[154] Thüringen, ein Land, das so innig mit unserm Vaterlande verknüpft ist, verdient wohl auch einer kurzen Erwähnung seiner merkwürdigen Geschichte, welche in ihrer ältesten Periode eben so viel Ungewisses, wie die meisten ähnlichen Länder, hat. Wahrscheinlich verbreiteten sich die Katten, deren Hauptsitz in Hessen war, auch über einen Theil von Thüringen, den sie aber im 3. Jahrhunderte wieder andern Völkern Preis gaben, bis endlich ein Westgothischer Völkerstamm sich da niederließ: und so kommen die Thüringer, nachdem der Fränkische König Klodio 438 einen Theil ihres Landes erobert hatte, in der Mitte des 5. Jahrhunderts unter den Völkern vor, welche Attila nach Gallien führte; auch mußten sie wohl von dieser Zeit an einen Theil des heutigen Frankens bewohnen. Nach und nach erhielt ihr Reich eine solche Erweiterung, daß es sich in dem folgenden Jahrhunderte gegen S. bis an die Donau, gegen W. bis ans Rheinische Franken, gegen O. bis an die Böhmischen und Meißnischen Wenden, und gegen N. bis ans Gebiet der Sachsen erstreckte. Damahls wurden sie von erblichen Königen, jedoch nicht unumschränkt, und die einzelnen Stämme der Nation wieder von einzelnen Heerführern regiert, aus welchen sich nachher der so genannte Herren- oder Dynasten-Stand bildete. – Einer der Thüring. Könige, Hermanfried, wurde, nachdem er auf Anstiften seiner Gemahlin, Amalberg, seine Brüder ermordet hatte, nun von dem Fränkischen Könige Theodorich, der zum Lohn für seinen Beistand einen Theil von Thüringen verlangte, mit Krieg überzogen, verlor 527 die höchst unglückliche Schlacht bei Runniberg an der Unstrut, und nach seiner Ermordung erhielten nun die Sachsen zum Lohn für ihren Beistand das zwischen der Unstrut und dem Harz gelegene Nord-Thüringen, und das Thüringische Königreich wurde großen Theils den Fränkischen Königen [154] unterworfen, welche nun einzelne Gaugrafen in Thüringen einführten; die Grafschaften wurden in Centen (kleine Gerichtssprengel) eingetheilt. Thüringen, den häufigen Anfällen der Avaren und Wenden ausgesetzt, machte endlich Dagobert I. 630 zu einem Herzogthum; aber der erste Herzog, Radulf, nöthigte, nach mehreren Siegen gegen die Wenden, die Franken selbst, Thüringen zu verlassen. Einer der folgenden Herzoge, Gotzbert (nachher Theobald), ließ sich zwar, durch den heil. Kilian bewogen, 681 taufen; dennoch aber verzögerte des Letztern Ermordung die Bekehrung der Thüringer, bis endlich durch Winfrieds (Bonifaz) Eifer das Christenthum auch in Thüringen mehr verbreitet, die heidnischen Götzen zerstört, Kirchen und Klöster angelegt, und dasselbe zuletzt (745) mit dem Mainzer Kirchsprengel verbunden wurde. Bei den darauf erfolgten Einfällen der Sorben vereinigte Ludwig der Deutsche Thüringen, das seit 716 als Herzogthum ganz erloschen war, wieder unter einem Herzog, Dachulf: da aber dieser nur über den an das Sorben-Land grenzenden Theil gesetzt wurde, so schränkte sich nun der Name Thüringen auch bloß auf diesen ein; der übrige Theil des alten Thüringens aber wurde zu Franken gezählt. In der Folge erhält Herzog Otto von Sachsen Thüringen; und dessen Sohn, Heinrich I. unter welchem es (919) in ein unmittelbares, vom König allein abhängiges Reich verwandelt wird, legt, nach abgeschlossenem Waffenstillstande mit den das Land so oft verwüstenden Ungarn, feste Oerter – Städte oder Burgen – an, und befreit dadurch das Reich auf immer von diesem Erbfeinde Deutschlands.
