Die Stadt Warschau

[481] Die Stadt Warschau (pohln. Warszawa), die ehemalige Haupt- und Residenzstadt der Könige von Pohlen, jetzt als Hauptstadt des Herzogthums Warschau dem Könige von Sachsen als Herzoge von Pohlen gehörig, an der Weichsel gelegen, eine große, schöne, volkreiche Stadt – die Einwohner rechnet man, mit Einschluß derer von Praga, auf 90,000, wovon fast der dritte Theil Ausländer, besonders Deutsche sind – und der Sitz der Regierung, eines Officialats, eines bischöflichen Appellations-Gerichts etc. Die großen, von allen Seiten offen stehenden Vorstädte – die eigentliche oder Alt-Stadt ist minder bedeutend – besonders die Cracauer und Nenstadt, haben eine Menge schöner Gebäude, Palläste, Kirchen und Klöster, wodurch eben der Ort so groß und ansehnlich wird. So sind z. B. das Sächsische (Palais de Saxe) Brühlische und and. Palais, die Casimirschen Casernen (wo Stanislaus Augustus 1766 eine Ritterakademie und ein Cadettencorps errichtete), viele Kirchen und Klöster große Zierden der Cracauer Vorstadt und der daran stoßenden neuen Welt, welche zusammen fast eine halbe Stunde lang sind. Ueberhaupt hat die Stadt, deren Lage auch äußerst angenehm ist und noch durch den breiten schiffbaren Weichselfluß verschönert wird, so wie die ganze umliegende Gegend, auch schon unter der vorherigen Regierung der beiden Sächsischen Könige sehr viel gewonnen.

Der ansehnliche Flecken Prag oder Praga, welcher ganz dicht daran gegen Morgen, jenseit der Weichsel, liegt, und gemeiniglich unter Warschaus Vorstädte gerechnet wird, ist in den Kriegen der ältern [481] und der neusten Zeit bekannt genug geworden. 1656 fiel hier die berühmte dreitägige Schlacht zwischen Carl Gustav von Schweden und Friedrich Wilhelm von Brandenburg wider die Pohlen, und zwar zum Nachtheil der letztern, vor; und in der neusten Geschichte hat die blutige Einnahme derselben durch Suwarow (s. dies. Art.) eine furchtbar berühmte Epoche in des letztern Biographie eingewebt. Auch Warschau hat öfters das Schicksal gehabt, belagert und erobert zu werden. Im J. 1655 und 56 von Carl Gustav von Schweden; 1702 von Carl XII. und 1793 von den Russen (Praga nahmen sie zuvor mit stürmender Hand). Manufakturen hat Warschau wenig, wenn man nicht etwa die Tabaks- und Leder-Fabriken, die Wachsbleichen, Gerbereien u. dergl. für etwas rechnen will. Der Handel mit Oestreich und Italien (über Krakau) und dann mit den übrigen Ländern über Danzig, Elbing, Breslau, Frankfurt etc. ist ziemlich bedeutend.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 481-482.
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