Müll

[225] Müll (Kehricht), häusliche Abfallstoffe, wie Lumpen, Speisereste, Scherben, Metallgegenstände, Reste aus den Feuerungen etc. (Hausmüll), nebst Sand, Pferdemist etc. von der Straße (Straßenmüll). Die Beseitigung des Mülls vollzieht sich in kleinen Städten ohne Schwierigkeit, indem man das Hausmüll zu den Exkrementen in die Grube wirft und das Straßenmüll abfährt. In großen Städten, besonders in solchen mit Kanalisation, bedarf es einer geregelten und schnellen Abfuhr des gesamten Mülls. Das Hausmüll wird in eisernen Kasten, in Tonnen oder Säcken gesammelt und staubfrei in die Wagen gebracht. Dabei behält jedes Haus stets denselben Behälter oder der volle wird gegen einen leeren ausgewechselt. Im letztern Fall liegt eine gewisse Gefahr der Verschleppung von Ansteckungsstoffen vor. Man hat auch in den Häusern senkrechte Schächte mit Abzweigungen nach den Küchen angeordnet und solche Einrichtungen getroffen, daß das M. aus jeder Küche staubfrei in den Sammelkasten fällt. Auch der weitere Transport des Mülls (nebst Umladung) auf Eisenbahnen oder Schiffen muß staubfrei erfolgen. Man lagert das M. auf abgelegenen, sonst nicht nutzbaren Plätzen ab, bei den Mengen aber, welche die großen Städte liefern (Berlin im Sommer täglich 2500, im Winter 3000 cbm), entstehen hierbei erhebliche Schwierigkeiten. Rationeller ist die Sonderung des Mülls in seine Bestandteile. Man läßt es in Schächten ohne jede Staubentwickelung auf Siebe fallen und desinfiziert es dabei durch überhitzten Wasserdampf oder heiße Luft. Die feinern Teile werden aufgeschüttet und bepflanzt, auch zur Melioration von Ödländereien benutzt, die gröbern Teile gelangen nach möglichster Entstaubung auf Lesebänder und werden hier von Arbeiterinnen sortiert. Man hat dabei aus Brot-, Fleisch-, Pflanzenabfällen Schweinefutter bereitet, die Knochen gemahlen, Scherben, Lumpen, Metall etc. der Industrie zugeführt, auch Brenn material gewonnen. In manchen Städten hat man auch mit gutem Erfolg die Sortierung schon bei der Ansammlung in den Häusern ausgeführt und dabei namentlich Küchenabfälle von viel besserer Verwendbarkeit gewonnen (Dreiteilungs-, Separationssystem). Eine andre Art der Müllbeseitigung besteht in dessen Verbrennung in eignen Öfen (Kehrichtöfen), wie sie seit 1870 in England in verschiedenen Konstruktionen benutzt werden. Das englische M. enthält sehr viel Kohle (selbst im Sommer noch über 10 Proz.) und ist deshalb gut verbrennbar. Die Verbrennungsgase werden zum Heizen von Dampfkesseln, zur Erzeugung von Elektrizität benutzt, die Asche und Schlacke zu Pflasterungsmaterial, künstlichen Steinen, Zement. Nach anderm Verfahren gewinnt man aus dem M. Heiz- und Leuchtgas, auch Teerstoffe etc. Die Ergebnisse sind nach den lokalen Verhältnissen sehr verschieden. In Berlin, wo meist Braunkohle gebrannt wird, ist das M. sehr reich an Asche und so arm an Kohle, daß die englischen Öfen ohne weiteres nicht anwendbar sind. Ausgedehnte Versuche zur Verbrennung des Berliner Mülls haben keine befriedigenden Resultate geliefert. Vgl. Weyl, Studien zur Straßenhygiene (Jena 1893) und Fortschritte der Straßenhygiene (das. 1901); Vogel, Beseitigung und Verwertung des Hausmülls (das. 1897); Meyer, Die städtische Verbrennungsanstalt für Abfallstoffe in Hamburg (2. Aufl., Braunschw. 1901); Brix, Der Städtekehricht und seine unschädliche Beseitigung (Leipz. 1902); Röhrecke, Müllabfuhr und Müllbeseitigung (Berl. 1902); Bohm und Grohn, Über Müllverbrennung in England (das. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 225.
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