Von einer Markgrafschaft in Thüringen finden sich unter Otto II. Spuren, mit welcher Eccard I. 982 die Mark Meißen verband. Außer mehreren Streitigkeiten mit dem Erzbischof von Mainz über die Entrichtung des Zehenten, war auch besonders wichtig der Kampf mit Heinrich IV. welcher die Thüringer, wie die Sachsen, ganz zu unterjochen suchte. Anfangs in die Enge getrieben, gestand er (1074) alle Bedingungen zu; allein bald überfiel er bundbrüchig jene an der Unstrut, erfocht einen völligen Sieg, und ganz Thüringen ward nun der Gegenstand der feindseligsten Behandlung, [155] die erst bei dem nachher allgemeiner werdenden Bürgerkriege ihre Endschaft erreichte. Uebrigens spielte bei allen diesen Unruhen Ludwig der Springer, einer der mächtigsten Thüring. Grafen und Dynasten, merkwürdig durch Anlegung der Wartburg (1067), der nachherigen Residenz der Thüring. Landgrafen, und der Städte Eisenach, Freiburg etc. eine bedeutende Rolle. Gegen Ende des 11. Jahrh. wo, nach Bezwingung der meisten Wendischen Volker, die Spuren der Thüring. Markgrafschaft ganz verschwinden, kam die landgräfliche Würde auf, zu welcher sich unstreitig Kaiser Heinrich IV. bei den häufigen Empörungen der Thüringer entschloß, um die Grafen und Dynasten des Landes dadurch unter Aufsicht zu halten. Ludwig II. der Strenge (auch, weil er aus Vorsicht gegen den ihn hassenden Adel einen eisernen Panzer trug, der Eiserne genannt), machte sich durch seine enge Verbindung mit dem Hohenstaufischen Hause und Kaiser Friedrich I. durch Entscheidung bedeutender Händel in Deutschland wichtig. Ludwig der Fromme, vom Kaiser mit der Pfalzgrafschaft Sachsen begnadigt, wurde sowohl durch Heinrichs des Löwen Achtserklärung, als auch sonst in stete Händel verwickelt; nicht minder sein nachfolgender Bruder, Herrmann, welcher, ungeachtet König Heinrich VI. Thüringen als eröffnetes Reichslehen an sich zu ziehen trachtete, im Besitz der Landgrafschaft blieb, aber durch viele Fehden und Händel wegen der Kaiserwahlen, in die er sich hineinziehen ließ, Thüringen sehr großen Verwüstungen (1204 bis 1212) aussetzte. Er starb 1216, verdient durch seine Vorliebe für die Wissenschaften (an seinem Hofe bildete sich eine Dichter-Akademie, deren Mitglieder zu den berühmten Minnesängern gehörten (s. dies. Art.). Unter seinen Nachfolgern machte Heinrich Raspe – der 1227 seines Bruders, Ludwigs IV. des Heiligen, Witwe, Elisabeth, zwar vertrieb, welche aber nach ausgeglichener Sache Marburg zum Leibgedinge erhielt, wo sie durch übertriebene Kasteiungen sich den Ruf einer Wunderthäterin zuzog, und nach ihrem Todte (1231) für eine Heilige erklärt wurde –, erst als Vormund des jungen Herrmann, dann nach dessen Todte als einziger Erbe des landgräfl. [156] Stammes, sich um die Ruhe des Landes durch Zerstörung mehrerer Raubschlösser verdient, und seine Regierung merkwürdig, theils als Reichsverweser 1242 von Friedrich II. ernannt, theils, daß er, auf dringende Anregung und Unterstützung des Papstes, als Gegner desselben Friedrichs 1246 zu Wirzburg selbst zum König – wegen der Bemühungen der Geistlichkeit Pfaffenkönig genannt – gewählt wurde; allein, in der Folge weniger glücklich, zog er sich in seine Erblande zurück, wo er 1247 starb. Heinrich der Erlauchte, Markgraf von Meißen, setzte sich nun wegen einer Eventualbelehnung sogleich im Besitz von Thüringen und der Sächsischen Pfalz, welchen er auch nach langen Fehden mit Sophie von Brabant zu behaupten wußte, indem diese und ihr Sohn, Heinrich das Kind, in dem Frieden 1265 auf Thüringen Verzicht leisten mußten: und seitdem haben auch die Markgrafen von Meißen (nachher Churfürsten von Sachsen) Thüringen immerfort besessen.
