[251] Wagenschuppen (carriage-sheds; remises à voitures; rimesse veicoli).
a) Zweck:
Die W. werden je nach ihrem Zweck unterschieden in Abstellschuppen, Reinigungsschuppen und Ausbesserungsschuppen.
Abstellschuppen. Während die im Betriebe befindlichen Güter- und Personenwagen für gewöhnlich auch während ihrer Abstellung auf den Bahnhöfen im Freien bleiben, sieht man für besonders gut ausgestattete Personenwagen (z.B. Saalwagen, Krankenwagen u. dgl.) Schuppen vor. Es genügen häufig offene hölzerne, meist nur an der Wetterseite verschalte Schuppen ohne besondere Fußbodenbefestigung; völlig geschlossene Schuppen werden für diesen Zweck selten errichtet (z.B. für Fürstenwagen).
Reinigungsschuppen dienen der Aufnahme einzelner Personenwagen, Zugteile oder ganzer Zuge, die während ihres Aufenthalts auf den Zugbildungsstationen gründlich untersucht und gereinigt werden müssen. Die Vorzüge vor der Aufstellung im Freien bestehen darin, daß die Bediensteten gegen Wind und Wetter und die Gefahren des Verschiebebetriebes geschützt sind und daher ihre Arbeiten schneller und besser verrichten. Auch wird kein Schmutz in die Wagen getragen und die Arbeitsplätze werden sauber gehalten. Im Winter lassen sich Schnee und Eis schneller von den Wagen entfernen und die Reinigung mit warmem Wasser bleibt durchführbar. Die Versorgungsleitungen (Dampf, Wasser und Gas) sind gegen Einfrieren geschützt.
Ausbesserungsschuppen dienen der Untersuchung und Ausbesserung der im Betriebe beschäftigten Personen- und Güterwagen, soweit sie nicht den Hauptwerkstätten zugeführt werden.
b) Lage.
Die Abstell- und Reinigungsschuppen werden ihrem Zweck entsprechend auf den Personenbahnhöfen oder den zu ihnen gehörenden Abstellbahnhöfen angeordnet, während die Ausbesserungsschuppen möglichst in Verbindung mit den Betriebswerkstätten zu bringen sind. Auf großen Verschiebebahnhöfen legt man sie auch zweckmäßig nahe den Hauptablaufbergen an, weil die beschädigten Wagen an dieser Stelle zulaufen.
Während die Abstellschuppen mehr an entlegenen Stellen des Bahnhofes, auf größeren Abstellbahnhöfen etwa bei der Gleisgruppe für selten benutzte Wagen angeordnet werden können, legt man die Reinigungsschuppen am besten in die Nähe der Gruppe der eigentlichen Aufstellgleise für Personenzüge. Auf gute Verbindung mit diesen und Anschluß an das Hauptausziehgleis des Abstellbahnhofs ist besonderer Wert zu legen. Schließt man die Schuppen nur an einem Ende an, so entsteht der Vorteil, am anderen Ende Werkstatts- und Aufenthaltsräume, die dann am wenigsten Licht wegnehmen, anbauen zu können. Auch wird vermieden, daß der Schuppen von durchfahrenden Lokomotiven verqualmt wird. Anderseits hat der beiderseitige Anschluß den Vorzug größerer Freiheit in den Verschiebebewegungen. Man sehe darauf, daß an der Längsseite der Reinigungsschuppen nicht Gleise angeordnet werden, die dauernd besetzt sind, weil hierdurch der Schuppen verdunkelt wird; als Nachbargleise sind daher Weichenstraßen oder Durchlaufgleise geeignet. Bei der Entwurfsverfassung sorge man auch für Erweiterungsmöglichkeit der Schuppenanlage. Diese wird, wenn man dem Schuppen sogleich die volle Zuglänge gegeben hat, kaum durch Verlängerung, eher noch durch Verbreiterung zu erreichen sein. Meist wird man einen neuen Schuppen errichten müssen, den man zweckmäßig von[251] vornherein mit guten Anschlußmöglichkeiten in der Nähe des zuerst auszuführenden Schuppens in den Bahnhofsentwurf aufnehmen sollte.
c) Grundformen und Abmessungen.
