[9] Schöpfung, die Hervorrufung des Alls durch den göttlichen Willen aus Nichts, auf der israelitischen Kosmogonie beruhendes jüdisches und christliches Dogma, womit schon die Apologeten des 2. Jahrh. den meist zugleich Theogonien darstellenden Kosmogonien des Heidentums, insonderheit auch der griechischen Vorstellung von einer ewigen Materie gegenübertraten. Während Gott unter letzterer Voraussetzung nur Weltbildner wäre, betont daher schon das altkirchliche Taufbekenntnis gegenüber dualistischer Auffassung die Allmacht Gottes als des Vaters, d. h. des Weltschöpfers. Später unterschied man, um die griechisch philosophische und die christlich-religiöse Ansicht zu vermitteln, eine erste S. (die des Chaos) und eine zweite (die der sechs Tagewerke oder Zeiträume). Während man sich aber theologischerseits selbst neuerdings noch bemühte, die israelitische Schöpfungssage vor der neuern Naturkunde zu rechtfertigen und mit deren Ergebnissen auszugleichen, entschieden die Abhängigkeit jener von der babylonischen Sage, die Art und doppelte Gestalt der Überlieferung und der Widerspruch mit der Naturwissenschaft für die mythische Ansicht in mancherlei Formen, und auch streng bibelgläubige[9] Theologen räumen heute ein, daß Aussagen über den Hergang der Entstehung der Welt und ihrer Gebilde nicht in den Bereich des christlichen Glaubens gehören, und dieser lediglich den der naturwissenschaftlichen Forschung völlig freien Raum lassenden allgemeinen Satz von dem Begründetsein der Welt in dem vernünftigen Willen Gottes zu behaupten hat. Während aber die konservativen Dogmatiker an der Vorstellung eines zeitlichen Schöpfungsaktes festhalten, sprechen die freier gerichteten von einem ewigen schöpferischen Wirken Gottes. Vgl. Zöckler, Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und Naturwissenschaft (Gütersloh 187779, 2 Bde.); Otto, Naturalistische und religiöse Weltansicht (Tübing. 1904); J. Wendland, Die S. der Welt (Halle 1905). Unter dem Einfluß der geologischen Erkenntnis, daß der Bau der Erdrinde eine allmähliche Entstehungsweise verrät, und daß ihre Oberfläche in mannigfachen aufeinander folgenden Epochen von den heute lebenden völlig verschiedene Tier- und Pflanzengeschlechter getragen hat, begann das Dogma von der plötzlichen Erschaffung des Weltalls, der Idee einer allmählichen Entwickelung der lebendigen wie der leblosen Welt Platz zu machen. Seit dem ersten Erscheinen von Buffons »Epochen der Natur« (1749) sind mehrfach Versuche aufgetaucht, zwischen dem mosaischen Schöpfungsbericht und der Geologie durch sogen. Konkordanz- oder Harmonisierungshypothesen zu vermitteln, indem man entweder den erstern nur auf die im Menschen gipfelnde letzte S. (in der sogen. Restitutionstheorie) bezog, oder die geologischen Perioden der Erdbildung als die bildlich zu verstehenden sechs Schöpfungstage der Bibel deutete. Nachdem Lyell wahrscheinlich gemacht, daß die Veränderungen der Erde nicht unter gewaltsamen Umwälzungen (s. Katastrophentheorie), sondern in ununterbrochener Folge, wie noch heute, vor sich gegangen sind, und seitdem durch Darwin die Ansicht einer Entwickelung der höhern Lebensformen aus niedern die Oberhand gewonnen hat, beschränken sich die Vermittelungsvorschläge der Theologen auf eine Rückkehr zum Standpunkt des heil. Augustin, der eine mittelbare S. (creatio indirecta) lehrte, wonach Pflanzen und Tiere, ja selbst der Mensch ursprünglich nur der Anlage nach erschaffen worden wären, um sich, wenn ihre Zeit gekommen sei, zu entwickeln. Als Geschichte der S. bezeichnet man eine Darstellung des Entwickelungsganges des Weltalls und der Lebewesen, soweit dieselben sich naturwissenschaftlicher Forschung erschließt. Vgl. Kosmogonie.