Bei der Theilung Heinrichs des Erl. erhielt Albert der Unartige, als ältester Sohn, Thüringen nebst der Pfalzgrafschaft Sachsen. Dieser – der so gar, durch die Buhlerin Kunigunde von Eisenberg verleitet, seine Gemahlin, Margarethe, aus dem Wege wollte räumen lassen, welche aber, durch den Mörder selbst gewarnt, von der Wartburg entfloh, und beim Abschied ihren Liebling Friedrich in die Wange biß, daher auch dessen Name, der Gebissene – gerieth in anhaltende Kriege mit seinem Bruder Dietrich; noch schrecklicher war der 1281 ausgebrochene Krieg, zwischen Albert und seinen eignen Söhnen, Friedrich und Dietrich dem jüngern, deren Erbitterung über das Schicksal ihrer unglücklichen Mutter noch höher stieg, als Albert die Buhlerin sich antrauen ließ, und dem mit ihr erzeugten Apitz die Erbfolge zuwenden wollte. Der Vater, endlich 1289 zum Frieden genöthiget, suchte nun das Erbrecht seiner Söhne durch häufige Veräußerungen zu schmälern, die dann zu vielen Kriegen Veranlassung gaben. Aus einer solchen Veräußerung der Landgrafschaft Thüringen an den Römischen König, Adolf von Nassau (1291), entstand 1294 ein verheerender Krieg, der mit des Letztern Ermordung [157] endete: worauf auch Albert zwar mit seinen Söhnen sich wieder aussöhnte; indessen bemächtigte sich bei neuen Mißhelligkeiten Friedrich der Wartburg, und entsetzte seinen Vater der Regierung. Nach Dietrichs meuchelmörderischer Ermordung in der Thomaskirche zu Leipzig (1307) endete der langwierige Krieg über Alberts († zu Erfurt 1314) Länder-Verkauf; und Friedrich der Gebissene wurde auch 1310 vom Kaiser Heinrich VII. als rechtmäßiger Herr von Meißen und Thüringen anerkannt, starb aber zuletzt, 1324, in voller Schwermuth. Sein Sohn, Friedrich der Ernsthafte, schlug 1348 die ihm angetragene Deutsche Kaiserkrone aus, und starb zu früh, 1349, mit dem Ruhme eines thätigen, tapfern Fürsten.