Die zweckmäßigste Grundrißform der Wagenschuppen ist ein langgestrecktes Rechteck mit Anschluß durch Weichenstraßen an einem oder beiden Enden (s. auch b). Der Anschluß durch Schiebebühnen kommt nur für kleine, der Aufnahme einzelner Wagen dienende Schuppen in Frage, ebenso die Ringschuppenform mit Drehscheibenanschluß. Die Länge der Schuppen ist gleich der erforderlichen Luftstellänge der Schuppengleise, zu der Spielräume von 1∙0 bis 1∙5 m, besser 2∙02∙5 m, zwischen den Buffern des letzten Wagens und der Giebelwand hinzukommen. Die erforderliche Gleislänge für ganze Züge schwankt zwischen 130 und 200225 m und muß im einzelnen Fall ermittelt werden. Geht man hierbei von der Achsstärke der Züge aus, so rechne man für vierachsige Schnellzugwagen mit 4∙5 m, für zwei- und dreiachsige Personenwagen mit 4∙0 m für eine Achse. Bei Schuppen für Einzelwagen oder Wagengruppen lege man jeder Achse ein größeres Maß, etwa 5∙10 m zu grunde. Zu beachten ist im übrigen, daß die Post- und Eilgutwagen meist nicht im Wagenschuppen aufgestellt werden. Lange Gleise bieten stets den Vorteil, auf ihnen 2 kurze Züge hintereinander aufstellen zu können. Zur Bemessung der Gleiszahl des Schuppens geht man von der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Züge aus. Beträgt diese 3 Stunden, so werden z.B. für 40 innerhalb von 24 Stunden zu behandelnde Züge 40∙3/24 = 5 Gleise von Zuglänge erforderlich sein. Die meist mit Betriebswerkstätten verbundenen Ausbesserungsschuppen erhalten in der Regel mehrere kurze Gleise, um die einzelnen Wagen leicht auswechseln zu können; sie werden oft durch Schiebebühnen zugänglich gemacht.
Die Breite der Schuppen ergibt sich aus dem erforderlichen Gleisabstand und dem Raum zwischen den äußersten Gleisen und den Längswänden. Für Abstellschuppen genügt ein Gleisabstand von 4∙04∙5 m, für Reinigungs- und Ausbesserungsschuppen ein solcher von 5∙0 bis 5∙5 m, wobei die größeren Maße etwaige Zwischenstützen berücksichtigen sollen. Nach TV. § 61, 2 soll der Gleisabstand nicht unter 4∙4 m betragen. Bei Schuppen, die nur zur Aufstellung von Wagen dienen, die längere Zeit außer Verwendung kommen (Abstellschuppen), kann der Gleisabstand geringer sein (TV. § 60, 3). Die Mitten der äußersten Gleise sollen von den Längswänden 2∙53∙0 m entfernt sein. Letzteres Maß muß mindestens eingehalten werden, wenn längs der Wände Werkbänke aufgestellt werden sollen.
Die Höhe der Schuppen soll so bemessen sein wenigstens bei Reinigungs- und Ausbesserungsschuppen daß die Dächer der Wagen begangen werden können. Die Tore sollen nach BO. § 11 (7) mindestens 3∙35 m, bei Neubauten 3∙80 m im Lichte weit sein. TV. § 61, 4 empfehlen für Neubauten 4∙0 m. Die lichte Höhe der Tore muß der Umgrenzung des lichten Raumes entsprechend 4∙80 m betragen.
d) Bauliche Ausbildung und Ausstattung.
Reine Holzbauweise kommt meist nur für die Abstellschuppen in Frage, für die Reinigungs- und Ausbesserungsschuppen wählt man meist Holz- oder Eisenfachwerk, auch Massivbau aus Stein oder Eisenbeton. Bei einfachen Verhältnissen ordnet man für die Wagenausbesserung auch wohl nur überdachte, nach der Wetterseite zu verschalte Wagenstände mit Arbeitsgruben an. Die Dachtragwerke werden gewöhnlich aus Holz, seltener aus Eisen hergestellt. Zwischenstützen werden erst bei Schuppen mit mehr als 2 Gleisen erforderlich. Zur Dacheindeckung wird meist doppellagige Pappe, Ruberoid und ähnliches auf Holzschalung oder auch auf Binsbeton verwendet, doch findet man auch Wellblecheindekungen.
