Viadukte

[187] Viadukte oder Talbrücken (viaducts; viaducs; viadotti), sind Bauwerke, die einen Verkehrsweg (Eisenbahn oder Straße) über eine Bodensenkung führen; sie gelangen hauptsächlich zur Erzielung einer Kostenersparnis an Stelle einer vollen Dammschüttung oder einer mit einem Damm überschütteten, gewölbten Brücke oder eines Durchlasses zur Ausführung. Die Höhengrenze, von der an ein V. bereits billiger zu stehen kommt als eine Dammschüttung, hängt vom Grundeinlösungspreis und von den Einheitspreisen der Dammschüttung gegenüber jenen eines Viaduktbaues ab; durchschnittlich ist diese bei 18–20 m gelegen, doch können besondere Umstände – teure Grundpreise, unzuverlässiges, zu Rutschungen geneigtes Aufschüttungsmaterial, ästhetische Rücksichten u.s.w. – den Viaduktbau auch schon bei geringerer Höhe zweckmäßig erscheinen lassen, während anderseits wieder reichlich verfügbares Dammaterial die Herstellung weit höherer Dämme rechtfertigen kann. So hat beispielsweise der Damm über das Kohlbachtal auf der Linie Deggendorf-Eisenstein eine Höhe von 45 m und einen Inhalt von über 1/2 Mill. m3. Dämme von etwa 30 m Höhe finden sich in größerer Zahl in den im Mittelgebirge geführten Bahnen Bayerns, Badens und Württembergs.[187]

Die Frage, ob vorwiegend Dammschüttung oder Viaduktbau zur Anwendung kommen soll, spielt natürlich schon bei den Vorarbeiten einer Bahnanlage eine wichtige Rolle, da sich hiernach auch die Zahl und Lage der Einschnittsstrecken wegen des anzustrebenden Massenausgleichs richtet. Für die eine und für die andere Bauweise finden sich in Österreich Beispiele in der Brenner- und in der Semmeringbahn, wogegen die neueren Bahnbauten im Hoch- und Mittelgebirge zu gunsten der Bauökonomie diese grundsätzliche Wahl vermeiden und die Entscheidung, ob Damm oder V., nur nach den örtlichen Verhältnissen treffen. In dieser Hinsicht ist zu bemerken, daß man es jetzt in vielen Fällen vorzieht, an Stelle eines langen, schlauchartigen Durchlasses oder einer Brücke mit beiderseits anschließenden Erddämmen einen V. zur Ausführung zu bringen, wodurch meist eine Ersparnis, immer aber eine größere Sicherheit in der Anlage erzielt wird.

Die V. werden aus Holz, Stein oder Eisen erbaut, doch kommen hölzerne V. nur für provisorische Anlagen in Betracht. Auf den Bahnen der nordamerikanischen Weststaaten bestehen in den hölzernen Gerüstbrücken (Trestleworks) aber noch heute zahlreiche, aus der Zeit des Baues dieser Bahnen stammende Holzviadukte. Diese haben nahe (4–8 m weit) gestellte, einfache Joche mit durchgehendem Längsverband und darüber gelegten Tragbalken (s. Holzbrücken, Bd. VI, S. 229). Eines der bedeutendsten Bauwerke dieser Art war der 260 m lange und 62 m hohe Portageviadukt, der 1875 durch Brand zerstört und durch einen eisernen V. ersetzt wurde.

Hinsichtlich der baulichen Durchbildung der gewölbten und der eisernen V. wird auf die Art. Betonbrücken (Bd. II, S. 271), Eisenbetonbrücken (Bd. IV, S. 158), eiserne Brücken (Bd. IV, S. 176) und Steinbrücken (Bd. IX, S. 153) verwiesen. Hier soll nur deren Anordnung im allgemeinen besprochen werden.

