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[338] Der Perser liebt Schmuck und äusseren Aufputz, daher er denn auch seine Rede gern mit allerhand mehr oder minder geistreichen Wortspielen, witzigen Antithesen, Fremdwörtern und ähnlichem Redeschmuck herausstaffiert. Eine besondere Vorliebe aber hat er für das Sprichwort, das er sprichwörtlich »den Schmuck der Rede« nennt, das er gern bei passenden und unpassenden Gelegenheiten anwendet, und in dem sich seine guten und schlechten Seiten getreulich widerspiegeln. Zwar erklärt er allen Schmuck und besonders die dem eigenen Äusseren gewidmete Fürsorge sprichwörtlich für unmännlich, doch diese rauhe Anwandlung ist nur eine gelegentliche Reaktion gegen die Putzsucht des ewig Weiblichen, um seine Überlegenheit gegenüber diesem schwächlichen Geschlecht zu dokumentieren. In Wirklichkeit kennt seine Neigung, alles und nicht zum mindesten seine eigene Person herauszuputzen, keine Grenze. Die Lust des Orientalen an bilderreicher Rede ist bekannt. Auch seine Sprichwörter, »den Schmuck der Rede,« schmückt er oft mit dem Beim. Auf seine Kleidung verwendet er grosse Sorgfalt, befleissigt sich einer gewählten Redeweise und zierlicher Allüren, denn »destâr guftâr reftâr«, d.h. Turban, Rede und Gang verraten den gebildeten Mann[338] aus guter Familie, für den er gern gehalten sein will, auch wenn er es nicht ist. »Ein wenig Schönheit ist besser als Geld und Gut,« sagt er wohl bisweilen mit einer gewissen Berechtigung, da er weiss, dass seine Landsleute nach dem Sprichwort urteilen: »Die Aussenseite eines Menschen ist das Titelblatt des Innern.« Persien ist das Eldorado der Wohlbeleibten, denn »ein fetter Mann ist ein grosser Mann, ob er will oder nicht«. Zuweilen zwar besinnt sich der Perser auf sein gesundes Urteil und beteuert: »Ein Narr achtet auf seinen Bart und ein Meister auf das, was er thut«, doch thut er das natürlich nur mit Bezug auf den Splitter im Auge eines Anderen, dessen Vorspiegelungen er nicht gelten lässt, und dem er vorwirft, »er fliege mit eines Anderen Flügeln«. Eingedenk des Sprichworts, dass »ein freundlicher Doktor in der Achtung seines Patienten falle«, fährt er auch wohl sein Gegenüber mit den barschen Worten an: »Wenn du eine Henne bist, so leg' Eier; bist du ein Hahn, so krähe!« oder er dreht dem Prahler den Rücken zu und bemerkt ironisch: »ein Sackmacher sei auch ein Schneider«.
Indess muss der äussere Aufputz, die Bemäntelung eines wertlosen Kernes mit einer glänzenden Schale, schon recht fadenscheinig sein, eine Prahlerei muss schon ins Münchhausen'sche hinüberspielen, wenn der Perser sie merken und den Entlarvten darauf aufmerksam machen soll, »hier sei der Brunnen und hier der Stock«, er möge zeigen, was er könne. Denn die Perser sind äusserst leichtgläubig, trotzdem wohl nirgends in der Welt soviel gelogen wird, wie im »Lande der Sonne«, aus Eigennutz, aus Höflichkeit, ja rein zum Vergnügen. Er glaubt jedes Gerücht, jede Klatscherei und entschuldigt sich mit den drastischen Worten: »des Volkes Zunge ist des lieben Gottes Kesselpauke«. Das viele Lügen hat seinen moralischen Massstab etwas verschoben. So huldigt er der laxen Auffassung, der Dieb sei ein König, so lange er nicht ertappt werde, und ist leichtsinnig genug, wenn er einen Fehltritt begeht, noch[339] obendrein zu philosophieren: »Wie! Soll ich verbotene Früchte essen und mich mit Buben begnügen?« Daneben hat er freilich eine Menge schöner Sprüche über den Wert der Wahrhaftigkeit, die nur den einen Fehler haben, dass er sie meist nur befolgt, wenn es ihm nützlich scheint: »Wer die Wahrheit spricht, ist immer in Kuh; ein Wort ist nutz, die Lügen sind zum Putz; eines Ehrenmannes Wort ist lebendig; ein Mann, ein Wort« u.s.w. Unter solchen Umständen muss man sich wundern, dass ihm seine Schulden so sehr drückend sind. »Wenn du keine Schulden hast, so leg' dich ruhig schlafen.« »Schulden sind des Mannes grösstes Übel«, »Schulden sind wie eine Frau,« d.h. man wird sie nicht los. Doch erklärt sich das aus dem entwickelten Selbstgefühl des Persers und seiner Hochschätzung persönlicher Unabhängigkeit. »Gieb deinen Bart nicht in eines anderen Hand«, warnt er, und will lieber »seine alten Kleider flicken, als neue borgen«, oder gar Hungers sterben, als jemanden um etwas bitten, weil er sehr wohl weiss, dass »der leicht zu schlagen ist, der sich einmal schlagen liess«. Trotz der Schwächen seines Charakters hat er ein hohes Gefühl für persönliche Ehre. Er will »lieber mit Ehren sterben als in Schanden leben« und »wirft seine Ehre nicht um Brot weg.« »Ein hoher (d.h. rühmlicher) Name ist ihm lieber als ein hohes Haus.« Nur »den hält er für tot, der keinen guten Namen hinterlässt.« »Wer seinen Bücken zeigt in der Schlacht, kann nachher sein Gesicht nicht mehr zeigen.« Deshalb hütet er sich auch vor schlechtem Umgang, denn »ein schwarzer Topf macht schwarze Kleider«, um so mehr, als er der Überzeugung ist, dass »sein gutes Beispiel dem Schlechten zu nichts nutze sein wird«. Jedenfalls könnte ihm ein solcher Umgang doch Unbequemlichkeiten bereiten; denn da die Katze das Mausen nicht lässt, müsste er »seinen Esel anbinden, trotzdem der Dieb sein Freund wäre«.
