[804] Tresor. Der gefährlichste Feind einer jeden Anlage zur Aufbewahrung großer Wertvorräte ist nach dem augenblicklichen Stand der Technik der Schneidebrenner, durch welchen unter Anwendung von Sauerstoff und Acetylen Eisen- und Panzerplatten bei sehr hoher Temperatur durchgeschmolzen werden können. Weil auch verhältnismäßig starke Eisen- und Stahlplatten auf diese Weise in kurzer Zeit durchgeschmolzen werden, werden von einzelnen Spezialfabriken für den Tresorbau brennsichere Panzer verwendet, deren Zusammensetzung als Geschäftsgeheimnis behandelt wird, zu deren Zerstörung so große Mengen Sauerstoff und Acetylen und so lange Zeit gehören, daß diese gegen Einbrechsversuche als wirksamer Schutz angesehen werden dürfen. Außer den bekannten Panzerungen, bei deren Ausführung besondere Aufmerksamkeit auf die Ecken verwendet werden muß, werden von einzelnen Firmen nicht nur Doppelpanzerungen angewendet, sondern auch die sogenannte Bajonettpanzerung [1], bei welcher die Eisenstäbe von verschiedenem Querschnitt senkrecht zur Wandfläche in Mauerwerk eingebettet werden, bezw. besteht die Tür aus einem Gefüge von vielen hundert von Stahlbolzen, welche in kleinen Abständen die Türe von vorne nach hinten durchziehen, mithin ein Herausreißen eines durch die Flamme des Schneidebrenners umschnittenen Plattenstückes unmöglich ist, weil dasselbe an den Bolzen fest verankert ist. Ein Durchstoßen der Bolzen wird durch eine vorgelagerte Gegenstoßplatte verhindert. Derartige Tresortüren, auf welche der erste und stärkste Angriff eines jeden Einbrechers ausgeführt wird, werden in einer Gesamtstärke bis zu 500 mm ausgeführt. Weil aber nach dem Zusammenbau nicht nur Stoßkanten, sondern auch Löcher, von Schrauben und Nieten herrührend, vorhanden sind, welche eine für den Einbrecher erwünschte Angriffsstelle abgeben, werden diese unganzen Stellen elektrisch verschweißt, wobei auch wieder verschiedene gesetzlich geschützte Verfahren zur Verwendung kommen.
Die Tresortüren werden meistens so gebaut, daß das die Bewegung vermittelnde Türband nur diesem Zwecke allein dient und keinen Einfluß auf die Sicherheit der Bauart ausübt, weshalb auch auf der Außenseite der Tür beteiligte Kronenbänder zur Verwendung kommen, der Verschluß aber durch ein nach allen vier Seiten wirkendes Riegelwerk herbeigeführt wird, dessen Betätigung durch einen starken Drehgriff oder ein Handrad erfolgt. Der Verschluß erfolgt jetzt meistens durch ein sogenanntes Fernschloß, dessen eigentliche Verschluß- bezw. Sicherheitsvorrichtung auf der inneren Türfläche aufliegt, weshalb ein Schlüssel mit einem sehr langen Schlüsselrohr verwendet werden muß. Weil ein Schlüssel für ein Fernschloß nur die Zuhaltungen einstellt, kann das Rohr lehr dünn sein und mit einem nicht zu weit ausladenden [804] Barte versehen werden; auch kann die Riegelmontierung an jede beliebige Stelle auf der Tür angeordnet werden, so daß sich dieselbe nicht in der Verlängerung der Schlüsseleinführung [2] befindet. Zur Erhöhung der Sicherheit wird auch der Verschluß so eingerichtet, daß der mit einem auswechselbaren Barte versehene Schlüssel für die Zeit des Verschlusses in dem Schlüsselloche stecken bleibt und so dasselbe schützt, und nur nach richtiger Einstellung eines Kombinationsschlosses ein selbsttätiges Herausstoßen des Schlüssels erfolgt, so daß nun erst, nachdem der richtig auf die Zuhaltungen wirkende Bart eingesetzt worden ist, der Verschlußmechanismus betätigt werden kann. Auch kann das Schlüsselloch durch eine Verschlußkappe verschlossen werden, welche sich nur nach Einstellung eines gesonderten Schlosses mit oder ohne Bart öffnen läßt. Endlich wird jetzt jede Tresortür noch mit einer besonderen Notverrieglung versehen [1][3], welche den betreffenden Firmen meistens gesetzlich geschützt worden ist und dann selbsttätig in Wirksamkeit tritt, wenn ein unberechtigter Angriff auf die Panzerung der Tür mittels Schneidebrenner erfolgt.
Ganz besondere Aufmerksamkeit wird in neuester Zeit auch der Entlüftung der Tresoranlagen gewidmet, wobei die Ventilatoranlage (s. die Figur) am zweckmäßigsten im Kontrollgang angeordnet wird und die Frischluft von hier aus durch eine gepanzerte Röhrenventilation in den an der Decke befindlichen Luftverteilungskanal einbläst, während die Abluft durch einen senkrechten Kanal ins Freie gepreßt wird. Wegen ihrer Leistungsfähigkeit sind für solche Anlagen besonders die Turbonventilatoren der Turbonventilatoren-G. m. b. H. in Berlin N. 20 geeignet.
Weil die Verwendung großer, allen Ansprüchen genügender Tresoranlagen immer mehr sich verbreitet, mußte auch eine zweckmäßige innere Einrichtung durchgeführt werden. Zur Erhöhung der Uebersichtlichkeit und um Platz zu sparen, dienen die Schränke mit Schiebetüren, welche von einzelnen Firmen [1] in den Handel gebracht werden. Die an Kunden einer Bank zu vermietenden Bankfächer (Safes) in verschiedener Größe müssen durch Schlösser verschlossen werden, welche sich nur dann öffnen lassen, wenn der berechtigte Besitzer des Bankfaches und ein Bankbeamter anwesend lind, weshalb ein durch zwei Schlüssel zu betätigender Verschluß vorhanden sein muß. Auf diesem Gebiete sind in neuester Zeit von den führenden Firmen [1][3] Spezial-Safeschlösser in den Handel gebracht worden, welche allen nach irgendeiner Seite gesellten Bedingungen genügen.
Literatur: [1] Kataloge von der Panzer-Aktiengesellschaft, Berlin N. 20. [2] Bodes Geldschrankfabrik in Hannover. [3] S.J. Arnheim, Hofkunstschlosser in Berlin N. 20; Ostertag-Werke in Aalen; Karl Kästner, A.-G. in Leipzig.
Julius Hoch.
Lueger-1904: Tresor [1]