I. Hat man zunächst hinsichtlich des Baustoffs, in dem ein V. zur Ausführung kommen soll, ob in Mauerwerk, Beton oder Eisen, eine Entscheidung getroffen, wobei, wenn nicht ungewöhnliche Verhältnisse bezüglich Baustoffbeschaffung, Größe der Öffnungsweiten u.s.w. vorliegen, dem Massivbau in der Regel der Vorzug zu geben ist, so kommt bei Anordnung einer gewölbten Talbrücke vor allem die Frage der Zahl und Weite der Einzelöffnungen und dann der Form und Höhe der Bogen zu beantworten. Die Stellung der Pfeiler ist hier in der Regel an keine oder nur in beschränktem Maß an äußere Bedingungen gebunden und es kommt für die verschiedenen möglichen Lösungen hauptsächlich nur der Kostenvergleich in Frage. Bei breiter Talsohle wird eine Anzahl gleicher Öffnungen am Platz sein, deren Weite sich nach der Höhe bzw. nach den Kosten der Pfeiler richtet. Eine allgemein verwendbare Regel für die günstigste Öffnungsweite läßt sich aber nicht angeben, da die Abhängigkeit der Kosten der Gewölbekonstruktion von der Spannweite je nach ihrer Ausführungsart verschieden und auch nicht einfach darzustellen ist. Für die gewöhnliche Type der gewölbten Eisenbahnviadukte mit Halbkreisbogen in Bruchsteinmauerwerk (s. die Abb. 1 zum Art. Steinbrücken in Bd. IX, S. 153 und beistehende Abb. 65) kann man bei der Viadukthöhe h für die zu wählende Öffnungsweite etwa setzen l = 6 + 0∙4 h (m), doch gibt diese Regel nur eine beiläufige Richtschnur. So werden leichte Gewölbekonstruktionen in Eisenbeton meist eine größere Spannweite als zweckmäßig erscheinen lassen als schwere Steingewölbe; desgleichen können hohe Pfeilerkosten infolge ungünstiger Gründungsverhältnisse zur Anwendung größerer lichter Weiten führen. Anderseits kommen aber auch die Kosten der Gerüstungen mit in Frage, die mit zunehmender Lichtweite sehr anwachsen. Für Weiten bis zu 20 m läßt sich der Holzaufwand im Lehrgerüst mit etwa 1/3 m3 für 1 m3 Gewölbemauerwerk veranschlagen. Es ist dabei ein freitragendes Lehrgerüst (Bd. VII, S. 75 u. 76, Abb. 116 u. 117) vorausgesetzt. Größere Spannweiten erfordern aber beträchtlich mehr Holz. So enthielt das Lehrgerüst der 55 m weiten Öffnung des Wiesener V. (Bd. IX, S. 156, Abb. 152) 0∙66 m3 Holz auf 1 m3 Gewölbemauerwerk.

Auch die Frage der zweckmäßigsten Bogenhöhe und Bogenform läßt sich nicht ohneweiters beantworten. Durch Wahl eines hohen Bogens wird das Pfeilervolumen vermindert, jenes der Übermauerung jedoch vergrößert. Gewöhnlich findet man bei gemauerten Talbrücken den Halbkreisbogen angewendet, was wegen der Vereinfachung im Lehrgerüst und in der Ausführung bei nicht allzu großen Spannweiten (bis etwa 25 m) wirtschaftlich ist,[188] obwohl der Halbkreisbogen keine günstige Anpassung an die Drucklinienform ergibt und demnach ein stärkeres Gewölbe bedingt. Bei Betongewölben wird man einen sich der Drucklinie besser anschmiegenden Korbbogen oder parabolischen Bogen vorziehen (V. der schmalspurigen Steyertalbahn Klaus-Agonitz). Für große Spannweiten und große Viadukthöhen wird sich wohl auch für Mauerwerksgewölbe der überhöhte Korbbogen als am günstigsten erweisen. Ältere Beispiele für dessen Anwendung geben die in Ziegelmauerwerk erbauten V. der sächsischen Staatsbahn im Voigtland, der Göltschtal-, Elstertal- und Muldentalviadukt mit 30∙8 m, 30∙6 m und 26 m weiter Hauptöffnung; ein neueres Beispiel liefert der aus Betonsteinen gewölbte Wiesener V. der Eisenbahnlinie Davos-Filisur.

