Wage [2]

[295] Wage (hierzu Tafel »Wagen« mit Text), Instrument zur Bestimmung des Gewichts eines Körpers. Hebelwagen bestehen hauptsächlich aus Hebeln, und zwar wird der gleicharmige Hebel bei der gemeinen W., der ungleicharmige bei der Schnellwage, der Winkelhebel bei der Zeigerwage angewendet; bei den Federwagen hingegen bestimmt man das Gewicht des Körpers aus der Größe der Formveränderung, die er an einer elastischen Stahlfeder hervorbringt. Bei der gewöhnlichen oder Krämerwage dreht sich der gleicharmige Wagebalken um eine in der Mitte seiner Länge liegende Schneide; seine beiden Arme müssen genau gleich lang sein, weil die W. nur in diesem Falle richtige Angaben liefert. Der Wagebalken muß sich unbelastet und bei gleicher Belastung beider Schalen horizontal einstellen. Dies geschieht nur dann, wenn der Schwerpunkt der W. (des Balkens, der Schalen und Zubehör) vertikal unter der Drehungsachse liegt. Die Empfindlichkeit der W., d. h. die Eigenschaft, schon durch kleine Gewichtsunterschiede die horizontale Lage des Balkens wesentlich zu ändern, erreicht man dadurch, daß man ihr lange Arme gibt, die Abstände des Schwerpunktes von der Drehachse und von der geraden Linie, welche die Aufhängepunkte der Schalen miteinander verbindet, recht klein macht, das Gewicht des Wagebalkens auf ein Minimum herabsetzt, die Summe der abzuwägenden Gewichte verhältnismäßig nicht groß nimmt und Reibung soviel wie möglich vermeidet. Zu letzterm Zweck hängt man Balken und Schalen mittels Messerschneiden auf, die auf ebenen Flächen (in Pfannen) spielen. Den Empfindlichkeitsgrad einer W. beurteilt man durch Angabe eines echten Bruches (Empfindlichkeitsquotient), der das geringste noch einen Ausschlag gebende Gewicht zum Zähler und die einseitige Last zum Nenner hat. Zur Sicherung des Handels müssen alle im öffentlichen Verkehr benutzten Wagen geeicht werden. Bei gröbern Wagen betrachtet man die Wägung als beendet, wenn die Zunge senkrecht steht, der Wagebalken zur Ruhe gelangt ist; bei seinen Wagen bewegt sich das Ende der Zunge vor einem Bogen mit Teilung, und man betrachtet die Wägung als beendigt, wenn die Zunge nach rechts und links gleich stark ausschlägt. Auch die für exakte wissenschaftliche Zwecke benutzten Präzisions- und Analysenwagen sind gleicharmige Hebelwagen. Sie stehen in Glaskasten, und man wägt bei verschlossener Tür der letztern. Ein von außen zu regierender Mechanismus gestattet den Wagebalken zu arretieren, d. h. die Schneiden des Balkens und der Gehänge zur Vermeidung unnötiger Reibung ein wenig über die Pfannen emporzuheben, und nur wenn dies geschehen ist, legt man Gewichte auf oder hebt sie ab. Der Wagebalken ist in eine Anzahl Abschnitte geteilt, oder er trägt einen geteilten Maßstab, das Reiterlineal; auf die einzelnen Teilabschnitte werden von außen mittels eines Glasstabes, der durch eine Glaswand hindurchgeht, kleine Reitergewichte in Hufeisenform aus dünnem Platin- oder Aluminiumdraht gesetzt. Ein Reiterchen, das genau 0,01 g wiegt, gibt, wenn man es auf den 1., 2., 3. Teilstrich, von der Mitte an gerechnet, hängt, denselben Ausschlag, als wenn man in die Schale 1, 2, 3 mg gelegt hätte. Bei manchen von diesen Wagen wird bei Totalbelastung von 2 kg ein noch hinlänglich sichtbarer Ausschlag durch 1 mg hervorgebracht, doch sind auch Wagen konstruiert worden, die bei 2 kg Totalbelastung noch[295] mit 0,1 mg einen sichtbaren Ausschlag gaben. Das Ablesen der Schwingungen erfolgt bei den feinsten Wagen mit Hilfe einer Lupe oder eines Fernrohrs. Den höchsten Grad von Genauigkeit erzielte Jolly durch Ablesung mit Spiegel und Skala.

