[581] 487. Kludde.

Mündlich.


Es gingen einmal zwei Bursche mit einem Mädchen über Land; der eine der Burschen war der Geliebte des[581] Mädchens und der andere einer seiner Kameraden. Wie sie nun so fortschritten, da sprach der Liebhaber plötzlich: »Halt 'mal inne, Gesell, da seh ich was!« – »Was siehst du denn?« fragt der andere. »Kludde«, antwortet der eine, »sieh, jetzt ist es ein Hund nun wächst er hoch empor – jetzt ist er wieder klein, – ein Schaaf – nein, eine Katze ...« und so sprach der Mensch immer fort, ohne daß sein Begleiter oder das Mädchen etwas gesehen hätte. Endlich sagte der eine: »Wenn du jetzt wieder Kludde siehest, dann sag' es mir, ich will 'mal auf ihn zugehen.« – »Dann geh' doch«, schrie der Liebhaber, »er läuft ja vor mir her.« Und der andere ging, aber er konnte nichts von Kludde entdecken.

So dauerte das, bis sie vors Haus des Burschen kamen, der den Geist noch immer vor sich her laufen sah. Vor dem Hause lag eine Platte los auf der Erde, und unter diese Platte legte des Burschen Vater meistens den Hausschlüssel, damit man nicht nöthig hatte, aus dem Bette aufzustehen, wenn es dem Jungen gefiel, einmal spät in der Schenke zu bleiben. »Seht ihr ihn nun noch nicht?« schrie der Liebhaber da auf, »er sitzt ja auf der Platte, damit ich mir den Schlüssel nicht nehmen könne.« Und mit den Worten faßte er sein Mädchen am Arme und sprach: »Komm, Mieken, wir wollen dich nach Hause bringen, denn du bist bange.« Als sie nun Mieken nach Hause geführt hatten, kamen sie zurück und der eine sah Kludde noch immer auf der Platte. Da nahm der andere sich ein Herz und ging zu der Platte hin, und Kludde sprang weg, und er konnte den Schlüssel nehmen, womit er seinem Gesellen die Thüre aufschloß. Der sprang schnell hinein, damit Kludde nicht folgen könne, und der andere ging ruhig seines Weges, hat auch von dem Geiste nichts gespürt.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 581-582.
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