An den Tallehnen werden sich entsprechend der abnehmenden Höhe des V. kleinere Öffnungsweiten als zweckmäßig herausstellen. Man wird aber nicht etwa jede Öffnung verschieden weit machen, sondern gruppenweise gleiche Öffnungen durch stärkere Pfeiler getrennt anordnen.

Die Ausführung erfolgt in der Regel in lagerhaftem Bruchsteinmauerwerk, das in den Gewölben zu Schichtmauerwerk ausgebildet wird (Abb. 66). Hohen Pfeilern aus Bruchsteinmauerwerk gibt man durchbindende Hausteinschichten in 3–4 m Höhenabstand. Bei Mangel an geeignetem Baustein kann an dessen Stelle die Ausführung in Stampfbeton treten (V. auf der bayerischen Strecke der Mittenwaldbahn, Abb. 67).

Handelt es sich um die Überbrückung eines tief eingeschnittenen Tales, so kann von den beiden in Abb. 68 u. 69 skizzierten Anordnungen die zweite, die einen großen, das ganze Tal überspannenden Bogen anwendet und dadurch die hohen Pfeiler vermeidet, die zweckmäßigere, d.i. die billigere sein. Dieser Fall wird insbesondere dann eintreten, wenn die Tallehnen aus festem, tragfähigem Boden, vielleicht sogar aus Fels bestehen, während sich in der Talsohle minder guter Baugrund vorfindet. Beispiele dafür geben die Abbildungen auf Taf. IV zum Art. Steinbrücken in Bd. IX.

Hohe Widerlager und Dammabschlußmauern (Flügelmauern) an den Enden der V. werden gern vermieden. Man zieht es vor, die letzten Viaduktbogen in den Damm hineinreichen zu lassen und diesen frei abzuböschen.

Über die Pfeiler der gewölbten V.s. Steinbrücken (Bd. IX, S. 153). Der früher übliche Stockwerksbau oder die Anordnung von Spannbögen zwischen hohen Viaduktpfeilern findet bei neueren Bauten keine Anwendung mehr.[189]

Über die Kosten gewölbter Eisenbahnviadukte wurden im Bd. IX auf S. 163 Angaben gemacht. Ausführliche Zusammenstellungen, die ältere Bauwerke betreffen, findet man in Rziha, Eisenbahnunter- und -oberbau, Bd. II, Wien 1877, S. 201, ferner in Pozzi, Costruzione ed esercizio delle strade ferrate, Ponti e Viadotti in Muratura, Turin 1890. Hiernach betrugen die Kosten für 1 m2 verbauter Umrißfläche:


mindesthöchst Mittel
Mark
für eingleisige V. 27∙0102∙2 57∙15
für zweigleisige V.65∙15137∙9101∙00

In neuerer Zeit sind zu den gewölbten gemauerten V. auch solche aus Eisenbeton getreten, u. zw. sowohl mit Bogentragwerken für größere Spannweiten wie auch mit Balkentragwerken für kleinere Öffnungsweiten. Letztere haben nach Art der Gerüstbrücken Joche in etwa 8–15 m Abstand, aus einzelnen, durch Querriegel miteinander verbundenen Eisenbetonstützen bestehend, auf denen die das Tragwerk bildenden Plattenbalken aufliegen. Diese Balken gehen über mehrere (3–4) Öffnungen durch und sind entweder auf den Jochen frei aufgelagert oder sie stehen mit den Jochstielen durch die Bewehrungseisen in fester Verbindung, so daß die Wirkungsweise mehrstieliger Rahmenträger entsteht (Abb. 70). Für die Aufnahme der Längskräfte, d.i. besonders bei Eisenbahnviadukten der Bremskräfte, ist vorzusorgen. Sind größere Bogenöffnungen angeordnet, so wird auch die über dem Bogen liegende Fahrbahn von solchen Eisenbetonbalken und auf dem Bogen stehenden Stielen getragen.[190] Eines der größten Bauwerke dieser Art ist der 1914 erbaute V. von Langwies in der schmalspurigen elektrischen Eisenbahn Chur-Arosa (Abb. 69)1. An die mit einem parabolischen Doppelbogen von 96 m Lichtweite und 42 m Pfeilhöhe überspannte Mittelöffnung dieses V. schließen beiderseits je 4 kleinere Nebenöffnungen von 14∙7 m Lichtweite und auf einer Seite noch 3 weitere Öffnungen von 13 m und 10 m an. Der Scheitel des Bogens liegt mit seiner Unterkante 66 m hoch über der Talsohle. Die Gesamtbaukosten, ohne Oberbau, betrugen rd. 500.000 M., d.i. für 1 m2 verbauter Umrißfläche rd. 50 M. Das ganz in Eisenbeton erstellte Bauwerk zeigt ein Mindestmaß an Baustoffaufwand und macht dadurch bei seinen grandiosen Dimensionen den Eindruck großer Leichtigkeit und Kühnheit. Überhöhte Bogen in steif armiertem Eisenbeton (Bauweise Melan) besaß auch der den letzten Kriegsereignissen zum Opfer gefallene, in Abb. 71 dargestellte Straßenviadukt über das Tal des Tagliamento bei Pinzano.

