Korbbogen

[632] Korbbogen ist eine aus stetig ineinander übergehenden Kreisteilen zusammengesetzte Bogenlinie, die gegenüber der Ellipse und Parabel als Wölblinie für Mauerbögen und Gewölbe den Vorteil besitzt, daß die senkrecht zur Wölblinie zu richtenden Lagerfugen rascher und leichter genau eingezeichnet werden können. Bei wagerechter Lage der Verbindungslinie der Kämpferpunkte des Bogens muß der Mittelpunkt des den Scheitel enthaltenden Kreisstückes in der Lotrechten durch den Scheitelpunkt liegen, woraus sich die Notwendigkeit der Annahme einer ungeraden Anzahl von Mittelpunkten für den Korbbogen ergibt.

Die geringste Zahl von Mittelpunkten ist daher drei, und Fig. 1 veranschaulicht die Konstruktion für einen Korbbogen aus drei Mittelpunkten bei gegebener Spannweite AB und Pfeilhöhe OC. Ueber der halben Spannweite O B wird das gleichseitige Dreieck O E B errichtet, O D = O C gemacht und vom Schnittpunkt F der Seite B E mit der Verlängerung von C D eine Parallele zu O E gezogen. Die durch diese mit O B und C O erzielten Schnittpunkte M1 und M2 sind die gesuchten Mittelpunkte; M3 wird durch Hinübertragen gefunden. Die Konstruktion ist ganz allgemein und führt für C O = O B zum Halbkreis.

Die größte seither zur Anwendung gekommene Anzahl von Mittelpunkten ist 11, und zwar bei der von Perronet erbauten Brücke zu Neuilly. Bei mehr als drei Mittelpunkten kann die Form der Ellipse angenähert eingehalten werden, indem nach Fig. 2 mit der halben Spannweite A O, der Pfeilhöhe O C sowie der Summe beider die Hilfskreise I I, II II und III III gezogen werden. Teilt man dann einen dieser Hilfskreise in eine gerade Anzahl n + 1 gleicher Teile, wenn n die Anzahl der gewünschten Mittelpunkte bedeutet, zieht die Halbmesser O a2, O b2 u.s.w., bestimmt durch Ziehen der Parallelen a a', b b' u.s.w. zur großen Achse bezw. der Parallelen zur kleinen Achse a1 a' b1 b' u.s.w. die Ellipsenpunkte a', b', c' u.s.w., so ergibt der Schnittpunkt der Verbindungslinie a2 a' mit A O den Mittelpunkt M7 für das erste Kreisstück A a'. Die Verbindungslinie b2 b' schneidet die Verlängerung des vorhergehenden Halbmessers im Mittelpunkt M6 u.s.w. Diese Ausführungsweise sowie die andern verschiedenen graphischen Konstruktionen [1]–[5] ergeben jedoch sehr schleifende Schnitte zur Bestimmung der Mittelpunkte, und es ist besser, die Halbmesser selbst oder die Koordinaten der Mittelpunkte durch Aufstellung entsprechender Gleichungen zu berechnen [6]. Bei der Bogenlinie des ansteigenden Bogens ist man zur Herstellung eines Korbbogens nicht an die ungerade Anzahl der Mittelpunkte gebunden. Die Fig. 3, 4 und 5 zeigen Konstruktionen mit 2, 3 und 4 Mittelpunkten. In Fig. 3 wird bei gegebener Steigung E B im Mittelpunkt O der Spannweite A E eine Lotrechte errichtet, A D = D C gemacht und von C eine Senkrechte auf A B gefällt. Dann sind die Schnittpunkte M1 bezw. M2 mit A E bezw. der Wagerechten durch B die gesuchten beiden Mittelpunkte. In Fig. 4 ist A F = F C, C M1 senkrecht zu F H bezw. A B, dann ist M1 der Mittelpunkt des ersten Kreisbogens A C. Der zweite Mittelpunkt M2 kann beliebig auf C M1 oder deren Verlängerung angenommen werden, jedoch so, daß der Punkt B innerhalb der Kreisfläche des aus M2 geschlagenen Kreises a b liegt. Der dritte Mittelpunkt M3 bestimmt sich aus der Erwägung, daß der aus ihm geschlagene Kreis einer Kreisschar angehört, deren Mittelpunkte auf der Wagerechten durch B liegen und welche die Lotrechte durch B in B berühren, und zwar wird es derjenige Kreis dieser Schar sein, an den von dem mit dem Kreise aus M2 gemeinschaftlichen Polarpunkte P eine gemeinschaftliche [632] Tangente P D gezogen werden kann. Schlägt man daher zur Bestimmung von P aus einem beliebigen, auf der Wagerechten durch B gelegenen Mittelpunkte Mx einen beliebigen Kreis dieser Schar und verlängert die Verbindungslinie d e seiner Schnittpunkte mit dem Kreise a b, so wird auf der Lotrechten durch B der gesuchte Punkt P herausgeschnitten, denn


Korbbogen

Der Punkt D ist also der gemeinschaftliche Berührungspunkt des gesuchten Kreises und des Kreises ab mit der Tangente aus P, und die Verbindungslinie D M2 schneidet aus der Wagerechten durch B den gesuchten Mittelpunkt M3 heraus [7]. In Fig. 5 liegen die vier Mittelpunkte auf dem Umfange eines in der Entfernung r4 von E über der Steighöhe h geschlagenen Halbkreises in den Eckpunkten des eingeschriebenen regelmäßigen Sechsecks. Es ergibt sich allgemein r4 = (2l – 3h)/4. Vgl. a. Kurvenabsteckung.


Literatur: [1] Vorlegeblätter der Baugewerkschule zu Holzminden, Leipzig 1875. – [2] Der Steinbau von Menzel und Schwatlo, Leipzig 1879, S. 295. – [3] Wanderley, G., Die Konstruktionen in Stein, 3. Aufl., Leipzig 1895. – [4] Gottgetreu, Rud., Lehrbuch der Hochbaukunde, 1. Teil, Maurer- und Steinmetzarbeiten, Berlin 1880, S. 81. – [5] Handbuch der Architektur, 3. Teil, Bd. 2, 3. Heft, 1. Lieferung, Darmstadt 1893, S. 150. – [6] Breymann, Baukonstruktionslehre, 1. Teil, Konstruktionen in Stein, bearbeitet von H. Lang, Stuttgart 1879/80. – [7] v. Willmann, Konstruktion des ansteigenden Bogens aus drei Mittelpunkten, Deutsche Bauztg. 1883, S. 93.

L. v. Willmann.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4., Fig. 5.
Fig. 4., Fig. 5.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 632-633.
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