Während die Beleuchtnng der Abstellschuppen auf wenige mittelgroße Fenster in den Längswänden beschränkt werden kann, bedarf es bei Reinigungs- und Ausbesserungsschuppen ausgiebiger Lichtzuführung. In den Längswänden sind große, tief herabreichende Fenster, im Dach durchgehende Oberlichter in der First oder sattelförmige Oberlichter zwischen den Bindern anzuordnen; günstiger hinsichtlich Dichthaltung und Reinigung sind besondere Aufsätze (Laternen), in deren senkrechten Seitenwänden Fenster vorgesehen werden. Wände und Dachunterseite werden im Interesse der Helligkeit weiß gestrichen.
Die Oberlicht- und Seitenlichtaufbauten dienen auch der Anbringung der für große Schuppen besonders wichtigen Lüftungsvorrichtungen. Die Tore werden, wie die der Lokomotivschuppen zweiflügelig mit Schlupftüren nach außen aufschlagend, aus Holz oder Eisen mit Verkleidung aus Holz oder verzinktem Wellblech hergestellt; Schiebetore sind selten.
Die Fußböden der Reinigungs- und Ausbesserungsschuppen bestehen aus Beton mit Zement oder Asphaltestrich oder auch aus Klinkern. Die Gleise werden gewöhnlich auf ihrer ganzen Länge mit Arbeitsgruben versehen,[252] nach denen hin der Fußboden Quergefälle erhält. Fußbodenoberkante liegt zweckmäßig bündig mit der Fahrschiene, neben der zwecks leichterer Auswechslung und zum Schutz der Fußbodenkante gegen Beschädigung durch Arbeitsgerät Streichschienen aus Walzeisen oder[253] Streichbohlen aus Hartholz verlegt werden. Die Arbeitsgruben werden entsprechend denen der Lokomotivschuppen ausgebildet; wie in diesen erhalten namentlich die Ausbesserungsschuppen Achssenken zur Auswechslung schadhafter Achsen.
Von besonderer Bedeutung ist die Ausstattung der Reinigungs- und z.T. auch der Ausbesserungsschuppen mit Versorgungsleitungen. Für die künstliche Beleuchtung kommt fast ausschließlich der elektrische Strom in Frage. Außer der allgemeinen Beleuchtung von der Decke her, sind Wand- und Fußbodenauslässe zur Einzelbeleuchtung auch der Unterseite der Wagen erforderlich. Geheizt werden die Schuppen meist durch Dampfsammelheizung, die zugleich zur Vorheizung der Züge benutzt wird. Die Heizrohre finden am besten in besonderen Schlitzen der Arbeitsgruben Platz, wo sie am wenigsten stören und von wo die erwärmte Luft den vereisten Untergestellen unmittelbar zuströmt. Sie werden durch aufklappbare durchbrochene Gitter vor Verschmutzung geschützt; die Gitter schützen anderseits die Arbeiter gegen Verbrennen. Für die Vorheizung der Züge sind Standrohre zum Anschließen der Schläuche erforderlich, die in großen Abständen etwa 70100 m angeordnet werden, weil die Züge von einer oder höchstens 2 Stellen aus geheizt zu werden brauchen. Zur Erzeugung des Heizdampfes dient eine Dampfkesselanlage, die mit den Nebenanlagen verbunden wird (s. c). Kleine Schuppen werden auch durch Öfen erheizt. Gewöhnliche Abstellschuppen entbehren der Heizung meistens ganz. Zur Reinigung der Wagen sind Kalt- und Warmwasserleitungen erforderlich, deren Zapfstellen zwischen den Wagenreihen in Abständen von 1420 m anzuordnen sind. Besser noch als diese sind 30 bis 40 cm breite, 20 cm tiefe Rinnen aus Zementbeton, die in der Längsrichtung zwischen je 2 Wagenreihen meist etwas höher als Fußbodenoberkante verlaufen und mit fließendem Wasser gefüllt sind. In diese können die Wagenreiniger an jeder beliebigen Stelle ihre Besen eintauchen. Ganz entbehrlich werden durch diese Rinnen die Zapfstellen allerdings nicht, weil Wasser auch zur Reinigung des Innern der Wagen in Eimern entnommen und Sprengschläuche angeschlossen werden müssen. Zur Entstaubung der Wagen mit Polsterklassen werden Druckluftleitungen vorgesehen. Doch sollte man diese besser nicht im Schuppen, sondern an den Abstellgleisen im Freien anbringen, um die Schuppen nicht zu verschmutzen. Ebenso empfiehlt es sich wegen des unangenehmen Geruches die Leitungen und Zapfstellen für Leuchtgas außerhalb der Schuppen anzuordnen.[254] Um die elektrischen Sammler aufzuladen, bedürfen die Schuppen auch entsprechender Leitungen und Anschlußdosen.
