Abbitte

[3] Abbitte, Widerruf und Ehrenerklärung sind verschiedene, aber verwandte Strafen, zu welchen Derjenige gerichtlich verurtheilt werden kann, der die Ehre und den guten Ruf eines Andern durch Wort, Schrift, Zeichen, bildliche Darstellung, oder durch andere Handlungen absichtlich verletzt hat. Die Ehre kann bei dem Einen einen größern Umfang haben als bei dem Andern, aber Niemand, er mag auf der höchsten oder niedrigsten Stufe der bürgerlichen Gesellschaft stehen, kann dieser Ehre entbehren. Ehrenverletzungen oder Injurien, mögen sie von Muthwillen oder von Bosheit herrühren, kann allerdings Mancher im Gefühle seiner sittlichen Würde oder im Bewußtsein seines anerkannten Verdienstes verachten; allein niemals kann die bürgerliche Gesellschaft die Verletzung der Ehre eines ihrer Mitglieder ungeahndet lassen, sobald dasselbe sich gekränkt oder beleidigt fühlt. Darum hat der deutsche Gerichtsgebrauch die Abbitte, den Widerruf und die Ehrenerklärung festgesetzt, als Strafe des Beleidigers und zur Genugthuung Dessen, der an seiner Ehre gekränkt worden ist. Die Abbitte wird verlangt, wenn Einer dem Andern seine persönliche Verachtung unmittelbar, oder mittelbar zu erkennen gegeben hat. Sie besteht in der Erklärung des Beleidigers, daß es ihm leid thue, beleidigt zu haben, daß er sein Unrecht erkenne und um Verzeihung bitte. Der Widerruf findet Statt, wenn Einer von dem Andern erdichtete Thatsachen verbreitet oder ihm Handlungen nachgesagt hat, welche, wenn sie wahr wären, seiner Ehre schaden würden, und besteht in der Erklärung des Beleidigers oder Injurianten, daß er die üble Nachrede erlogen habe. Ehrenerklärung wird gefodert, wenn Jemand gegen einen Andern sich Worte und Handlungen erlaubte, die an und für sich zwar einen beleidigenden Charakter haben, aber angeblich nicht in der Absicht gebraucht wurden, um zu beleidigen. Wer also im Zorne oder in der Übereilung einen Andern beleidigte, der kann durch eine zeitig gegebene Ehrenerklärung einen Injurienproceß vermeiden, in Folge dessen der der absichtlichen Beleidigung Überwiesene zu Abbitte, Widerruf und Ehrenerklärung verurtheilt wird.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 3.
Lizenz:
Faksimiles:
3
Kategorien: