Polonceauträger

[177] Polonceauträger oder richtiger Wiegmannträger [1], [7] heißen in erster Linie Balkenfachwerke nach den Anordnungen Fig. 14, denen sich je nach Umständen noch weitere anschließen lassen (Fig. 57).

Als das Schweißeisen bei Trägern mehr und mehr Eingang fand, ergab sich u.a. das Bedürfnis nach entsprechender Ausgestaltung von Dachbindern (vgl. z.B. Emy, Traité de l'art de la charpenterie, II, Paris 1841, S. 278). Unter andern Anordnungen wurden die Fig. 1 und 3 von Wiegmann [1] und kurz darauf Fig. 1 auch von Polonceau [2] vorgeschlagen. Diese Träger fanden rasch Eingang und werden auch gegenwärtig sehr häufig verwendet [8], In statischer Beziehung hat der Wiegmannträger mit dem Dreieckträger (s.d.) gemein, daß bei beliebigen Belastungen[177] jeder Stab entweder nur Zug oder nur Druck erhält. Die größten und kleinsten Beanspruchungen aller Stäbe treten bei möglichst starker und möglichst schwacher Belastung des ganzen Trägers ein (Vollbelastung und Eigengewicht allein).

Im folgenden sei l die Spannweite, K die Belastung jedes der oberen Knotenpunkte mit Ausnahme der beliebig belasteten bei den Auflagern (welche weniger stark belastet zu sein pflegen). Die unteren Knotenpunkte werden als unbelastet angenommen. Der Symmetrie halber ist nur eine Trägerhälfte zu berechnen.

System Fig. 1, 2. Bei den angedeuteten Bezeichnungen der Längen und Stabkräfte hat man die Werte der letzteren ([6], S. 92):


Polonceauträger

Speziell für den Fall d = 0 (Fig. 2) folgen hieraus

U1 = 3/2 Z, U2 = 1/2 Z.

System Fig. 3, 4. Mit den in Fig. 3 angedeuteten Bezeichnungen der Längen und Stabkräfte sind die Werte der letzteren ([6], S. 93):


Polonceauträger

Speziell für d = 0 (Fig. 4) hat man X = l/8 h, U3 = 2 X, U4 = 3 X.

Ist g das Eigengewicht, q = g + p die Gesamtlast pro Längeneinheit Träger, dann liefern vorstehende Formeln die größten Beanspruchungen der Stäbe für das System Fig. 1, 2 mit K = q l/4, für das System Fig. 3, 4 mit K = q l/8. Die kleinsten Beanspruchungen sind g/q mal so groß.

Neben vorstehenden Gleichungen gelten natürlich auch für den Wiegmannträger die für statisch bestimmte Fachwerke gegebenen Beziehungen und Rechnungsmethoden (Bd. 3, S. 548). Zu empfehlen sind das graphische Verfahren und die Rittersche Momentenmethode, Bd. 3, S. 549, mittels welcher z.B. die Träger Fig. 57 und der Einfluß schiefen Winddrucks auch für die Träger Fig. 14 zu berechnen wären. Ableitung vorstehender und allgemeinerer Formeln [6], S. 92, 94. Berücksichtigung schiefen Winddrucks [6], S. 96.


Literatur: [1] Wiegmann, Ueber die Konstruktion von Kettenbrücken nach dem Dreieckssystem und deren Anwendung auf Dachverbindungen, Düsseldorf 1839, S. 27, 29, und Tafel II, Fig. 23, 28 (s.a. die Prioritätsreklamation Allgem. Bauztg. 1842, S. 267). – [2] Polonceau, Sur un nouveau système de charpente en bois et en fer, Revue générale de l'architecture et des travaux publics, I, Paris 1840, S. 27 (übersetzt Allgem. Bauztg. 1840, S. 273, s.a. 1851, S. 354). – [3] Schmidt, Ueber die Inanspruchnahme der die beiden Dachbinderhälften eines französischen Dachstuhles verbindenden Horizontalstangen bei Nichtgutaufhängung durch eine vertikale, im First beteiligte Hängestange, Civilingenieur 1874, S. 215. – [4] Castigliano, Théorie de l'équilibre des systèmes élastiques, Turin 1879, S. 362 (deutsche Ausgabe von Hauff, Wien 1886, S. 364). – [5] Collignon, Cours de mécanique, appliqué aux constructions, I, Paris 1885, S. 266, 802. – [6] Weyrauch, Beispiele und Aufgaben zur Berechnung der statisch bestimmten Träger für Brücken und Dächer, Leipzig 1888, S. 91–100. – [7] Lang, Zur Entwicklungsgeschichte der Spannwerke des Bauwesens, Riga 1890, S. 53, 56, 118. – [8] Handbuch der Architektur, 3. Teil, Bd. 2, Heft 4: Raumbegrenzende Konstruktionen (von Schmitt u. Landsberg), Stuttgart 1897, S. 20, 23, 26, 76, 78, 80, 110, 203, 205, 292. – [9] Landsberg, Die Statik der Baukonstruktionen (Handbuch der Architektur, 1. Teil, Bd. 1, Heft 2), Stuttgart 1899, S. 230. – [10] Müller-Breslau, Die graphische Statik der Baukonstruktionen, I, Leipzig 1901, S. 227.

Weyrauch.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7.
Fig. 5., Fig. 6., Fig. 7.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 177-178.
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177 | 178
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