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Der Gerber Meyer in der Stadt hatte ein respektables Vermögen und daher auch einen ansehnlichen Bauch, welches er beides seiner Ehehälfte zu danken hatte, welche ihm als reiche Witwe ihre Hand gab. Dies erkennt Meyer auch dankbar an, und er ist um die Gesundheit seinen etwas älteren Frau zärtlich besorgt.
Kürzlich hat der Doktor seiner Frau Ziegenmilch verordnet. Sogleich macht sich Meyer auf in ein benachbartes Dorf und kauft eine Ziege. Auf dem Heimweg abends kehrt er in einen Wirtshaus ein, nachdem er zuvor die Ziege an den Gartenzaun gebunden hat. Es dauerte lange, bis sein gewaltiger Durst gelöscht war. Während der Zeit band ein Spaßvogel die Ziege los und stellte den Ziegenbock des Wirtes, der von derselben Größe und Farbe war, an ihre Stelle.
Endlich, in der Dämmerung, ging Meyer mit der vermeintlichen Ziege nach Haus, wo er sie im Stall anband. Dann sagte er zu seiner Frau: »So, jetzt geh hin und melk!«
Aber die Frau suchte vergeblich nach einem Euter und meinte, ihr Mann habe sich anführen lassen.
Am anderen Morgen untersuchte Meyer die Ziege eigenhändig, aber auch ihm war bald klar, daß bei dieser Ziege von einem Milchgeben nicht die Rede sein könne. Wutentbrannt war er alsbald auf dem Weg, dem Verkäufer die Ziege wieder hinzubringen.
Der Zorn ist eine durstige Leidenschaft, sagt schon ein Weiser, und das fühlte auch Meyer an diesem Vormittag. Er kehrte deshalb im nämlichen Wirtshause wieder ein, band den Bock wieder an den Zaun und stürzte seine Entrüstung mit einer Anzahl Viertellitern herunter.
Endlich aber zog er mit dem vermaledeiten Bock von dannen. Unterwegs betrachtete er zufällig den Bock noch einmal und, was war das für eine Hexerei! Der Bock hatte auf einmal ein stattliches Euter!
Mit einer Art von Grauen zog Meyer die verkehrte Ziege vorwärts, da er nicht im entferntesten die Weisheit ahnte. Man hatte nämlich an derselben Stelle die Tiere wieder umgewechselt, ohne daß Meyer etwas davon gemerkt hatte.
Der Verkäufer wurde genötigt, die Ziege wieder zurückzunehmen. Alle Versicherungen der Verkäufers, daß es doch eine gute Milchziege sei, halfen nichts. Meyer erklärte fest und endgültig, daß er keine Ziege gebrauchen könne, die bei Tag eine Ziege und bei Nacht ein Bock sei.
Ostfriesische Nachrichten vom 1. Sept. 1931.