Die gründliche Entseuchung (s. Desinfektion, Bd. III) der Wagen mit Polsterklassen wird in den Werkstätten vorgenommen.
Als Beispiel diene der in Abb. 102 u. 103 dargestellte W. der Zugbildungsstation Lichtenberg-Friedrichsfelde nebst Einzelheiten der Arbeitsgrube (Abb. 104 u. 105) (allerdings ohne Schlitz für die Heizrohre).
e) Nebenanlagen.
Zu den Nebenanlagen der Reinigungsschuppen gehören das Kesselhaus mit der Heiz- und Warmwasserbereitungsanlage, Dienst-, Aufenthalts- und Waschräume sowie Aborte für die Schuppenbediensteten. Hierzu treten meist noch kleine Werkstätten für Schlosser, Dreher, Glaser, Sattler und Maler mit Lagern für Stoffe und Ersatzteile. Die Ausbesserungsschuppen werden meist mit einer vollständigen Betriebswerkstätte verbunden. Die gesamten Nebenanlagen werden in Anbauten an den Wagenschuppen untergebracht, die bei einseitig zugänglichen Schuppen an der der Torwand gegenüberliegenden Giebelwand, sonst an der einen Längswand ihren Platz finden. In diesem Fall ist besonders für ausreichende Lichtzuführung mittels Oberlichtes zu sorgen (s. unter d).
f) Wagenschuppen für elektrische Triebwagen oder Züge mit Triebgestellen.
Bei diesen ist, soweit es sich nicht um Sammlertriebwagen handelt, dafür zu sorgen, daß die Einrichtung zur Zuführung des Triebstroms die Schuppenbediensteten nicht gefährdet. Die Oberleitung bzw. die dritte Schiene wird daher meist nicht in den Schuppen eingeführt, sondern der Strom mittels besonderer Hilfsvorrichtungen den Wagen zugeleitet.
Die Ausrüstung der etwa vorhandenen Werkstatt hat sich nach den Bedürfnissen des elektrischen Betriebes zu richten; auch sind besondere Prüfleitungen zur Prüfung der elektrischen Einrichtungen vorzusehen.
Literatur: C. Cornelius, Handbibliothek für Bauingenieure, Eisenbahnhochbauten, S. 72 ff., Berlin 1921, Julius Springer. Eis.-T.d.G., Eisenbahnbau, 3. Abschnitt, II. Teil, Bahnhofhochbauten, S. 999 ff., 2. Aufl. Wiesbaden 1914, C.W. Kreidels Verlag. Ebenda auch Einzelheiten über Schuppentore und Fenster im Abschnitt über Lokomotivschuppen. M. Oder u.O. Blum, Abstellbahnhöfe, an verschiedenen Stellen des Abschnitts II, B und C. Berlin 1904, Verlag Wilhelm Ernst u. Sohn. Für historische Studien: Dr. Eduard Schmitt, Bahnhöfe und Hochbauten auf Lokomotiveisenbahnen, Leipzig 1882, Verlag Arthur Felix. II. Teil, 5. Kap., S. 299 ff.
Reuleaux.
Buchempfehlung
In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro