5.
Jim Doyle im Elfenpalast.

[9] Als Jim Doyle einst spät in der Nacht nach Hause ging, sah er auf einmal ein hellerleuchtetes Schloß dicht vor sich, in dem es sehr lustig herging. Muthig trat er durch die offene Thür ein und sah sich in einem großen Saale, wo sich die Elfen mit ihrem Könige und der Königin versammelt hatten und ein Glas nach dem andern leerten. Die Kleider, die sie anhatten, waren längst aus der Mode, aber sie waren aus den kostbarsten Stoffen gemacht und mit unzähligen Edelsteinen verziert.

Als ihn die Königin bemerkte, sprach sie: »Macht Platz für unsern Freund Doyle und schenkt ihm ein Glas des besten Punsches ein!« Darauf mußte er sich zu den Elfen setzen; doch als er das Glas an den Mund setzen wollte, bemerkte er einen alten Bekannten neben sich, der schon seit zwanzig Jahren todt war. »Trinke um des Himmels Willen keinen Tropfen,« flüsterte er ihm zu und Doyle, der sich inzwischen auch die Andern etwas näher angesehen und sich über ihr geisterhaftes Wesen erschreckt hatte, ließ den Punsch statt in den Mund in die Weste fließen.[9]

Dann bat die Königin einen ihrer Unterthanen, ein kräftiges irländisches Lied zu singen, wonach dieser auch sogleich zur allgemeinen Freude einen ganz gemeinen Gassenhauer anstimmte. Diesen mußte er nun so lange wiederholen, bis Doyle entschlief und Alles um sich vergaß.

Am nächsten Morgen fanden ihn einige seiner Nachbarn auf einer Wiese liegen und weckten ihn auf. Auf die Frage, wie er dorthin gekommen sei, gab er unverständliche und verwirrte Antworten und nach seinem Athem zu urtheilen, schien er doch mehr als einen Schluck starken Getränkes genossen zu haben.

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 9-10.
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