II. Die eisernen V. haben eisernen Überbau auf gemauerten oder auf eisernen Pfeilern. Die Öffnungsweiten sind hier wieder auf Grund der geringsten Baukosten zu ermitteln.


Setzt man die Kosten eines Pfeilers = P, die Kosten des eisernen Überbaues bei der Spannweite l für den Längenmeter = a + bl (für eingleisige Eisenbahnbrücken kann b etwa mit 11∙5–13 M. angenommen werden), so folgt die zweckmäßigste Spannweite in Metern


Viadukte

Nun ist P allerdings selbst wieder bis zu einem gewissen Grad von der Spannweite abhängig, so daß obige Formel nur innerhalb bestimmter Grenzen gilt. Allgemeiner sind die nachstehenden, von F.J. Weiß entwickelten Formeln für die mit Rücksicht auf die Kosten günstigste Spannweite (in m) von Eisenbahnviadukten auf gemauerten Pfeilern:

Viadukte

Hierin bezeichnet L die Gesamtlänge, H die Höhe des V. und K = m/e das Verhältnis des Preises m von 1 m3 Pfeilermauerwerk (einschließlich aller Nebenkosten für Gerüste, Bölzung, Wasserhaltung, Transporte u.s.w.) zum Preis e einer Tonne des fertiggestellten eisernen Überbaues.

Bei Anordnung schmiedeeiserner Turmpfeiler wird für die günstigste Spannweite die Formel angegeben:


Viadukte

worin F die Kosten eines gemauerten Pfeilerfundaments bezeichnen und die übrigen Größen dieselbe Bedeutung wie oben haben.

Obige Regeln für die Öffnungsweiten werden aber nur für lange V. über flache Talsohlen brauchbare Anhaltspunkte liefern; für kürzere V. werden sich durch ungleiche Austeilung der Spannweiten und geeignete Wahl des Trägersystems meist günstigere Verhältnisse erzielen lassen. Hier wird dann die Aufstellung von Vergleichsentwürfen notwendig.