Was seine Religion anlangt, so hat der Perser eine nicht unbeträchtliche Neigung zum Freidenkertum; doch[340] huldigt er demselben nur in seinem Privatkabinet oder im Kreise vertrauter Freunde. In dem für die Öffentlichkeit gemünzten Sprichwort zeigt er ein unerschütterliches Gottvertrauen. »Du hast Gott, was hast du für Not?« »Gottes Hausthür ist immer offen.« »Gott gefallen ist das erste von allen Dingen.« »Gott, der Zähne giebt, giebt auch Brot.« »Wenn Gott giebt, fragt er nicht, wer bist du?« Eine freiere Auffassung der mohammedanischen Religionsvorschriften zeigt das Sprichwort: »Fessle die Leute an dich durch Wohlthaten, das ist die beste Wallfahrt.«
Aus der islamitischen Prädestinationslehre zieht der Perser für das praktische Leben die Konsequenz des Fatalismus und sagt sich: »Was nützen Denken und Grübeln, da das, was vorherbestimmt ist, kommen muss?« »Wenn das Schicksal kommt, ist der Arzt ein Narr.« »Kein Held hat einen Schild gegen die Pfeile des Schicksals.« Daraus folgt ohne weiteres die Berechtigung der Aufforderung: »Lass das Gestern und Vorgestern, geniesse das Heut' und gräme dich nicht um das Morgen.« Daraus folgt ferner auch die geringe Wertschätzung der eigenen Schmiedesarbeit an der Gestaltung des persönlichen Geschicks. Der Perser sagt nicht: »Jeder ist seines Glückes Schmied«, sondern: »Ein Körnchen Glück ist besser als eine Eselsladung Geschick«, und »Wenn dir das Unglück auf dem Nacken sitzt, beisst dich der Hund auf dem Kamele.« Bei einer so fatalistischen Weltanschauung ist die geistige Regsamkeit des Persers eigentlich zu verwundern, wenngleich sie, in den höheren Klassen des Volkes wenigstens, eine mehr theoretische Richtung zeigt. »Blindheit« ist ihm »lieber als Unwissenheit«, denn »Unwissenheit ist der schlimmste Fehler«, zumal ihm die praktische Folge derselben vor Augen schwebt, dass »der Thor einen Keulenschlag gebraucht, wo dem Weisen ein Wink genügt«. Daher seine Mahnung: »Werde alt und lerne.« Von dem Reisen als Bildungsmittel hält er allerdings nicht viel, denn er[341] meint: »Das Beste, was man vom Reisen nach Hause bringt, ist die heile Haut.«
Einer der liebenswürdigsten Züge des Persers, wie des Orientalen überhaupt, ist bekanntlich seine Gastfreundschaft. Einen ungeladenen Gast nennt er »ein Geschenk Gottes«. Doch hat eben die Gastfreundschaft bei aller Gebelaune des Wirtes auch ihre Schattenseiten, was der Perser zart andeutet, wenn er sagt: »Wasser, welches lange an einem Orte bleibt, verdirbt.« »Wer wenig isst, ist das Licht meiner Augen.« »Ein Gast ist nur drei Tage angenehm.« Übrigens ist seine Gastlichkeit doch auch nicht ganz uninteressiert, wie er selbst durch das Sprichwort zugiebt: »Ein freigebiger Mann ist Gottes Freund.« »Wer zehnfach in dieser Welt giebt, wird hundertfach in jener empfangen.« Und das stimmt auch vortrefflich mit einem der hervorstechendsten Charakterzüge des Persers, dem filzigsten Geiz, obwohl er in seinen Sprichwörtern nicht wenig gegen dieses Laster eifert und kühnlich behauptet, »den werde die Reue verzehren, der sein Geld nicht verzehre«. Anderseits findet er es aber ganz natürlich, dass »der Gärtner während der Obstzeit taube Ohren hat«; er verschenkt gern »Wasser aus dem Fluss«, bezahlt freigebig »aus der Börse des Khalifen« und »reifst Haare aus dem Backenbart, um sie in den Schnurrbart zu kleben«. Auch verursacht es ihm keine Schmerzen, zu gestehen, dass man zu einem Heiligen mit vollen Händen kommen müsse, wenn man geheilt werden wolle. Der religiösen Pflicht des Almosengebens entledigt er sich seufzenden Herzens, wenn er auch sagt: »Thue Gutes und wirf es ins Meer.