem Tonkegel niedergeht, sagt man, der Ton hat einen Schmelzpunkt gleich der betreffenden Kegelnummer; tritt dieses Niedergehen eines Tonkegels z.B. gleichzeitig mit dem Niedergehen des Schmelzkegels 28 ein, während der Kegel 27 schon früher, der Kegel 29 aber noch nicht niedergegangen ist, so hat der untersuchte Ton einen Schmelzpunkt gleich dem Kegel 28. Für die Beurteilung der feuerfesten Tone sind die Kegel 26–36 maßgebend, während die Schmelzkegel unter dieser Nummer in der Hauptsache zur Kontrolle der Prozesse in Feuerungsanlagen benutzt werden.

In neuerer Zeit hat die Firma W.C. Heraeus in Hanau a. M. auch die Elektrizität zur Bestimmung der Feuerfestigkeit der Tone herangezogen [4]. Hierzu wird ein Ofen benutzt, der in der Hauptsache aus einem Iridiumrohr von 200 mm Länge, 40 mm lichter Weite und 0,2 mm Wandstärke besteht. Diese Röhre ist an ihren beiden Enden mit Platinflanschen versehen und von einem weiteren Rohr aus geschmolzener Magnesia umgeben. In die horizontal gestellte Röhre wird auf einer Unterlage von Aetzkalk ein tellerartiges Gefäß aus reinem Iridium gebracht, das zur Aufnahme der zu prüfenden Tonmaterialien dient, wobei Körper in Form der bekannten Segerkegel zur Verwendung kommen können. Die Enden der Iridiumröhre werden mit Stöpseln aus feuerfester Masse geschlossen, von denen der eine mit einem kleinen runden Loch zur Beobachtung versehen ist, während der andre zur Aufnahme eines Thermoelementes dient, das zur Messung der Temperatur bestimmt ist. Der eine Schenkel dieses Thermoelementes besteht aus reinem Iridium, der andre aus einer Legierung von reinem Iridium mit 10% Ruthenium. Dieses Thermoelement gestattet das Messen von Temperaturen bis zu 2100° C, übertrifft also die Segerkegel in dieser Hinsicht wesentlich. Die Beobachtung des Niederschmelzens der zu prüfenden Kegel erfolgt mit Hilfe eines Fernrohres, das auf die kleine Oeffnung in dem einen Stöpsel der Iridiumröhre gerichtet wird. Zur Erzielung der erforderlichen Hitzegrade dient ein elektrischer Strom von 1200 Ampère bei 5 Volt.


Literatur: [1] Bischof, C., Die feuerfesten Tone, Leipzig 1895. – [2] Segers gesammelte Schriften, Berlin 1896. – [3] Kreiling, Ph., Untersuchung der Tone, in Lunge, Chemischtechn. Untersuchungsmethoden, Berlin 1904. – [4] Zeitschr. f. angew. Chemie 1905, Nr. 2.

Dümmler.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 762-763.
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