Braga, Theophilo

[302] Braga, Theophilo, portug. Gelehrter, Dichter und Schriftsteller von erstaunlicher Fruchtbarkeit und Vielseitigkeit, geb. 24. Febr. 1843 auf der Azore San Miguel, besuchte das Lyzeum von Ponta Delgada und begann die literarische Laufbahn schon 1859 als Knabe von 16 Jahren mit einem Band lyrischer Gedichte: »Folhas verdes«, die 1869 eine zweite Auflage erlebten. Von 1861–67 studierte er in Coimbra die Rechte und promovierte mit einer Dissertation über die »Poesie im Recht« (»Poesia do Direito«, Coimbra 1863). Auch ließ er daselbst weitere poetische Schöpfungen erscheinen: »Stella matutina«, ein biblisches Poem (1863); »Visão dos tempos« (»Vision der Zeiten«, 1864), eine Art Epos der Menschheit; »Tempestades sonoras« (1864), »Ondina do Lago« (1865) und »Torrentes« (1868). Seine bedeutendsten Arbeiten sind indessen seine literarhistorischen, die ihm 1872 einen Lehrstuhl für moderne, besonders portugiesische Literatur am Curso superior de letras in Lissabon verschafften. Seit 1890 ist er Mitglied der Akademie. Seine breit angelegte, viele Bände umfassende »Historia da litteratura portugueza« (1870 bis 1881) ist die erste portugiesische Literaturgeschichte nach modernen Prinzipien (von einer vervollständigten Umarbeitung in 32 Bänden sind bis Ende 1902: 10 Bände erschienen). Kurzgefaßte Handbücher sind: »Theoria da historia da litteratura portugueza« (1873, 3. Aufl. 1881), »Manual da litteratura portugueza« (1875) und »Curso da litteratura portugueza« (1886). Mit den lebenden Autoren beschäftigt er sich in: »Modernas Ideias na Litteratura portugueza« (1892, 2 Bde.). Zum 300jährigen Todestag Camoens' (1880) veröffentlichte er die verdienstliche »Bibliographia Camoniana«. Großes Verdienst erwarb sich B. durch zahlreiche folkloristische Arbeiten. Noch auf der Universität sammelte er die portugiesischen Romanzen und Volkslieder, seine Kommilitonen zur Mitarbeiterschaft anregend. Seine wichtigsten Arbeiten auf diesem Gebiete sind: »Historia da poesia popular portugueza« (neue Bearbeitung 1902), der »Cancioneiro popular«, der »Romanceiro geral«, die »Cantos populares do Archipelago açoriano«, die »Floresta de romances«, »Contos tradicionaes do Povo Portuguez« (1883, 2 Bde.) und »O povo portuguez nos seus costumes, crenças e tradições« (1886, 2 Bde.). Auf philosophischem Gebiet ist der überhaupt (auch politisch) radikale B. ein Positivist. Er führte Comtes System in Portugal ein durch: »Traços geraes de philosophia positiva« (1877), »Soluções positivas da politica portugueza« (1878), »Systema de sociologia« (1884) und durch zahlreiche Artikel in der Zeitschrift »Positivismo«, deren Mitbegründer er war. Im Geiste der Comteschen Schule ist auch seine »Weltgeschichte« abgefaßt: »Historia Universal« (1878–82, 2 Bde.), und eine seiner jüngeren poetischen Schöpfungen: »Miragens seculares« (1884). Eine gute Auswahl aus seiner Lyrik erschien u. d. T.: »Alma Portugueza« (1893). Wir verdanken ihm ferner eine »Historia da Universidade de Coimbra« (Lissab. 1892–97, 3 Bde.). Vgl. Teixeira Bastos, Theophilo B. e a sua obra (Porto 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 302.
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