[1332] 2. Die Wage, plur. die -n, ein altes Wort, in welchem der Begriff der Bewegung der herrschende ist, der doch sehr frühe auf besondere Arten und Fälle eingeschränket worden. Es bedeutet,
1. * im weitesten Verstande, Bewegung überhaupt, eine längst veraltete Bedeutung, wovon sich nur noch eine Spur im Notker findet, wo es Ps. 65, V. 9. heißt: Vnde in uuaga ne liez er mine fuozze, wo es die Lateinische Übersetzung giebt: et non dedit in commotionem pedes meos; wenn nicht Notker hier vielmehr das vorige Wort Wage, Gefahr, im Sinne gehabt hat.
2. In engerer Bedeutung, so daß der Begriff der gleichförmigen Bewegung und des Gleichgewichtes der herrschende ist. (1) Das Gleichgewicht; ohne Plural. So sagt man noch, einander[1332] die Wage halten, das Gleichgewicht, d.i. von gleicher Stärke, Güte, Werthe u.s.f. seyn. Ehedem war es in dieser Bedeutung häufiger.
Herr so trett auf diesen plock do
Unnd mest hinaus in freyen tag
Anderhalb schuch, in der wag
Müst ihr euch aber halten vest;
d.i. im Gleichgewichte,
heißt es imTheuerdanke Kap. 28.
Tewrdank sich bald aus seiner Kraft
Schwang mit den Füssen in den tag
Durch dasselb er gewann die wag
Und begreif den felsen wider
Mit den eisen,
Theuerd. Kap. 56.
In einer gleichfalls ungewöhnlichen Bedeutung gebraucht es Kanitz, wenn es bey ihm heißt:
Mein Mittag ist dahin, der ohngefähr die Wage
Des kurzen Lebens hielt,
d.i. welcher ungefär die Mitte meines kurzen Lebens war; wo er die obige R.A. jemanden die Wage halten, mißverstanden zu haben scheint. (2) Ein gewisses Werkzeug, in welchem der Begriff des Gleichgewichtes der herrschende ist, wo es besonders in drey Fällen gebraucht wird. (a) An einem Wagen ist es ein um einen Mittelpunct beweglicher Hebel auf der Deichsel, an welchem die Pferde vermittelst der Ortscheite oder Schwängel, ziehen; weil sie dazu dienet, die gleichförmige Kraft des Zugviehes sowohl daran zu erkennen, als auch vermittelst derselben zu befördern. So hat man einspännige und zweyspännige Wagen; ferner eine Vorderwage und Hinterwage, von welchen die erstere auch die Riemenwage, ingleichen die Vorlegewage genannt wird. In dieser Bedeutung lautet das Wort im Niederdeutschen die Wacht, und in einigen Oberdeutschen Gegenden die Woge, im Slavonischen Waha. In manchen Gegenden wird sie auch der Ebener genannt, gleichfalls um des Gleichgewichtes willen. (b) In den Wasserkünsten im Bergbaue ist die Wage derjenige um einen Mittelpunct bewegliche Hebel, welcher den Wasserkasten trägt, und zwischen vier Standsäulen auf- und absteiget. (c) Ein Werkzeug, einen Körper zu wiegen, d.i. die unbekannte Schwere eines Körpers vermittelst der bekannten eines andern zu erforschen; in welchem Falle die Wage gleichfalls ein Hebel ist, an dessen einen Arm die bekannte, und an den andern die unbekannte Schwere angebracht wird. Dahin die Goldwage, Schnellwage, Heuwage, u.s.f. Etwas auf die Wage legen, auf der Wage wiegen. Die Wage des Schicksals. Die Wage am Himmel, eines der zwölf Zeichen des Thierkreises. Figürlich wird auch der Ort, wo eine öffentliche Wage unterhalten wird, die Wage genannt. In einer etwas veränderten Bedeutung heißen auch Werkzeuge, vermittelst deren die horizontale oder senkrechte Stellung, ingleichen das Verhältniß einer Linie gegen die vier Haupttheile der Welt, erforschet wird, Wagen: wohin die Bleywage, die Wasserwage, und die Wage der Markscheider im Bergbaue gehören. (3) Ein gewisses bestimmtes Maß der Schwere, ein bestimmtes Gewicht, welches sich doch nicht an allen Orten gleich ist, und nach welchem auch nur gewisse Körper, besonders das Eisen, bestimmt werden. Eine Wage Eisen ist in Obersachsen zwey Stein, oder 44 Pfund. An andern Orten hält die Wage 120, und wohl gar 165 Pfund.
Anm. In der Bedeutung eines Werkzeuges zum Wiegen schon im Isidor und Notker uuagu, uuago; im Niedersächsischen gleichfalls Wage. In der ersten weitesten Bedeutung gehöret das Wort zu wegen in bewegen, in den folgenden engern aber zu wägen und wiegen, S. diese Wörter. In einigen Gegenden bedeutet Wage auch die Unruhe in einer Uhr, in welchem Falle es[1333] gleichfalls zu der allgemeinsten Bedeutung der Bewegung zu gehören scheinet. Man hat dieses Wort lange mit einem doppelten a Waage geschrieben; aus einem mir zur Zeit noch unbekannten Grunde, man müßte es denn dadurch von Wagen, currus, haben unterscheiden wollen, welcher Unterschied doch sehr unnöthig ist, indem sowohl das Geschlecht, als die Endsylbe, Unterschiedes genug sind. Da Wagen, currus, wagen, audere, und Wage, libra, alle Eines Stammes sind, so müssen sie auch auf einerley Art geschrieben werden.
Adelung-1793: Wage (1), die · Probier-Wage, die · Gradir-Wage, die
Brockhaus-1911: Schwedische Wage · Römische Wage · Wage [2] · Wage · Mohrsche Wage · Chemische Wage · Chameroy-Wage · Hydrostatische Wage · Dänische Wage
Herder-1854: Wage · Chemische Wage
Lueger-1904: Münzplattensortiermaschine, -wage · Wage [1] · Wage [2] · Hydrostatische Wage · Markscheiderklammer, -schnur, -wage · Münzensortiermaschine, -wage
Meyers-1905: Mohrsche Wage · Magnetische Wage · Schwedische Wage · Wage [2] · Wage [1] · Chameroy-Wage · Aërostatische Wage · Dänische Wage · Lloydsche Wage · Hydrostatische Wage
Pierer-1857: Wage [1] · Wage [2] · Chemische Wage · Aërostatische Wage · Französische Wage · Hydrostatische Wage
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