Für den eisernen Überbau der V. mit mehreren Öffnungen werden Einzelträger, durchgehende, Gelenk- und Bogenträger angewendet. Auf Einzelträger ist man besonders dort angewiesen, wo der V. in einem Bogen gelegen ist. Sie werden als Parallelträger oder als Träger mit gekrümmter unterer Gurtung, Fischbauchträger (Abb. 72), in einigen Fällen auch als Linsenträger mit oben liegender Fahrbahn (V. von Großhesselohe mit Pauliträgern, die aber bereits durch einen neuen Überbau ersetzt wurden) ausgeführt. Bei größerer Länge des V. empfiehlt sich der Entgleisungsgefahr wegen eine etwas versenkte Anordnung der Bahn; dagegen wird bei einem hohen V. die Anordnung unten liegender Bahn, wie sie beispielsweise beim Trisanaviadukt (Abb. 146 in Bd. I, S. 266) zur Ausführung gelangte, nicht notwendig und wirtschaftlich auch nicht vorteilhaft sein. Durchgehende (kontinuierliche) Träger wurden früher sehr häufig angewendet, weil damit der Vorteil des freien Überschiebens des Tragwerks, also der Ersparung des bei[191] hohen V. sehr kostspieligen Montierungsgerüstes zu erreichen war. Mit Rücksicht auf die an anderer Stelle besprochenen Nachteile des durchgehenden Trägers (s. Art. Eiserne Brücken, Bd. IV, S. 186) ist man aber von dessen Anwendung für große Tragwerke in Deutschland und anderwärts jetzt fast gänzlich abgekommen und wendet dafür mit Vorliebe den kontinuierlichen Gelenkträger (s. Gerberträger, Art. Eiserne Brücken, Bd. IV, S. 186) an, durch den sich die gleichen Vorteile der Gewichtsersparnis und der Montierung durch freien Ausbau ohne Gerüst erzielen lassen. Man ist insbesondere durch den letzten Umstand gerade bei V. zu den ersten größeren Anwendungen des kontinuierlichen Gelenkträgers veranlaßt worden und bestehen viele hervorragende Beispiele derartiger Ausführungen; so in Amerika der Kentucky-River-Viadukt; der Eisenbahnviadukt über den Niagara (Bd. II, S. 441, Abb. 222), der Frazer-River-Viadukt u.v.a.; in Europa der Moldauviadukt auf der Eisenbahnlinie Tabor-Pisek (Bd. IV, S. 186, Abb. 102); die Hochbrücken über den Nordostseekanal zu Holtenau, Hochdonn und Rendsburg u.a. Endlich sind V. mit Bogen-trägern dort mehrfach ausgeführt worden, wo bei einer Talübersetzung sich die Anordnung einer großen Mittelöffnung als zweckmäßig herausstellte und an den Tallehnen feste, natürliche Widerlager gefunden werden konnten. Beispiele für diese Anordnung geben der Garabitviadukt, Linie Marvejols-Neussargues (Bd. II, S. 441, Abb. 220) mit einem sichelförmigen Parabelbogen von 165 m Spannweite und 65 m Pfeilhöhe, auf den sich ein von Parallelträgern gebildeter V. in 2 Punkten mittels eiserner Gitterpfeiler und im Scheitel stützt, die beiden großen Dourobrücken bei Porto, von denen die Eisenbahnbrücke einen Bogen von 160 m, die Straßenbrücke einen Bogen von 172 m Spannweite besitzt; ferner die Addabrücke bei Paderno mit einem gelenklosen Bogen von 150 m Spannweite, die Kirchenfeldbrücke in Bern, ein Straßenviadukt mit 2 Bogen mit festen Auflagern von 80∙7 m Spannweite, die Kornhausbrücke in Bern mit einer durch gelenklose Bogen überspannten Mittelöffnung von rd. 115 m, desgleichen der V. von Javroz und der von Schwarzwasser mit 114 m u.a. Die größte Spannweite unter den Bauwerken dieser Art besitzt die Talbrücke über die Viaur in Frankreich (s. Bogenbrücken, Bd. II, S. 442, Abb. 226), die eine Öffnung von 220 m mittels eines Dreigelenkbogens überspannt, der zur Überbrückung von Seitenöffnungen konsolenartig ausgekragt ist. Besonders erwähnenswert ob seiner wohldurchdachten Konstruktion und Ausführung ist aber der 1897 vollendete imposante zweigleisige Eisenbahnviadukt über das Wuppertal bei Müngsten (Kaiser-Wilhelm-Brücke, Abb. 73, s. Bogenbrücken, Bd. II, S. 439, Abb. 216). Über eine im Lichten 160 m weite Mittelöffnung spannt sich ein gelenkloser Bogen von 69∙3 m Pfeilhöhe, der die Fahrbahn auf an den Stützen unterbrochenen Parallelträgern trägt. An die Mittelöffnung schließen sich beiderseits je 3 Öffnungen von 45 m Weite, die durch 15 m breite Gerüstpfeiler getrennt sind. Die Bogen wurden ohne Gerüst mit freiem Vorbau aufgestellt.[192]

