Farbenechtheit [2]

[254] Farbenechtheit. – Zu Bd. 3, S. 615, ist zu ergänzen:

Bei der Prüfung von Färbungen auf ihre Echtheit pflegt man neuerdings noch zu berücksichtigen die Säurekochechtheit (Nichtanfärben von Wolle bezw. Baumwolle, die mit gefärbter Baumwolle bezw. Wolle im sauren Bade gekocht wird), die Karbonisierechtheit (Widerstandsfähigkeit der Wollfärbung beim Karbonisationsprozeß), Pottingechtheit (die Widerstandsfähigkeit der Wollfärbung bei dem etwa in der Mitte zwischen Walken und Krabben stehenden Prozeß), Seewasserechtheit (die Widerstandsfähigkeit der Wollfärbung gegen Seewasser), die Bäuchechtheit gefärbter Baumwolle und deren Merzerisierechtheit.

Die Durchführung der Prüfung gestaltet sich etwa folgendermaßen:

Säurekochechtheit. Man verflicht die gefärbte Probe mit der gleichen Menge gewaschener Zephyrwolle und kocht eine Stunde lang in der 40fachen Flottenmenge mit 10% Weinsteinpräparat, spült in kaltem Wasser, quetscht aus und trocknet. Man beurteilt die Färbung und steht, in welchem Grade die Wolle angefärbt oder ob letztere weiß geblieben ist.

Karbonisierechtheit. Man tränkt die Probe 1/2 Stunde in Schwefelsäure von 5° Be., preßt sie ab und trocknet sie 1 Stunde bei 80° C. Hierauf wäscht man sie 1/4 Stunde in der 200fachen Menge verdünnter Sodalösung (2 : 1000), dann in Wasser und trocknet sie. Man beobachtet den Grad der Veränderung der Färbung.

Pottingechtheit. Die Probe wird mit der gleichen Menge weißer Wolle und Baumwolle verflochten und a) in Wasser von normaler Härte nahe an Kochtemperatur 2 Stunden im erkaltenden Bade belassen: es soll kein Ausbluten beobachtet werden; b) in Wasser nahe bei Kochtemperatur eingelegt und sofort erkalten gelassen: es wird kein oder schwaches Ausbluten beobachtet; c) in 60° C. warmes Wasser eingelegt und sofort erkalten gelassen: es wird kein Ausbluten, schwaches oder starkes Ausbluten beobachtet. Die Färbungen nach a sind die echtesten, nach c die am wenigsten echten.

Seewasserechtheit. Die mit der gleichen Menge weißer Wolle verflochtene gefärbte Wollprobe wird bei 40 facher Flottenmenge in eine kalte Lösung von 30 g Kochsalz und 6 g wasserfreies Chlorcalcium im Liter Wasser eingelegt und dann getrocknet. Man beobachtet die Aenderung der Färbung der Probe und die eventuelle Anfärbung der weißen Wolle.

Bäuchechtheit. Man bäucht im Kessel mit 71/2% kalzinierter Soda und 1/2% Marseiner Seife während 6 Stunden bei dem Flottenverhältnis 1 : 5 und beobachtet den Grad der Veränderung der Färbung.

Merzerisierechtheit. Man legt die auf gebleichtes, unappretiertes Baumwollgewebe genähte gefärbte Baumwollprobe während 5 Minuten in kalte Natronlauge von 30° Bé., spült, säuert, spült und trocknet. Man beobachtet den Grad der Veränderung der Färbung und die eventuelle Anfärbung des Baumwollstoffes.

Hinsichtlich der Farbenechtheit ist in den letzten Jahren insofern ein Umschwung zum Besseren eingetreten, als die Farbenfabriken eine große Zahl außerordentlich echter Farbstoffe auf den Markt gebracht haben, die sich in der Tapetenindustrie, in der Färbereiindustrie und auch auf dem Gebiete der Malerfarben zunehmender Anwendung erfreuen, weil sie den wachsenden Bedürfnissen des Publikums nach echten Waren entgegenkommen. Die namentlich von Paul Krais unterstützte Echtheitsbewegung leidet noch unter dem Mangel der Unsicherheit in den Echtheitsbegriffen. Aber auch hierin wird in absehbarer Zeit Klarheit und Einheitlichkeit erreicht werden, da der Verein Deutscher Chemiker eine aus Vertretern der Farbenfabrikation, der verschiedenen Zweige der Färberei, der Färbereischulen und des Materialprüfungsamtes bestehende Echtheitskommission berief, die die Bearbeitung dieser Fragen unternommen hat.

R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 254.
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Lueger-1904: Farbenechtheit [1]