53. Der dummkopf.

Ein mann hatte drei söhne. Zwei unter diesen waren klug (eig. gut), aber einer war ein dummkopf. Die (klugen) brüder gingen an ihre arbeit, aber der dritte, der dummkopf, blieb zu hause auf dem ofen sitzen. Nachdem die brüder ausgegangen waren, setzte der dummkopf ein fuchseisen im aborte aus. In seinem fuchseisen blieb ein schaf stecken. Die brüder kamen (von der arbeit) zurück und fragen den dummkopf: »Was hast du heute gethan, dummkopf?« »Was sollte ich machen! Ich setzte ein fuchseisen im aborte aus. Ein hund ist darin stecken geblieben!« »Was machtest du mit ihm?« »Was sollte ich machen! Ich schlug ihn tot!« Die brüder sehen nach und es war gar kein hund. Ein schaf war es. »Oh! Du, dummkopf! Es war ja kein hund! Ein schaf war es ja!«[174]

Am zweiten tage gehen die brüder des dummkopfes wieder an ihre arbeit. Der dummkopf aber bleibt zu hause. Wieder setzt er ein fuchseisen im aborte aus. Die brüder kommen zurück und fragen wieder den dummkopf: »Nun, was hast du heute gethan, dummkopf?« »Was sollte ich machen! Ich habe wieder ein fuchseisen im aborte ausgesetzt«. »Und was hast du in der falle gefangen?« »Was sollte ich fangen! Ein puter ist darin stecken geblieben!« »Was machtest du denn mit ihm?« »Was sollte ich machen! Ich schlug ihn tot! Seine federn habe ich aber ausgerupft!«

Am dritten tage gehen die brüder wieder an ihre arbeit. Wieder bleibt der dummkopf zu hause und setzt ein fuchseisen im aborte aus. Der dummkopf geht um nach seinem fuchseisen zu sehen, er schaut und – seine mutter ist darin stecken geblieben! Er schlägt, schlägt und schlägt sie tot. Die brüder kommen zurück; sie fragen den dummkopf: »Was hast du heute gethan, dummkopf?« »Was sollte ich thun! Ich habe das fuchseisen im aborte ausgesetzt.« »Nun, was ist da stecken geblieben!« »Meine mutter ist da stecken geblieben!« »Was hast du denn mit ihr gemacht?« »Was sollte ich machen! Ich schlug sie tot!« »Nu, dummkopf! Mache jetzt was immer du willst mit deiner mutter!«

Sie schliefen die nacht und schicken, nachdem sie geschlafen hatten, den dummkopf, sagend: »Geh, dummkopf! Fahre deine mutter nach dem kirchdorfe und begrabe sie!« Der dummkopf spannt das pferd an und fährt (seine mutter) nach dem kirchdorfe. Jemand kommt mit seinem fuhrwerk ihm entgegen. Der dummkopf biegt nicht ab. Der postknecht stösst ihn (und seinen schlitten) in den schnee. Der dummkopf schreit: »Du hast meine mutter totgeschlagen!« Der (reisende) herr (in dem fremden fuhrwerke) hört das geschrei des dummkopfes und fragt den postknecht: »Was sagt er?« »Er sagt: ›du schlugst meine mutter tot‹!« Der herr geht um nachzusehen und sagt: »Sie ist wirklich totgeschlagen! Beklage dich nicht mehr! Da hast du!« Er giebt ihm (dem dummkopfe) viel geld. Fahre deine mutter weg und begrabe sie!« Der dummkopf fährt sie nach dem kirchdorfe, und der geistliche begräbt sie umsonst.[175]

Er kehrt nach hause zurück. Die brüder fragen: »Was hast du mit deiner mutter gemacht, dummkopf?« »Was sollte ich machen! Ich habe meine mutter verkauft! Man fragt viel nach toten! Man kauft sie zu hohem preise! Es wurde mir nicht einmal möglich (meine mutter in das kirchdorf) einzufahren! Man kaufte sie ohne weiteres!«

Sie schlafen (die nacht) und (darauf) macht sich der älteste bruder daran und schlägt seine frau tot. Er fährt sie nach dem kirchdorfe um sie zu verkaufen. Er fährt sie und schreit: »Braucht ihr nicht leichname?« Die leute prügeln ihn durch: kein mensch kauft von ihm. Er begräbt (seine frau) selbst.

Er kehrt nach hause, und man fragt ihn: »Kauft man leichname?« »Wer sollte kaufen! Kein mensch kauft!« Der dummkopf sagt: »Man kaufte aber gern«.

Die nach sechs wochen zu begehende gedächtnisfeier der mutter kam. Sie schlachten einen ochsen und richten suppe her. Man schickt den dummkopf um (leute) zum gastmahl (eig. zu der suppe) einzuladen: »Geh, dummkopf, lade die leute ein um suppe zu essen!« Der dummkopf geht um einzuladen: »Selbst könnt ihr kommen, aber nehmet nicht eure kinder mit!« Sie kommen um suppe zu essen, aber bringen ihre kinder nicht mit. Darauf fragen die brüder: »Warum habt ihr eure kinder nicht mitgenommen?« »Euer dummkopf erlaubte uns nicht sie mitzunehmen!« Man schickt den dummkopf auf's neue: »Geh, dummkopf, hole ihre kinder her!« Der dummkopf geht. Er spannt das pferd an den schlitten an und holt die kinder, nachdem er sie in den schlitten eingepackt hatte. Er presste sie zusammen und brachte auf solche weise alle kinder um. Er nähert sich dem dorfe. Er bringt (die kinder) in die badestube hinein und lässt sie da. Er kehrt nach hause zurück. Man fragt: »Holtest du (die kinder), dummkopf?« »Ich holte sie, aber ich brachte sie in die badestube und liess sie da. ›Es friert uns‹! sagen sie (die kinder). Sie baten ihre suppe da zu bekommen«. »Geh, dummhopf, führe ihre suppe dahin! Bewirte die kinder!« Der dummkopf führt die suppe. Er führt sogar löffel für die kinder. Er setzt die löffel in ihre hände und giesst ihnen suppe in den mund. Darauf kehrt der dummkopf[176] nach hause zurück. »Hast du sie bewirtet, dummkopf?« »Ja wohl!« Darauf gehen schon alle leute (d.h. die gäste) weg; wegen ihrer kinder gehen sie in die badestube hinein. Sie schauen nach und – alle ihre kinder sind tot. »Der dummkopf hat sie alle umgebracht!«

Quelle:
Wichmann, Yrjö: Wotjakische Sprachproben, 2.: Sprichwörter, Rätsel, Märchen, Sagen und Erzählungen, Helsingfors: 1893/1901, S. 172-177.
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