Bis hieher bestanden die Meißnischen Länder immerfort aus drei Hauptheilen: der Mark Meißen, der Landgrafschaft Thüringen, und dem Osterlande; und obgleich die Söhne in Gemeinschaft blieben, so hatte doch jedes seine eigenthümliche Verfassung in Ansehung ihrer besondern Landtage, Gerichte etc. Nach Friedrichs des Strengen Absterben aber (1381) wurde, da die Gesammt-Regierung bei den zu vielen Theilnehmern zu schwierig ward, eine völlige Erbtheilung vorgenommen, wodurch die Thüringische Linie an Balthasar, und darauf bei einer abermahligen Theilung Thüringen und die meisten Stücke des Osterlandes an Herzog Wilhelm III. kamen. Ohne des höchstverderblichen Bruderkriegs zwischen diesem und Friedrich dem Sanftmüthigen (von 1446 bis 51), und des dabei veranlaßten Prinzenraubs (m. s. in den künf. Nachtr. den Art. Kunz von Kauffungen) zu erwähnen, ist für Thüringen die Landes-Ordnung Herz. Wilhelms III. merkwürdig, wodurch unter andern alle Berufungen an auswärtige Gerichte, alle Eingriffe der geistlichen Gerichte in die weltlichen verboten, und der Landfriede durch Aufhebung des leidigen Faustrechts – des größten Uebels des Mittelalters – befestigt wurde. – Gleich merkwürdig ist die Theilung zwischen Ernst und Albert, denen 1482 Thüringen zufiel, zu Leipzig 1485 in den Meißnischen und Thüringischen Haupttheil. Den letztern, zu welchem die Fränkischen und Vogtländschen Besitzungen, mit Inbegriff einiger Meißnischen Aemter und des [158] ehemahl. Oster- und Pleißner-Landes, gerechnet wurden, erhielt, da Albrecht als jüngerer die Meißn. Lande wählte, Churf. Ernst, freilich zu seinem bis an den Tod (1486) fortdauernden Mißvergnügen (s. Sachsen, Th. V. S. 12.). Sein Sohn, Friedrich der Weise – ausgezeichnet durch seine Kenntnisse, seinen Einfluß als Reichsvikar (1496) und als General-Statthalter im ganzen Reiche (1507), als Stifter der Universität Wittenberg (1502), wo Luthers Reformation begann (s. Th. V. S. 13.) –, starb, nachdem er selbst die angetragene Kaiserwürde (1519) ausgeschlagen hatte, 1525 mit dem Rufe eines der trefflichsten Regenten, Beschützers der Wissenschaften, eines klugen Fürsten und Vaters seiner Unterthanen. Sein Bruder, Johann der Beständige, welcher 1527 eine wichtige Kirchen-Visitation anordnete, und als eifriger Beschützer Luthers, auch bei dem höchsten Unwillen Kaiser Carls V. die größte Standhaftigkeit zeigte, wurde 1530 nebst dem Landgrafen v. Hessen zum Haupte des Schmalkaldischen Bundes (s. dies. Art.) gewählt, und, wichtig durch seinen Einfluß auf die nachherigen Religions-Friedens-Unterhandlungen, hinterließ er bei seinem Tode (1532) den Nachruhm eines muthigen, standhaften, vielleicht nur gegen die Theologen zu nachgiebigen, Fürsten. Unglücklicher war sein Sohn, Johann Friedrich, der die Begünstigungen Luthers und der Protestanten fortsetzte, aber als Haupt eines Bündnisses gegen den Kaiser in die Acht erklärt wurde, indem zugleich sein Vetter, Herzog Moritz von Sachsen, zur Vollstreckung der Reichsacht beauftragt, 1546 in des Churfürsten Lande einfiel, welcher dann in der Schlacht bei Mühlberg 1547, trotz der äußersten Gegenwehr, verwundet, sich gefangen geben mußte, worauf durch die bekannte Wittenberger Capitulation Herzog Moritz die Chur und die meisten Länder Friedrichs erhielt: und so kam die Churwürde von der Ernestinischen auf die Albertinische Linie, welche dadurch zugleich in die Classe der mächtigsten Deutschen Fürsten erhoben wurde. Der unglückliche Johann Friedrich erhielt erst nach Abschließung des Passauer Vertrags, 1552, seine Freiheit: indessen wurde doch seinen Söhnen durch den Naumburger Vertrag [159] (1554) ein Theil der Thüringischen Besitzungen wieder zugestanden; und aus diesem Antheile (wozu nachher noch das Altenburgische kam) entstanden die verschiedenen Länder-Besitzungen der Ernestinischen Linie. Am Tage der Unterschrift (3. März) starb Johann Friedrich an seinem Hofe zu Weimar – ein Fürst, der durch strenge Rechtschaffenheit, Eifer für die protestantische Religion und Standhaftigkeit bei seinen vielen Leiden bohe Bewunderung nach sich zog. Auch verdient er als Stifter der Universität Jena – der ersten protestantischen Akademie in Deutschland, und der einzigen protest. in Thüringen – noch eine dankbare Erwähnung (s. Jena, Th. II. S. 264.). Den ansehnlichen Theil Thüringens, welchen Churf. Moritz nun für sich behielt, vereinigte er unter dem Namen des Thüringischen Kreises mit Chur-Sachsen.
