Tiëntsin

[533] Tiëntsin (»Himmelsfurt«), Stadt in der chines. Provinz Tschili, am Ausfluß des Großen Kanals in den Paiho, 34 km von dessen Mündung in den Golf von Tschili, wo der Flecken Taku (s. d.) mit Forts den Vorhafen bildet, 124 km südöstlich von Peking (s. die Karte »Unterlauf des Paiho« beim Art. »China«, S. 55), seit 1861 dem Fremdhandel geöffnet, bildet ein mit Graben und Mauer umgebenes Viereck, durchzogen von geraden, aber schmutzigen Straßen, ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls, hat eine Eisenbahn-, Marine- und Kriegsschule und 750,000 Einw. Die Niederlassungen der Europäer (je eine deutsche, englische, französische, russische, österreichisch-ungarische,[533] italienische, belgische und japanische mit zusammen 3500 Angehörigen, darunter 300 Deutsche) liegen am Nordufer des Paiho, 3 km von der chinesischen Stadt, und enthalten großartige Warenmagazine, schöne Wohnhäuser und ein Krankenhaus. Die Zahl der deutschen Firmen betrug 1904: 43, die etwa die Hälfte des gesamten Fremdhandels einnahmen. T. hat für den Handel große Bedeutung als Eingangspforte für Peking. Eingeführt werden Baumwoll- und Wollwaren und Garne, Zucker, Petroleum, Zündhölzer, Waffen, Eisenbahnbaumaterial etc.; ausgeführt: Tee, Wolle, Felle, Hörner, Borsten, Arzneimittel, Branntwein; 1905 betrug die Einfuhr 31,463,208, die Ausfuhr 10,458,506 Taels. Aus andern Teilen Chinas bezieht T. Reis, Tee, Seidenwaren, Porzellan, Papier etc. Auf den Seeverkehr kamen 1904: 711 Schiffe (707 Dampfer) mit 766,390 Ton., darunter 76 deutsche von 66,035 T. Der Fluß ist indes im Winter gefroren und im Sommer häufig für große Seeschiffe zu seicht. T. ist durch Eisenbahn einerseits mit Peking (auch Telephon), anderseits über Taku mit Schanhaikwan und der Mandschurei verbunden. – Hier erfolgte 24. und 25. Okt. 1860 die Ratifikation der Friedensverträge zwischen China einerseits, England und Frankreich anderseits, durch die T. dem fremden Handel geöffnet wurde. Auch wurde hier 9. Juni 1885 der Friede unterzeichnet, durch den Tongking an Frankreich kam. Im Juni 1900 wurde die Fremdenniederlassung von den chinesischen Boxern angegriffen, aber 23. Juni befreit. Nun wurden die chinesischen Truppen in der umwallten Stadt belagert und nach heftigen Kämpfen 13. Juli vertrieben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 533-534.
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