Eine besondere Ausbildung hat bei den eisernen V. der Bau der Pfeiler erfahren. Die Ausführung steinerner Pfeiler ist mit Rücksicht auf den zulässigen Bogendruck auf bestimmte Höhen beschränkt. Höhen über 30 m verlangen schon bedeutende Fundamentverbreiterungen, wenn die Bodenpressung etwa 4–5 kg/cm2 nicht übersteigen darf. Soll bei hohen V. und weniger gutem Baugrund unter dieser Grenze geblieben werden, so wird man besser tun, die Viaduktpfeiler aus Eisen herzustellen. Man wird dadurch auch meist eine Kostenersparnis erzielen. Je nach der Anordnung dieser eisernen Pfeiler lassen sich, von den Säulenstützen niedriger Stadtbahnviadukte abgesehen, 1. Turm- oder Gitterpfeiler, 2. Wand- oder Pendelpfeiler und 3. Gerüstpfeiler unterscheiden (s. Art. Pfeiler, Bd. VIII, S. 66).

Eiserne Turmpfeiler, u. zw. anfänglich, noch unter Verwendung von Gußeisen zu den Pfosten des Pfeilers, sind zuerst bei den 1854 von Etzel gebauten Schweizer V. über die Sitter, Thur und Glatt, dann 1863–1868 bei den V. der Paris-Orléans-Bahn zur[193] Ausführung gekommen. Nach diesen französischen Mustern wurden Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre auch anderwärts V. mit eisernen Pfeilern zur Ausführung gebracht, so in Spanien, Italien; in Österreich (1870) der Iglawa- und der Weißenbachviadukt. Auch in Amerika wurde der eiserne Pfeilerbau aufgegriffen, daselbst aber bereits unter gänzlichem Ausschluß des Gußeisens ganz in Schmiedeeisen durchgebildet (Kentucky-River-Viadukt mit 53 m hohen Eisenpfeilern auf 20 m hohen Steinsockeln u.a.). Die nach 1880 in Europa erbauten eisernen Turmpfeiler sind ebenfalls ganz aus Schmiedeeisen errichtet worden. Als Beispiele sind zu nennen: in Deutschland der V. bei Angelrode (Linie Arnstadt-Ilmenau), der Niddaviadukt zu Assenheim, die Hochbrücke bei Alscheid; in Frankreich der V. über die Siagne, in der Schweiz die 1875–1877 erbauten V. der schweizerischen Nordostbahn, u. zw. der Thurviadukt bei Ossingen, die Rheinbrücke bei Stein und der Reußviadukt bei Mellingen, ferner die Guggilochbrücke bei Lütisburg der Toggenburger Bahn. Bei dem Iglawaviadukt bei Kanitz-Eibenschitz der Staatsbahnlinie Wien-Brünn wurden die ursprünglich mit Gußeisenständern ausgeführten Turmpfeiler 1892 durch ganz aus Schmiedeeisen hergestellte Pfeiler ersetzt.

Die 4 Eckpfosten der Turmpfeiler sind so geneigt, daß die Form einer abgestutzten Pyramide oder eines Obelisken entsteht. Gewöhnlich ist die Neigung senkrecht zur Brückenachse größer als jene nach der Längsachse der Brücke und die Basisbreite wird so groß gewählt, daß auf den Pfeilersockel keine oder nur geringe Zugkräfte durch die Verankerung der Ständer übertragen werden.

Das Gewicht eines eisernen Turmpfeilers kann G = c∙l h gesetzt werden, wenn l die mittlere Spannweite der beiden vom Pfeiler getragenen Brückenfelder und h die Pfeilerhöhe bezeichnet. Die Größe c ist sonach das Pfeilergewicht f.d. 1 m2 der vom Pfeiler getragenen Aufrißfläche des V.