« Dabei tröstet ihn, dass er sich durch wohlthätige Spenden gegen Unfälle versichert, denn er ist überzeugt, dass »Almosengeben vor Unglück bewahre«. Wer könnte auch leichten Herzens sich von seinem Reichtum trennen, der seinen Wert so gut kennt, wie unser Perser. »Er hat die Erfahrung gemacht, dass ein Mann ohne Ballast kein Gewicht hat.« Zudem glaubt er, dass Gott niemandem »aus Versehen« Reichtum gebe. Ist der[342] Perser arm, so verachtet er die sauren Trauben und meint, je ärmer einer sei, desto freier sei er von Sorgen, ganz abgesehen davon, dass Reichtum hartherzig mache, denn »Könige kümmern sich nicht um die Not der Armen«. Er begnügt sich dann mit dem Surrogat »Zufriedenheit« statt des Reichtums, dessen Anblick er flieht, damit »der Esel sein Heu nicht stehen lasse, wenn er Gerste sehe«. Überhaupt weiss er sich in alle Lebenslagen zu schicken; er ist eine Rose unter Rosen, ein Dorn unter Dornen; »wenn er nicht schreiben kann, schneidet er wenigstens eine Feder«; »er kauft sich nie Kopfschmerzen für sein Geld«, verdenkt es der Katze nicht, dass sie keine Mäuse für den lieben Gott fangen will, und thut prompt den ersten Schlag, wenn Schläge unvermeidlich sind. Er ist mitunter vorsichtig im Urteil, wenigstens hat er die Maxime in Umlauf gesetzt: »Verurteile nichts als Unrecht, dessen Gründe du nicht kennst; vielleicht hast du es nicht verstanden.« Andererseits giesst er die Lauge seines Spottes aus über Einen, der »100 Töpfe macht, von denen keiner einen Henkel hat«, oder der »Wasser in einem Mörser zu zerstossen« sich abmüht, oder es mit einem Bindfaden festbinden will. Auch hält er den Versuch für thöricht, »Himmel und Erde zusammenzunähen«, »einen Gatten von einer Wittwe zu verlangen«, »den Wind in einen Käfig zu stecken«, »Feuer mit Stroh zuzudecken«, oder »der Katze das Fleisch zum Hüten zu geben«. Da er der Ansicht ist, dass »ein Narr spricht, ein Weiser denkt«, so bezeichnet er nicht unzutreffend eine vorschnelle Zunge als ein Instrument, welches mit dem Kopfe spielt. Vor dem Heiraten hat er eine gewisse Scheu, wenigstens lässt sich das aus dem Sprichwort folgern: »Nur der geniesst das Leben, der keine Frau hat.« Auch scheint er den Frauen im allgemeinen nicht hold zu sein, da er versichert, Frauen und Drachen sähe er am liebsten unter der Erde. Doch sind das wohl nur Anwandlungen schlimmer Laune, wenn wir ihm auch gern glauben wollen, dass »eine böse Frau dem Manne das Haus zur Hölle macht«. Seine[343] Bemerkungen über die Liebe stehen vollständig auf abendländischem Standpunkte. Da ein Sprichwort das Produkt einer gewissen Reflexion ist, so kann es nicht wunder nehmen, dass er darin von der Liebe als einem Feuer spricht, vor dem sich Jung und Alt nicht genug hüten könne. Günstiger denkt er von der Freundschaft. »Ein Freund lässt sich für den Freund von einer Schlange beissen.« Das Wort eines Freundes ist in allen Dingen gut. Indess ist er so vorsichtig, keine Freundschaft mit einem Thoren zu schliessen, die er der Umarmung eines Bären gleich erachtet. Lobenswert ist seine Achtung vor dem Alter und seiner Erfahrung. »Was der Jüngling in einem Spiegel sieht, sagt er, sieht der Greis in einem Backstein.« Seine Mutter ehrt er mit dem Worte: »Der Himmel ist zu den Füssen der Mutter.« »Die Liebe zum Vaterlande ist ihm köstlicher als Salomos Thron« und stolz nennt er Isfahân: nisfi dschihân, d.i. die Hälfte der Welt.192
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