Fast alle feinern Wagen sind mit Einrichtungen versehen, die durch Hinaufschrauben eines Laufgewichts die Herstellung der gewünschten Empfindlichkeit ermöglichen. Das übliche Verfahren, so lange Gewichte auszulegen oder den Reiter zu verschieben, bis die Zunge der W. gleichweite Schwingungen nach beiden Seiten von der Nullage macht oder gar auf den Nullpunkt einsteht, findet bei genauern Wägungen keine Anwendung, sondern man ermittelt aus mehreren Schwingungen die Gleichgewichtslage der W. bei einer gewissen Belastung und hierauf den Ausschlagswinkel, den ein kleines der einen Belastung zugefügtes Übergewicht (Empfindlichkeitsgewicht) von bekannter Größe hervorruft. Hierauf wird zur Vermeidung des Fehlers, der durch ungleiche Länge der Wagebalkenarme entsteht, eine Vertauschung der Belastungen beider Wageschalen vorgenommen und die neue Gleichgewichtslage ermittelt, die Abweichung dieser von der ersten Gleichgewichtslage kann mit Hilfe des vorher bestimmten Ausschlagswinkels für ein bestimmtes Gewicht umgekehrt in Gewicht umgerechnet werden, wodurch die Differenz der beiden Belastungen festgestellt wird.

Da jeder Körper in der Luft nach dem archimedischen Prinzip einen Auftrieb erfährt, dessen Größe gleich dem Gewichte der von ihm verdrängten Luftmenge ist, so ist es notwendig, das Ergebnis einer exakten Wägung auf den luftleeren Raum zu reduzieren, und hierzu bedarf man der Kenntnis des Volumens der zu vergleichenden Körper. Die Volumenbestimmung geschieht durch Ausmessung (bei regelmäßig gestalteten Körpern) mittels des Volumenometers oder der hydrostatischen W. Bei Wägungen, deren Genauigkeit nicht bis zu der äußersten Grenze getrieben zu werden braucht, genügt es dann in vielen Fällen, ein mittleres Luftgewicht (für 45° Breite und 16° beträgt z. B. in Meereshöhe das Gewicht von 1 Lit. Luft 1,21 g) anzunehmen, während bei Wägungen ersten Ranges, zu deren Ausführung auch noch besondere Wagen, die vom Beobachter aus größerer Entfernung bedient werden und eine automatische Vornahme aller erforderlichen Operationen gestatten, benutzt werden, das Luftgewicht aus einer ganzen Reihe von Faktoren, wie Barometerstand, Temperatur, Feuchtigkeits- und Kohlensäuregehalt der Luft, ermittelt werden muß. Bei der Vergleichung eines Platinkilogramms mit einem Messingkilogramm erleidet das letztere wegen der verschiedenen Dichte der beiden Substanzen einen Luftauftrieb, der um rund 90 mg größer ist als der des Platinkilogramms, so daß also das betreffende Messingstück in der Luft gewogen um 90 mg leichter erscheint als das Platinstück von gleicher Masse; nach beiden Seiten hin kann die Veränderung des mittlern Luftgewichts bis zu einem Zwanzigstel betragen, wodurch eine Unsicherheit von mehreren Milligrammen entsteht. Ein Temperaturunterschied von nur 0,02° zwischen beiden Armen des Wagebalkens aus Messing bedingt bei einer Belastung von 1 kg schon einen Fehler von 0,36 mg, während für genaue wissenschaftliche Arbeiten das Gewicht eines Kilogramms bis auf 0,01 mg bestimmt gefordert wird.

Näheres über den Bau von Präzisionswagen s. beifolgende Tafel mit Text.

