[36] Seekarte, zur Navigierung dienende Karten, welche analog den Landkarten entweder als Uebersichtskarten kleinsten Maßstabes (1 : 12 Millionen) ganze Meeresgebiete oder als Segelkarten (Küstenkarten) und Spezialkarten (Pläne) in entsprechend größer gewähltem Maßstabe einzelne Meeresteile mit den angrenzenden Küstenstrichen, Häfen u.s.w. bildlich darstellen.
Die allgemein gebräuchlichen Seekarten sind sogenannte wachsende Karten nach Mercators Projektion (vgl. Kartenprojektion). Obwohl auf ihnen die Meridiangrade nach den Polen zu wachsen und die Breitenparallele nicht wie in Wirklichkeit kleiner werden, hat sich diese Art der Karten, weil die höchsten Breiten für die Schiffahrt im allgemeinen wenig in Frage kommen, am besten bewährt, da man in den wachsenden Breitenminuten ein Maß für die Längenminuten der entsprechenden Breite hat. Da alle auf der Erdkugel im Verhältnis der Kosinusse der Breite abnehmenden Längenminuten auf der Mercatorkarte gleichgroß sind, haben sie eine Vergrößerung im Verhältnis der Sekante der Breite erlitten, und um das richtige Verhältnis zwischen Längen- und Breitenminuten wiederherzustellen, müssen die Breitenminuten ebenfalls im Verhältnis der Sekante der Breite vergrößert sein. Die Breitenminuten entsprechen also den Seemeilen auf der jeweiligen Breite und kommen zum Abmessen der Distanz allein in Frage. Der große Vorzug der Mercatorkarte besteht darin, daß das Koordinatensystem durch parallele gerade Linien wiedergegeben ist, wodurch die Loxodrome (s.d.) und alle Kompaßrichtungen als gerade Linien erscheinen. Die meisten Angaben der Seekarten betreffen die Wassertiefen. Die Küstenlinie ist umsäumt von Linien, welche auf unsern deutschen Karten die Grenzen der Tiefen von 12,5, 5 und 10 m andeuten. Daneben finden sich aber über das ganze Meeresgebiet verstreut überaus viele Zahlen, welche die Tiefen auf hoher See, auf Bänken, Rissen u. dergl. bezeichnen und in Faden oder Metern wiedergegeben sind. Bei den Zahlen ist die Beschaffenheit des Grundes vermerkt. Sämtliche Bojen sind eingezeichnet und zur Erleichterung ihrer Feststellung am Rande der Karte bildlich dargestellt. Pfeile mit danebengestellten Zahlen deuten die Meeresströmungen und deren Geschwindigkeit pro Stunde in Seemeilen an. Windrosen gestatten unter Benutzung von Parallellinealen die Einzeichnung von Kurs- oder Peilungslinien. Neben den Rosen ist die Variation und das Maß deren Veränderung zur Berücksichtigung in bezug auf das Jahr der Ausgabe der Karte angegeben. Die Leuchttürme und Leuchtschiffe bezw. Bojen sind durch einen gelbumränderten roten Punkt hervorgehoben, ihre Sichtweiten sind durch Kreisbögen eingezeichnet und zwar deutet die Art der Linie gleichzeitig die Feuerart an, z.B. gerade verlaufende Linie = festes Feuer. Von wichtigen Seemarken und Passagen sind die Peilungs- und Ansteuerungslinien angegeben, ebenso Hinweise auf Vertonungen, die am Kartenrand dargestellt sind. Sonst ist vom Lande nur der Verlauf der Küste und alle von See aus sichtbaren, als Seezeichen wichtigen Objekte, wie Kirchen, Windmühlen, Bergspitzen eingezeichnet. Von den wichtigsten Häfen sind Spezialkarten in größerem Maßstabe auf den Seekarten wiedergegeben.
Zum Segeln im größten Kreise benutzt man neuerdings Karten gnomischer Projektion, sogenannte gnomische Karten, die auch als Polarkarten meist Verwendung finden.
Literatur: Lehrbuch der Navigation, Berlin 1901; Verzeichnis der vom Reichsmarineamt herausgegebenen Seekarten; Dörgens, F., Theorie und Praxis der geographischen Kartennetze, Berlin 1870; Möllinger, O., Lehrbuch der wichtigsten Kartenprojektionen mit besonderer Berücksichtigung der stereographischen, Bonneschen und Mercatorprojektion, Zürich 1882.
von Nießen.