In der nachstehenden Zusammenstellung sind hierfür Angaben gemacht. Hiernach wäre c nicht konstant anzunehmen, sondern es werden sich im allgemeinen bei wachsender Pfeilerhöhe und Spannweite etwas abnehmende Gewichtszahlen f.d. m2 Ansichtsfläche ergeben. Im Mittel wird aber für eingleisige V. und Schmiedeeisenpfeiler c = 45 kg angenommen werden können.


Gewichte eiserner Turmpfeiler.


Viadukte

Die Wand- oder Pendelpfeiler bestehen bloß aus einer Reihe von meist nur 2 in einer zur Brückenachse senkrechten Ebene stehenden Stützen, die untereinander wieder durch eine Ausfachung verbunden sind. Diese Stützen können bei einigermaßen größerer[194] Höhe an dem unteren Ende nicht in fester Einspannung mit dem Sockel verbunden sein, da sie sonst durch die nach der Brückenlängsachse wirkenden Kräfte zu ungünstig beansprucht würden. Sie werden daher gelenkförmig gelagert, u. zw. entweder auf ein zylindrisches Kipplager, dessen Achse senkrecht zur Brückenachse steht, oder auf ein Kugellager. Auch die Auflagerung der Träger auf den Pfeilern ist in ähnlicher Weise mittels Kipplager durchzuführen. Bei Anwendung von Pendelpfeilern ergibt sich infolge der geringeren Pfeilerkosten die günstigste Spannweite für den Überbau des V. kleiner als bei Turmpfeilern.

So zeigt der 1901/02 erbaute, 180 m lange V. der Ofotenbahn über Norddalsenden bei Narvik in Norwegen Pendelpfeiler von bis 30 m Höhe in bloß 18 m Abstand mit einem aus Blechbalken bestehenden Überbau und ähnlich sind auch 1906/07 von der Unternehmung Harkort die V. in Atjeh auf Sumatra ausgeführt worden. Hier handelte es sich zudem um möglichste Vereinfachung der Aufstellungsarbeiten, die, wie Abb. 74 zeigt, ohne jede Einrüstung mit Hilfe eines auf den Trägern fahrbaren, auskragenden Krangerüstes bewerkstelligt werden konnten. Diese V. haben mit Blechbalken überspannte, 16 m weite Öffnungen und bis 25 m hohe Pendelpfeiler. Zu den größeren V. mit Pendelpfeilern zählen in Deutschland der V. über das Oschützbachtal auf der Linie Mehltheuer-Weida in Sachsen mit 3 Öffnungen von 32∙5, 36∙0 und 32∙5 m und 20 m hohen Pendelpfeilern, ferner der V. über den Argentobel im Allgäu mit 84 m größter Öffnungsweite und 30 m hohen Pendelpfeilern (Abb. 75), die Hochbrücken über den Kaiser-Wilhelm-Kanal zu Holtenau und zu Rendsburg, der Talübergang bei Westerburg im Eisenbahndirektionsbezirk Frankfurt u.a. Ferner bestehen auf den norwegischen Staatsbahnen mehrere derartige Bauwerke, so der V. über das Solbergtal bei Thomter mit Fachwerksträgern von 20 m Spannweite und 30 m hohen Pendelpfeilern, der Lysetal-, der Barug- und Haabölviadukt. Auch in Sachsen sind mehrere V. mit Pendelpfeilern auf den neueren Staatsbahnlinien zur Ausführung gekommen.