Was nun die Länder der Ernestinischen Linie betrifft, so erfolgten von 1566 an mehrere Theilungen und Seitenlinien, woraus anfangs eine Weimarische und Coburgische, nachher eine Altenburgische – eine Eisenachische – eine Gothaische Linie entstanden, bis zuletzt sich das Ernestinische Haus in Thüringen 1645 durch Herzog Johanns Söhne, Wilhelm und Ernst, hauptsächlich in die Weimarische und Gothaische Linie sonderte, welche auch gegenwärtig noch fortdauern. Jene, die ältere oder Weimarische, beruht seit 1741 (wo die Eisenachische Seitenlinie ausstarb) nur noch auf einer einzigen Linie, und hat sonach die Fürstenthümer Weimar und Eisenach; die jüngere oder Gothaische aber hat gegenwärtig noch Vier Zweige, nehmlich Gotha, welches das Fürstenth. Gotha und den größten Theil von Altenburg, auch noch einiges von Coburg, Meiningen, das einen Theil von Coburg, Hildburghausen, das einen andern Theil desselben Fürsteuthums Coburg, und endlich Saalfeld, welches mehrere Antheile an den Fürstenthümern Altenburg und Coburg besitzt.
Mit Uebergehung einzelner Vorfälle – z. B. der Grumbachischen Händel (s. Grumbach), der fürchterlichen Pest 1607, der Thüring. Sündfluth [160] 1613 u. d. m. gedenken wir nur noch des dreißigjährigen Kriegs (s. dies. Art. Th. 1. S. 362.), den auch das arme Thüringen mit allen seinen schrecklichen Folgen so ganz empfinden mußte. Die fürchterlichen Plünderungen und Verwüstungen bei Tillys Einfalle zerrütteten das Land eben so sehr, als es nachher den schrecklichen Verheerungen der Truppen Wallensteins ausgesetzt wurde; und obgleich Gustav Adolph mehrere Mahl als Thüringens Retter erschien, so blieb doch das unglückliche Land, zumahl nach des großen Helden Todte, der vornehmste Schauplatz der wüthendsten kriegerischen Auftritte. Nach der unglücklichen Schlacht bei Nördlingen (1634) wurde nun nach dem Prager Frieden (1635) Thüringen von den Schweden, seinen vorigen Vertheidigern, aufs feindseligste behandelt. Der große Herzog Bernhard von Weimar, der, immer noch der Sache der Protestanten getreu, jetzt, von Frankreich unterstützt, der gefährlichste Feind des Kaisers war, starb, als einer der ersten Helden, den Thüringen jemahls hervorgebracht, mitten in seinen Siegen 1639, wahrscheinlich an beigebrachtem Gift! Das arme Thüringen wurde von den unzähligen Durchzügen feind- und freundlicher Truppen nur erst durch den Westphälischen Frieden frei.
