Der hanseatische Bund

[166] [166] Der hanseatische Bund. Diese merkwürdige Handlungsgesellschaft, welche nie in der Geschichte ihres gleichen gehabt hat, entstand zunächst aus einem Bündnisse (Hansa), welches die beiden Städte Lübeck und Hamburg im Jahr 1241 zu Sicherung ihres Handels zur See und zu Lande errichteten. Sie wurden hierzu durch die damahlige große Unsicherheit der Meere durch Freibeuter und der Landstraßen durch Fehden und Räubereien, eine Folge des Faustrechts (s. Fehde), bewogen, und rüsteten deßhalb auf gemeinschaftliche Kosten nicht nur eine Flotte sondern auch eine Landmacht aus. Mehrere Handelsstädte fühlten ein ähnliches Bedürfniß, und traten diesem Bündniß sehr bald bei. Braunschweig, welches Verletzung seiner Freiheiten durch seine Fürsten fürchtete, that dieses i. J. 1247; und diesem Beispiele folgten bald mehrere (Rostock, Stralsund u. a. dann Danzig, Stettin u. a. dann Riga, Lüneburg, Bremen u. a. i. J. 1294 Stade, Magdeburg, Halle und Goslar), so, daß der Bund endlich abwechselnd 66, 72, 80, 84, bald mehr bald weniger Städte hatte. Lübeck war gleich anfangs und blieb auch für immer das Haupt und der Versammlungsort des Bundes. Die meisten dieser Städte waren nicht frei, und sind es nie geworden. Allein da überhaupt die Landstädte, wenn sie durch Gewerbe reich waren, über die geldlosen Fürsten dieser Zeit sehr viel vermochten, so hatte ihre Abhängigkeit in die gemeinschaftlichen Unterhandlungen des Bundes, dessen Hauptstädte, insonderheit Lübeck, überdieß schon einer unbestrittenen Freiheit genossen (gegen welche jedoch Dänemark einzelne Versuche machte), wenig Einfluß. Die größte Macht des Bundes zeigte sich zur See; und jemehr die Seemacht damahls überall in den Europäischen Reichen fehlte, desto schneller mußten die hanseatischen Städte diesen furchtbar werden: sie wagten große Dinge gegen auswärtige Mächte, welches den inländischen Fürsten bei der kurzsichtigen Politik derselben sehr gleichgültig war. Es herrschte große Einmüthigkeit in diesem Bunde; doch ging es vorzüglich nach dem Sinn der Seestädte, welche mit einer weitsehenden Handlungspolitik für das Handlungsinteresse in Rücksicht auf allen in- und ausländischen Handel sorgten. Schon in der letzten Hälfte [167] des 13. Jahrhunderts legte der Bund vier große Comptoire, zu London, zu Brügge in Flandern, zu Bergen in Norwegen und zu Novogrod in Rußland, an, wodurch der Handel desselben bald außerordentlich in Flor kam. Auch breitete sich die Schifffahrt desselben bald nach Frankreich, Spanien, Portugal und Italien aus. Er war klug und glücklich in seinen Unterhandlungen mit den entfernten Fürsten, aber auch durchgreifend und geschwind zum Seekrieg entschlossen, wenn es ihm nöthig schien; vorzüglich wurde er oft Dänemark und Schweden furchtbar. Die gänzliche Veränderung des Zustandes der Europäischen Staaten, ihres gegenseitigen Verhältnisses und des Ganges der Handlung waren die Ursachen, die sich vorzüglich gegen das Ende des 16. Jahrhunderts vereinigten, den Verfall dieses Bundes herbeizuführen. Schon am Ende des 15. Jahrhunderts hörten mit dem durch Maximilian I. bewirkten Landfrieden in Deutschland die Fehden auf, welche die Landstraßen unsicher machten, wodurch der Hauptzweck der inländischen Städte bei ihrem Eintritt in den Bund wegfiel. Eine zweite Ursache war der Anfang einer hellern Politik der Fürsten, welche auf die vielen Freiheiten, die sich manche ihrer Landstädte