Buchbinderei [3]

[120] Buchbinderei. Der im Weltkrieg durch die Blockade hervorgerufene Rohstoffmangel machte sich in der Buchbinderei in empfindlicher Weise fühlbar, zunächst auf dem Gebiete der Klebstoffe. Die Beschlagnahme des Tierleims für Heereszwecke und der Bezugscheinzwang machten die ausgedehnte Heranziehung von Ersatzleim notwendig. Allerlei Pflanzenleime, Sulfitablaugen wurden benutzt, erwiesen sich aber nur für untergeordnete Zwecke verwendbar.

Erst in den späteren Kriegsjahren gelang es, Surrogate herzustellen, von denen besonders die mineralischen Leime (Wirilklebstoffe) der Chemisch-technischen Werke in Leipzig sich brauchbar erwiesen haben. Auch die Firma Ferd. Sichel in Hannover und die Sächsischen Klebstoffwerke in Pirna schufen Ersatzleime von starker Klebkraft, die sich dauernd eingeführt haben. Ebenso die Spezialbuchbinderleime der Firma Pfeiffer & Dr. Schwandner, Ludwigshafen a. Rh.

Fast schwieriger noch als der Leimersatz war ein solcher für den aus Kartoffelstärke gekochten Buchbinderkleister zu beschaffen. Kam es doch hier darauf an, einen farblosen, nicht zu schnell trocknenden, dickflüssigen, aber gut streichfähigen Brei herzustellen, der ohne Krustenbildung trocknet und selbst dick aufgetragen seine Geschmeidigkeit bewahrt. Auch darf sich die Klebstoffschicht nicht zu sehr zusammenziehen, das schlecht geleimte Kriegspapier nicht durchdringen und keine Flecken bilden.

Auch diesen Anforderungen, ohne Inanspruchnahme der Kartoffel und des Dextrins, gerecht zu werden gelang schließlich durch den Kajatkleber von Wilh. Heuser, Mannheim, durch den Kleister von Georg Anderwert, Stuttgart, und Geschwister Eisenbeiß, chemische Fabrik, Heidelberg.[120]

Der Baumwollmangel und der Stillstand zahlloser Webstühle machte sich durch das Fehlen des wichtigsten Einbandmaterials, des Kalikos, bemerkbar. Der Preis stieg auf das 10–15fache der Friedenszeit.

Die Verwendung besonders zäher Papiere mit Kaliko und Leinenpressung konnte keinen Ersatz schaffen, weil bei der erforderlichen geringen Dicke des Fabrikats die nötige Reißfestigkeit nicht zu erreichen war. Die Gewebe aus Papiergarn sind noch immer zu grobfädig und entbehren eines geeigneten Füllstoffes. Der Aufstrich des Klebmittels läßt dieses. durchdringen und verschmutzt die Oberfläche. Man wendet daher meist das Abziehverfahren an, streicht den Klebstoff auf eine Glasplatte und wirst den Zuschnitt zweimal mit der Klebseite auf die nasse Fläche, ihn schnell wieder abhebend und den Aufstrich öfters erneuernd. Wo es angängig, kann man auch die Pappe anschmieren. Immerhin ist die Haltbarkeit im Falzbruch eine geringere und die Vergoldefähigkeit läßt wegen der gröberen Gewebetextur viel zu wünschen übrig. Dennoch gibt es eine Menge Verwendungsmöglichkeiten für Papiergewebe und Stapelfaser in der Buchbinderei und ihre steigende dauernde Verwendung ist sicher. Bezugsquellen: Wiegand Gebler, mechanische Leinenweberei, Großröhrsdorf in Sachsen, Franz Dahlem & Co., Aschaffenburg.

Auch das Material für bessere, seine und Luxuseinbände – das Leder – ist sehr knapp geworden, das sogenannte Bock- oder Chagrinleder (chinesische Ziegenfelle) ist kaum mehr zu haben. Auch hier mußte die Papierfaser aushelfen.

Aus gekreppten und Goudronné-Packpapieren wurde ein Stoff hergestellt, dessen Hauptvorzug allerdings im täuschend lederartigen Aussehen besteht. Durch Pressung mit Galvanos, die dem echten Naturleder entnommen sind, werden sehr schöne, kräftige Narbungen erzielt, die freilich den weichen Griff des echten Leders noch immer vermissen lassen und die Geschmeidigkeit der japanischen Lederimitationen nicht erreichen. Für die große Zahl der nach alten Probebänden herzustellenden Zeitschriftenbände und sonstiger, nur zu gelegentlichem Nachschlagen bestimmter Werke ist aber der Stoff ausreichend; besonders wenn über die Rückeneinlage, zur Verstärkung von Kapital und Falzbruch, dünner Kattun eingelegt wird. Für viele Bände wird der Lederersatz im Gebrauch bleiben, ist sogar dem Bockleder asiatischer Provenienz vorzuziehen, weil dieses (mit Schwefelsäure präpariert) oft schon nach wenigen Jahren den »roten Verfall« zeigt und brüchig wird. Empfehlenswerte Lieferanten: Martin Hussy, Aschaffenburg, Emil Brüderlein, Lederwerke Pößneck i. Th., Emil Ludwig Bettermann, Köln-Lindenthal.

Einen vorzüglichen Lederersatz bilden auch die Erzeugnisse der Deutschen Pluviusinwerke, Kötiz b. Koswig.

Die geringe Abgabe von Edelmetall für Buchgold hat zu einer gesteigerten Verwendung der Bronze- und Farbfolien für Bucheinbandverzierung geführt, die in vorzüglicher Beschaffenheit von der Genthiner Kartonpapierfabrik, Berlin, Culmstraße, geliefert werden.

Herm. Saalfeld.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 120-121.
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