Was übrigens das Chursächsische Thüringen anlangt, so theilte Churf. Joh. George I. das Land unter seine Söhne, wodurch Drei regierende Neben-Linien entstanden: 1) die Weißenfelsische, welche den zweiten Sohn, Herzog August, zum Urheber hatte. Dieser, bereits Administrator des Erzstifts Magdeburg, erhielt den größten Theil des Chursächs. Thüringens, und die Linie dauerte bis 1746, wo sie an das churfürstliche Haus zurückfiel; 2) die Merseburgische Linie bekam der dritte Sohn, Herz. Christian, Administrator des Stifts Merseburg, dessen männliche Nachkommenschaft 1738 erlosch, wo dieser Antheil auch an Chursachsen zurückkam; 3) die Naumburg-Zeitzische Linie, welche der vierte Sohn, Herz. Moritz, bekam, der bereits die Deutsche Ordensballei Thüringen1 besaß, und nun [161] noch den Chursächs. Antheil an Henneberg, Voigtland etc. erhielt. Als aber sein Sohn, Moritz Wilhelm, (1715) zur Röm. kathol. Kirche überging, so erklärte das evangelische Domkapitel zu Naumburg den bischöfl. Stuhl für erledigt, und, vom König August 11. geschützt, brachte dasselbe es dahin, daß Herz. Moriz Wilhelm die Stifts-Regierung abtreten mußte. Sein Antheil siel, da er 1718 ohne männliche Erben starb, ebenfalls an das churfürstl. Haus zurück, so daß denn also seit 1746 die sämmtlichen Besitzungen der Albertin. Linie in Thüringen der Herrschaft des churfürstl. nunmehr königl. Hauses von Sachsen unterworfen sind, und dieses sonach, alles im Thüringischen Kreise, Fürstenthum Querfurth, Grafschaft Mansfeld zusammen berechnet, beinahe 800 Oerter und eine Menschenmenge von 300,000 Seelen besitzt.
Unter den gräflichen Häusern, welche in Thüringen besonders emporkamen, erwähnen wir noch der Grafen von Schwarzburg, die sich im 17. Jahrhund. in die Sondershäusische und Rudolstädtische Linien, und jene wieder (1681) in die Sondershäusische und Arnstädtische theilten. Außer mehreren kaiserlichen Begnadigungen wurden sie 1698 in den Reichsfürstenstand erhoben, und durch einen Vertrag 1719 behielt sich der Churf. v. Sachsen bloß die Lehnsherrschaft über sie vor, so daß jene Fürsten auch auf den Chursächsischen Landtagen erscheinen. Im J. 1754 erlangten sie Sitz und Stimme im Reichsfürstenrath.
Die Landgrafschaft Thüringen nun, welche überhaupt zum Obersächsischen Kreise gezählt wird, und nach ihrer geographischen Lage gegen Morgen an Meißen, gegen Mitternacht an Anhalt, gegen Abend an Hessen und Braunschweig, gegen Mittag an Franken grenzt, von welchen Ländern es durch die Saale, Unstrut, Werra, den Thüringer Wald und den Harz getrennt wird, begreift denn gegenwärtig den Thüringischen Kreis des Königreichs Sachsen, ferner die Herzogthümer Weimar, Gotha, Eisenach [162] und den westlichen Theil von Querfurth, das Fürstenthum Schwarzburg, das Eichsfeld, Erfurth, Mansfeld, Stollberg, Wernigerode; viele Geographen rechnen auch die zum Osterlande gehörigen Stifter Naumburg, Zeitz, Merseburg, ingleichen Weißenfels, Altenburg etc. dazu. Thüringens vorzüglichste Flüsse sind die Saale (s. Th. V. S. 1.) und die Unstrut, welche, auf dem Eichsfelde entspringend, mit mehreren Flüssen vereint, sich mit der Saale verbindet, und dann mit dieser bei Barby in die Elbe fällt. Durch die angestrengtesten Bemühungen sind unter dem jetzigen erhabenen Regenten Sachsens jene beiden Flüsse 1795 schiffbar gemacht worden; und die deßhalb angelegten