[326] Árn. I S. 58. Von Pastor Skúli Gíslason nach der Erzählung im Süden und Osten Islands.
Einmal soll zu Reyn im Mýrdalur ein Zimmermann eine Kirche bauen. Zuerst fehlt es ihm an Holz, nachher sind keine Arbeiter zu haben, weil alle bei der Heuernte beschäftigt sind. Der Zimmermann fürchtet schon, die Kirche bis zum Winter nicht fertig zu bekommen, da begegnet ihm draussen beim Grasgarten ein fremder Mann, der ihm Hilfe verspricht. Er wolle die Kirche allein fertig bauen, wenn ihm der Zimmermann nachher seinen Namen sagen könne. Andernfalls müsse ihm der Bauer seinen eignen sechsjährigen Sohn überlassen. Wie im Herbst die Kirche schon beinahe fertig ist, wandert der Zimmermann in schweren Gedanken umher und ruht sich endlich auf einem Hügel aus. Da hört er drinnen im Hügel eine Mutter ihr Kind mit folgenden Worten beruhigen:
»Senn kemur hann Finnur,
Faðir þinn frá Reyn,
Með þinn litla leiksvein.«
»Bald kommt Finnur,
Dein Vater von Reyn,
Mit deinem kleinen Spielgefährten.«
Nun geht der Zimmermann vergnügt heim. Der fremde Baumeister ist dort gerade beschäftigt, die letzten Latten für den Altar zu beschneiden, da tritt er zu ihm und sagt: »Bald bist du fertig, Freund Finnur!« Erstaunt wirft der Fremde die Latte hin und verschwindet.
In all' diesen Märchen handelt es sich darum, dass ein Mensch für einen Dienst, der von einer fremden, meist unheimlichen Persönlichkeit ihm geleistet wird, ihr entweder den einmal schon genannten Namen wieder sagen soll oder ihn, ohne ihn vorher zu kennen, erraten muss. Der Name wird dann in der Zwischenzeit vergessen oder kann nicht erraten werden, bis zufällig der Held oder einer seiner Verwandten oder Diener unbemerkt Zeuge wird, wie der Fremde in dem Vorgefühl des sicheren Besitzes seinen Namen selber verrät. Die Bedingungen des Kaufs sind entweder, dass der Held sich selber oder aber sein Kind versprechen muss. –[327]
Dieses Märchen ist ausserordentlich verbreitet. In der Geschichte von »Lignu di scupa« (Gonz. 84 II S. 155 ff.) hilft der Teufel einem armen Mädchen, den ihr vom Könige gegebenen Flachs zu spinnen. Der Königsbraut, die vor Angst schwermütig geworden ist, erzählt ein Bauer, dass er den Gesang eines wunderlichen Mannes behorcht habe, der sich Lignu di scupa = Besenstiel nenne. –
Im englischen Märchen (Jac. I »Tom Tit Tot« S. 1 ff.) bekommt das faule Mädchen beim Flachsspinnen Hilfe von einem Wichtelmanne. Der König beobachtet den Kleinen zufällig bei der Arbeit und erzählt nachher sein Erlebnis seiner Braut, die dadurch den Namen Tom Tit Tot in Erfahrung bringt.
Bei Cosquin (27 »Ropiquet« I S. 268 ff.) webt der Teufel Garn für eine Frau. Sie belauscht ihn bei der Arbeit und hört, dass er sich Ropiquet nennt. –
Im wälschtyroler Märchen (Schneller 55 »Tarandandó« S. 158) beobachtet der Ehemann der faulen Spinnerin das rote Männchen, das in seiner Freude seinen Namen Tarandandó selber verrät. –
Zingerle bringt zwei hierhin gehörige Märchen (487) »Der Kälberfuss« (S. 272 ff.) und (592) »Doktor Theophrastus Paracelsus« (S. 343 ff.). In der ersten Erzählung hat eine lockere Dirne, ohne es zu wissen, eine Liebschaft mit dem Teufel. Der Pfarrer kann sie von ihm befreien, nachdem zwei Knaben den Gesang des Teufels belauscht und seinen Namen »Kälberfuss« in Erfahrung gebracht haben. – – In der zweiten Erzählung wird eine kranke Fürstin von einem Zwerge geheilt, dafür muss sie ihm aber nach einem Jahre seinen Namen »Hanenkikerle« noch sagen können. Ein Mädchen, das den Zwerg in einer Felsenspalte beobachtet hat, hilft ihr aus der Verlegenheit. –
Bei Müllenhoff finden sich allein fünf Erzählungen über dieses Thema. In dem Märchen »Fru Rumpentrumpen« (VIII S. 409 ff.) erzählt der Kuhhirtenjunge der Königin, die am andern Tage zum Lohne für das Flachsspinnen ihren Sohn hergeben soll, dass eine alte Hexe draussen im Walde um ein Feuer getanzt sei. Sie habe sich »Fru Rumpetrumpen« genannt. – Eine andere Spinnerin (CDXVII »Gebhart«) bekommt den von ihrer bösen Stiefmutter ihr gegebenen Flachs von einem Männchen,[328] namens Gebhart, gesponnen. Ihr Bräutigam erfährt durch den Gesang des Kiemen den vergessenen Namen. – In der dritten Erzählung (CDXVIII S. 308) muss eine Königstochter dem Zwerg, der sie und ihren Vater auf den rechten Weg bringt, geloben ihn zu heiraten, wenn sie seinen Namen nicht verrät. Der Kuhhirt teilt ihr dann den Namen »Tepentiren« mit. – – Ein anderes Mädchen konnte nur unter der Bedingung von seinem Liebhaber, einem Zwerge, wieder befreit werden, dass sie ihm seinen Namen sagte. Zufällig hörte sie ihn sich selbst in seinem Gesänge verraten (CDXIX »Ekke Nekkepenn« S. 309). – – Die fünfte Erzählung, die bei Müllenhoff sich findet, stimmt genau mit der isländischen Erzählung von Finnur überein. Hier ist der Baumeister, der für einen Mann eine Kirche zu bauen verspricht, ein Zwerg. Kann der Mann seinen Namen nicht erraten, so muss er sich ihm übergeben. Am letzten Tage kommt er an einem Hügel vorbei und hört drinnen eine Mutter zu ihrem schreienden Kinde sagen:
»Vys! vaer still Baen mint,
Maaen kommer Fær Zii,
Man Christen Bloi to dee.«
(CDX »Zi der Baumeister« S. 299.)
Im deutschen Märchen (Grimm 55 »Rumpelstilzchen« I S. 208 ff.) soll die Müllerstochter Stroh zu Gold spinnen. Sie verspricht dem hilfreichen Männchen in der Not ihr erstes Kind, und dieses darf sie dann schliesslich nur behalten, wenn sie den Namen des Männchens errät. Ein Bote, der nebst vielen andern Boten ausgesandt war, um nach dem Namen zu forschen, bringt ihr schliesslich die erwünschte Nachricht.
Weitere Literaturnachweise zu diesem Märchen finden sich noch in den Anmerkungen zu Cosquin, Gonzenbach und Grimm, ferner auch bei Köhler (Kl. Schr.) bei der Besprechung der masurischen Märchen von Töppen (S. 54) und der slovakischen Märchen von Chodzko (S. 403).
Zu bemerken ist noch, dass in dem gleichfalls hierher gehörigen Märchen der Fräulein L'Héritier (»Cabinet des Fées« XII 31) das hilfreiche Wesen ebenso wie in dem ersten isländischen Märchen »Ricdin-Ricdon« sich nennt.
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