Werden 2 nebeneinander stehende Wandpfeiler in den Ebenen der Pfosten durch Ausfachung verbunden, so entsteht ein Gerüstpfeiler, der sich von einem obeliskartigen Turmpfeiler dadurch unterscheidet, daß er in der Richtung der Brückenlängsachse keine Verjüngung nach oben und überhaupt größere Breite hat, so daß er selbst einer überspannenden Tragkonstruktion bedarf. Gerüstpfeiler werden bei den neueren Ausführungen den Turmpfeilern vorgezogen, da sie eine Verringerung der Stützweiten des Tragwerks ergeben und sich zur Aufnahme der nach der Brückenlängsachse wirkenden Kräfte gut eignen. Eine gelenkige Lagerung auf den hier meist getrennt angeordneten Ständersockeln ist nicht notwendig. Bei abfallendem Gelände können die 4 Ständer eines Pfeilers auch verschieden hoch gelagert werden. Die meisten und größten Gerüstpfeilerviadukte sind in Amerika ausgeführt; bei ihnen stehen die Pfeiler ziemlich nahe, so daß für den Überbau in der Regel noch Blechträger verwendet werden können. So hat eines der bedeutendsten Bauwerke dieser Art, der Peccos River-Viadukt auf der Southern Pacific-Eisenbahn 48 Felder von 11–20 m Spannweite, nur ein Feld mit 56 m Weite und Gerüstpfeiler bis zu 100 m Höhe. Der V. über den Loafluß in der schmalspurigen Antofagasta-Eisenbahn (Bolivia) hat Gerüstpfeiler von 9∙75 m Breite und 102 m größter Höhe mit Zwischenfeldern von 24∙4 m. In Deutschland sind Gerüstpfeilerviadukte schon vor Jahren auf mehreren sächsischen Staatsbahnlinien ausgeführt worden, so in[195] der Lokalbahn Annaberg-Schwarzenberg bei Mittweida (Pfeilerbreite 10 m, Zwischenfelder 20 und 25 m), auf der Schmalspurbahn Saupersdorf-Wilzschhaus u.a. Neuere Ausführungsbeispiele liefern die V. im Zuge der Eisenbahnlinie Metz-Vigy-Anzelingen, von denen der 502 m lange V. über das Faillytal (Abb. 76) hervorzuheben ist, weiters der schon oben erwähnte Wuppertalviadukt bei Müngsten (Abb. 73), der V. bei Mutters in der elektrischen Stubaitalbahn (Abb. 77) u.a.

Das Gewicht des Überbaues und der Pfeiler der amerikanischen eisernen Gerüstbrücken wird bei einer mittleren Talhöhe h mit g = 16 × 1130/h kg f.d. m2 verbauter Umgrenzungsfläche angegeben. Nach Herzmansky kann man für Hauptbahnen das Gewicht von Gerüstpfeilerviadukten bei der mittleren Höhe h und der Gesamtlänge L setzen: g = 30 + 1000/h – 1000/L kg f.d. m2 verbauter Umgrenzungsfläche; für Nebenbahnen 80%. Die nachstehende Tabelle enthält Angaben über Gewicht und Kosten ausgeführter eiserner Eisenbahnviadukte.


Gewicht und Kosten eiserner Eisenbahnviadukte f.d. 1 m2 verbauter Umgrenzungsfläche.


Viadukte

Melan.

Abb. 65.
Abb. 65.
Abb. 66.
Abb. 66.
Abb. 67.
Abb. 67.
Abb. 68.
Abb. 68.
Abb. 69. Viadukt von Langwies, Linie Chur – Arosa.
Abb. 69. Viadukt von Langwies, Linie Chur – Arosa.
Abb. 70.
Abb. 70.
Abb. 71. Straßenviadukt über den Tagliamento bei Pinzano.
Abb. 71. Straßenviadukt über den Tagliamento bei Pinzano.
Abb. 72.
Abb. 72.
Abb. 73. Kaiser-Wilhelm-Brücke über das Wuppertal bei Müngsten.
Abb. 73. Kaiser-Wilhelm-Brücke über das Wuppertal bei Müngsten.
Abb. 74. Viadukt in Atjeh auf Sumatra.
Abb. 74. Viadukt in Atjeh auf Sumatra.
Abb. 75. Argentobelviadukt (Allgäu).
Abb. 75. Argentobelviadukt (Allgäu).
Abb. 76. Viadukt über das Faillytal (Frankreich).
Abb. 76. Viadukt über das Faillytal (Frankreich).
Abb. 77. Viadukt bei Mutters (Stubaitalbahn, Tirol).
Abb. 77. Viadukt bei Mutters (Stubaitalbahn, Tirol).
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Dr. H. Schürch, Der Bau des Talüber-

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 187-196.
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