Schleusen haben ihre wohlthätigen Wirkungen auch schon bei dem Austreten der Unstrut gezeigt. – Ein wohlangebautes, volkreiches Land (dessen Bewohner, ein gesunder Schlag von Menschen, als biedre, brave Deutsche ihrer Abkunft ganz würdig sind) bringt Thüringen vorzüglich Weitzen, Korn, Gerste, Obst, auch auf den Bergen Hafer. Krapp, welcher sich bei Langensalza erbauen läßt, wird als der beste in Deutschland gerühmt; der Waid, die bekannte Färberpflanze, jetzt freilich durch den Amerikanischen Indigo verdrängt, wurde sonst sehr stark hier gezogen. Bedeutend und wohlthätig für die Armen ist der Anbau der Erdäpfel; auch Oehlgewächse (Rübsen, Raps, Dotter) sind sehr ansehnlich. Die Weinberge (an den Ufern der Saale etc.) sind nicht unbedeutend; und die Waldungen, mit ansehnlichen Forsten, werden durch Pottaschsiedereien, Pech- und Kienrußhütten sehr einträglich. In Hinsicht der Viehzucht ist besonders die der Pferde – schon in den ältesten Zeiten berühmt – und der Schafe, zum Theil durch Spanische Art veredelt, ein wichtiger Zweig für die Oekonomie. Bergwerke giebt es hie und da; doch sind sie nicht von großer Bedeutung: bemerkenswerther sind die vielen Steinbruche im Weimarschen, Eisen und Kobalt im Gothaischen, die Salzquellen bei Kösen, die mineralischen Brunnen in Bibra etc. – Das Manufacturwesen in Thüringen erstreckt sich vorzüglich auf tuchwollne Zeuge und Strumpfmanufacturen (in Appolda z. B. sind die Strumpfwirker als ganz vorzüglich bekannt); und in Ansehung der Handlung kennt man die Städte [163] Mühlhausen und Nordhausen, Erfurth etc. als bedeutende Plätze. – In Künsten und Wissenschaften haben die Thüringer in den letztern Zeiten bedeutende Fortschritte gemacht, wozu die Erhebung hoher und niederer Schulen, unter jenen vorzüglich Erfurths im 15. Jahrh. und späterhin Jenaʼs, bedeutend hingewirkt haben; und wem ist es wohl unbekannt, welche berühmte und verdienstvolle Gelehrte Jena besessen hat, und welcher Männer sich Weimar, Gotha etc. erfreut? Aber eben dieß hat auf die Sitten und Denkungsart der Einwohner einen mächtigen Einfluß; und mit Recht darf man daher wohl die Bewohner der Städte Weimar, Gotha, Eisenach etc. zu den gesittesten und aufgeklärtesten zählen.
Wir übergehen hier die Verfassung der einzelnen herzoal. Sächsischen Länder der Ernestinischen Linie, da diese in die einzelnen Artikel derselben gehört, und zum Theil auch schon in dem Art. Sachsen (Th. V. S. 18.) beigebracht worden ist. – So viel aber den zum Königreich Sachsen gehörigen Thüringischen Kreis betrifft, so macht dieser Einen von den Sieben Kreisen des ganzen Königreichs aus, erstreckt sich von der Werra längs der Unstrut bis an die Saale und Elster, hat auf 52½ Quadratmeile ungefähr 142,000 Einwohner, und umfaßt, bei den bereits angeführten Vorzügen, welche es mit Thüringen überhaupt theilt, nebst Einem Kreisamte (Tennstädt) noch 12 Aemter, Weißenfels, Pforta, Freiburg, Langensalza etc. ingleichen die Ganerbschaft Treffurt.
1 Der Deutsche Orden gehörte um diese Zeit zu den ansehnlichsten Gutsbesitzern in Thüringen, in dem derselbe eine eigne Ballei von vier Commenthureien besaß, welche unter des Churfürsten von Sachsen Landesherrschaft stand, und deren Statthalterschaft vorher Angesehene vom Adel, jetzt aber nur Grafen und Fürsten erhielten.
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