Für Verkaufslokale benutzt man vielfach Tafelwagen, bei denen der oder die Wagebalken unter den Schalen liegen, welch letztere auf senkrecht stehenden Stäben befestigt sind und bei ihrer Bewegung genau oder angenähert parallel geführt werden. Bei den Läuferwagen (Laufgewichtswagen) kann man die Wägung mit einem einzigen Gewicht ausführen, wenn man die Länge von dessen Hebelarm zur Herstellung der Gleichgewichtslage verändert. So besteht die Schnellwage (römische W.) aus einem geradlinigen zweiarmigen Hebel, dessen Arme ungleich lang sind. Der Balken dreht sich um eine horizontale Achse und ist an seinem kurzen Arme mit einer in Schneiden aufgehängten Schale oder mit einem Haken versehen, an dem man die zu wägenden Waren befestigt. Auf dem langen, mit einer Teilung versehenen Arm ist ein Laufgewicht beweglich, das so lange verschoben wird, bis der Balken horizontal steht oder eine vertikale Zunge einspielt. Diese W. findet Anwendung, wo es weniger auf Genauigkeit als auf Schnelligkeit ankommt. Vgl. auch Besemer. Von selbst erfolgt die erforderliche Veränderung der Hebel arme bei den Neigungs- oder Reziprokwagen. Hier ist ein konstantes Gewicht mit der W. unveränderlich verbunden und wirkt bei stattfindendem Ausschlag mit wachsendem Moment. Jeder Last entspricht ein bestimmter Ausschlag, der durch einen Zeiger angegeben und nach Gewichtseinheiten abgelesen wird. Die Zeigerwage dient ganz besonders als Garnsortierwage zum Bestimmen der Feinheitsnummern der Garne. Eine andre Form der Zeigerwagen gestattet, den zu wägenden Gegenstand auf ein Plättchen zu legen (Papierwagen, Briefwage). Zum Abwiegen sehr großer Lasten dienen die Brückenwagen, Kombinationen von doppelarmig ungleicharmigen Hebeln, bei denen man gewöhnlich der Last mit einem 10- oder 100mal kleinern Gewicht das Gleichgewicht hält (Dezimal- oder Zentesimalwagen). Näheres über die Konstruktion dieser Wagen s. beifolgende Tafel mit Text.

Die Federwagen beruhen auf der Voraussetzung, daß eine aus Stahl gefertigte Feder ein vollkommen elastischer Körper ist, der durch Formveränderungen innerhalb gewisser Grenzen an seiner Elastizität nichts verliert und mithin nach Entfernung des wirksamen Zuges oder Druckes, den der abzuwägende Körper ausübt, seine ursprüngliche Gestalt wieder annimmt. Dies ist nun strenggenommen niemals der Fall, und da auch die Temperatur von Einfluß ist, so wendet man diese Wagen nur da an, wo in bezug auf die Stärke der Feder nur geringe Lasten abgewogen werden, oder wo die Schnelligkeit des Abwägens von größerer Bedeutung ist als eine sehr strenge Gewichtsbestimmung, wie z. B. beim Verkauf von Heu, Stroh, in der Hauswirtschaft etc. Gewöhnlich befindet sich die Feder in einem Gehäuse, das man mittels eines Hakens aufhängt. An dem einen Ende der Feder hängt die Last, und an dem andern ist ein Zeiger befestigt, der auf einer Skala spielt. Oft liegt auch die Feder in einem Gehäuse unter der Wagschale, so daß letztere ohne Behinderung belastet werden kann. Für besondere Zwecke sind eigentümliche Wagen konstruiert worden, so, abgesehen von den Wagen zur Wägung im luftleeren Raum und den hydrostatischen Wagen zur Bestimmung des spezifischen Gewichts (s. d., Bd. 18, S. 725), die automatischen Wagen zur Sortierung der Münzplättchen (s. Goldwage), die Personenwagen, die nach Einwerfen einer bestimmten Scheidemünze funktionieren etc. Die Bifilarwage ist eine Drehwage (s. d.),[296] bei welcher der Wagebalken statt an einem elastischen Draht an zwei Fäden aufgehängt ist. Die elektromagnetische W. zur Strommessung beruht auf der Anziehungskraft eines stromdurchflossenen Solenoids auf einem an einer W. (z. B. Federwage) hängenden weichen Eisenkern. Vgl. Brauer, Die Konstruktion der W. (3. Aufl. von Lawaczek, Leipz. 1906); Felgenträger, Theorie, Konstruktion und Gebrauch der feinern Hebelwage (das. 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 295-297.
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