Blutrache

[273] Blutrache heißt die manchen Völkern des Alterthums eigne und jetzt bei vielen Bewohnern Asiens, Afrikas und Amerikas und bis vor Kurzem auch in Sardinien und Corsica noch herrschende Sitte, welche die nächsten Verwandten eines Ermordeten verpflichtet, ihn durch die Tödtung des Mörders zu rächen. Da die That des Bluträchers, besonders im Falle des absichtslosen Todtschlags, häufig zur Folge hatte, daß ein neuer Bluträcher gegen ihn aufstand, so führte dies zu blutigen und langwierigen Kämpfen zwischen ganzen Stämmen, die zuweilen nur in der Vertilgung des einen Theiles ein Ziel fanden. Diese grausame Sitte ist eine Folge des vorherrschenden Familien-und Stammverbandes, nach welchem ein dem einzelnen Gliede der Familie zugefügtes Unrecht als ein Angriff auf den ganzen Familienstaat angesehen wurde, wie in ähnlichem Sinne die Römer, bei denen in früherer Zeit ebenfalls die Blutrache stattfand, den Mord eines röm. Bürgers als eine Verletzung der Majestät des röm. Volkes ansahen. Mit den Fortschritten der Civilisation und der Ausbildung der gesellschaftlichen Verhältnisse zum Staatsverbande verträgt sich die Blutrache natürlich nicht, ja sie wird daneben zum Verbrechen, da das Recht der Strafe dem Staate vorbehalten bleiben muß.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 273.
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