während ihrer Verbindung mit der Hansa angemaßt hatten, eifersüchtig wurden, und diese aus der Hansa zu treten zwangen; hierzu kam, daß sie jetzt nach Einführung eines ordentlichen Steuerfußes und nach Einziehung vieler reichen Stifter der Geldbeiträge nicht mehr so sehr bedurften, auch ihr Ansehen durch den stehenden Soldaten besser behaupten konnten. Die vorzügliche Ursache des Falles der Hansa lag aber darin, daß die mächtigsten Europäischen Fürsten im sechzehnten Jahrhundert die Nothwendigkeit einer Seemacht, die sich auf eigne Schifffahrt gründet, und der Belebung der Handlung ihrer eignen Unterthanen zu fühlen anfingen. Kaiser Carl V. machte den Anfang, indem er seinen Niederländern (welchen die Hansestädte, so lange sie konnten, die Ostsee sperrten und sich ihnen überall in den Weg stellten) alle mögliche Handlungsvortheile zuzuwenden suchte, und darin um so glücklicher war, da ihm der Widerwille der Nordischen Kronen gegen den Bund zu statten kam, vermöge dessen Dänemark den Niederländern die Ostsee öffnete. [168] Eben so sehr war Elisabeth von England bemüht, die Vortheile, welche der Bund in der Englischen Handlung gehabt hatte, zu schmälern und sie ihren Unterthanen zuzuwenden. Indeß gelang es doch vorzüglich Hamburg, welches sich überhaupt bei dem Verfall des Bundes sehr klug betrug (s. Hamburg), die Brittische Handlung so gut nur möglich war an sich zu halten. Mit dieser Politik der mächtigsten Europäischen Mächte steht die Entdeckung von Amerika und die Schifffahrt der Portugiesen nach Afrika in genauer Verbindung. Schon im sechzehnten Jahrhunderte traten daher viele Städte aus dem Bunde, dessen Thätigkeit und Gewerbe in der letzten Hälfte desselben abnahm. Im Jahre 1626 und 1628 veranlaßte Kaiser Ferdinand II. welcher die Absicht hatte, sich der ganzen Ostsee zu bemächtigen (s. Gustav Adolph), eine Zusammenkunft der Städte Lübeck, Hamburg, Rostock u. a. um sie gegen Versprechung großer Vortheile im Spanischen Handel zum Beistand zu der erwähnten Absicht aufzufordern; allein die Furcht vor den Nordischen Seemächten nöthigte sie, diese Gelegenheit, neue Stärke zu gewinnen, vorbei zu lassen. Nachmahls wurde wieder i. J. 1630 ein Hansetag ausgeschrieben; allein viele Städte blieben ganz aus, die übrigen erklärten ihre Abneigung gegen Fortsetzung des Bündnisses: man setzt daher das Jahr 1630 mit Recht als das völlige Ende des großen Bündnisses an. Nur die Städte Lübeck, Hamburg und Bremen erneuerten ihren Bund, und führen seit dieser Zeit allein den Namen der Hansestädte. Diese drei genannten Städte sind noch im Besitz des Deutschen Hofes oder Stahlhofes in London und der Hanseatischen Häuser zu Antwerpen und Bergen. Sie halten auch gemeinschaftlich an jedem dieser Oerter einen Agenten und Hof- und Hausmeister; außerdem halten sie noch zu Berlin, Cadix, Lissabon, Madrid, Mallaga, Paris und Petersburg gemeinschaftlich ihre Agenten und Consuln. Auch wurde i. J. 1662 den Städten Bremen und Hamburg wie auch Danzig die Befreiung von der Englischen Navigationsacte zugesichert (s. die Navigationsacte). »Die Auflösung der Hansa – sagt Runde – datirt den Verfall der Deutschen Handlung; Finanzkünste und militairischer Geist hätten sie völlig zu Grunde gerichtet, wenn ihr [169] nicht die Freiheit einiger Reichsstädte Zuflucht und Gedeihen verschasst hätte«

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 166-170.
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